Ein Leben ohne Internet und Smartphone ist für viele Deutsche nicht mehr vorstellbar. Im Jahr 2014 stieg die Anzahl der PCs, Notebooks und Tablets in Deutschland erstmals auf über 100 Millionen. Zusammen mit Smartphones und internetfähigen Fernsehapparaten gab es in Deutschland sogar 160 Millionen onlinefähige Geräte. Statistisch also zwei pro Einwohner - vom Neugeborenen bis zum 100jährigen. Auch die Datenmengen sind enorm: Pro Person werden in Deutschland aktuell pro Jahr ca. 3 Terabyte an Daten erzeugt. Digitalisierung ist ein Megatrend mit enormen Auswirkungen auf Privatleben und Wirtschaft. Ist Deutschland gut aufgestellt, um auch in Zukunft international wettbewerbsfähig zu bleiben und die globale Entwicklung mitzugestalten?
Eine wesentliche Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit ist eine flächendeckende und schnelle Breitbandversorgung. Deutschland liegt hier international allenfalls im Mittelfeld und hat in den vergangenen Jahren sogar an Boden verloren, wie aktuelle Untersuchungen zeigen. Der Ausbau der Breitbandinfrastrukturen stellt daher auch einen Schwerpunkt der Digitalen Agenda der Bundesregierung dar.
Dass aber auch Rechenzentren ein wesentliches Element der digitalen Infrastrukturen darstellen, ist bislang kaum in das öffentliche und politische Bewusstsein gedrungen. Bis vor wenigen Jahren war sogar vollkommen unbekannt, wie viele Rechenzentren es in Deutschland gibt und wie groß sie sind. Erst über den Umweg der Green IT Diskussionen befassten sich einige Studien mit diesem Themenfeld und konnten ermitteln, wie die Rechenzentrumslandschaft in Deutschland gestaltet ist.
Angenehmer Nebeneffekt dieser Untersuchungen: Auf dieser Basis können auch erstmals Daten zur wirtschaftlichen Bedeutung der Rechenzentrumsbranche abgeleitet werden. Borderstep hat im Jahr 2014 im Auftrag des BITKOM in einer Studie die wirtschaftliche Bedeutung und die Wettbewerbssituation der Rechenzentren in Deutschland untersucht. Hierin wurde beispielsweise ermittelt, dass die Rechenzentrumsbranche in Deutschland 200.000 Arbeitsplätze schafft.
Im Januar 2015 liegen mit einer weiteren Untersuchung von Borderstep aktuelle Zahlen zur Entwicklung der Rechenzentrumsbranche im Allgemeinen und des Energiebedarfs im Besonderen für das Jahr 2014 vor.
- Über die Unterverteilung im ...
... Rechenzentrum werden alle Server flexibel und anforderungsgerecht mit Strom versorgt. Die Versorgung über zwei unterschiedliche Wege (A/B-Versorgung) gewährleistet einen unterbrechungsfreien Betrieb. - Die IBM Power 795 ist das Herzstück ...
... im Rechenzentrum der TUI Deutschland. Zwei Systeme in unabhängigen Rechenzentren sorgen für eine ständige Verfügbarkeit des Buchungssystems. An Spitzentagen wickelt die TUI darüber ca. 30 Millionen Online-Anfragen ab. - Um den Anforderungen der TUI ...
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... Räumlichkeiten des Rechenzentrums ist ein Baustein der TUI Sustainability Initiative. Abhängig von der Wetterlage erfolgt die Klimatisierung der Räume deshalb über Rückkühler oder freie Kühlung. - Je zwei unabhängig ...
... betriebene USV-Anlagen mit jeweils mehr als 400 kW Leistung sorgen für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung in den TUI Rechenzentren.
Entwicklung der Rechenzentrumsbranche im Jahr 2014
Die weiter steigende IT-Nutzung in allen Lebensbereichen, Trends wie Cloud Computing, Big Data und immer mehr Multimedia-Dienste führten im Jahr 2014 zu einem deutlichen Anstieg des Bestandes an Server-, Storage- und Netzwerk-Infrastruktur in den deutschen Rechenzentren. Die Anzahl der physischen Server stieg auf 1,7 Millionen, ein Plus von 7 Prozent gegenüber 2013. Zusammen mit den Stand-Alone-Servern, die vor allem in kleinen Büros eingesetzt werden, gab es damit rund 2,4 Millionen Server in Deutschland. Die Zahl der virtuellen Server liegt mit 3 Millionen sogar noch deutlich höher.
Auch die Ausgaben für die IT-Hardware in den Rechenzentren stiegen um mehr als 3 Prozent auf etwa 7 Milliarden Euro. Die Investitionen für die Modernisierung und den Neubau der Infrastruktur von Rechenzentren stiegen in 2014 sogar um 7 Prozent auf 800 Millionen Euro.
Obwohl in der IT-Hardware und in der Rechenzentrumsinfrastruktur weitere Effizienzsteigerungen erreicht werden konnten, stieg der Strombedarf der Rechenzentren im Jahr 2014 durch den steigenden Bedarf an IT-Leistung um 3 Prozent auf 10 Milliarden Kilowattstunden (kWh) an. Setzen sich die aktuellen Trends ist der IT-Nutzung fort, so wird der Energiebedarf der deutschen Rechenzentren auch in Zukunft zunehmen und erreicht 2020 fast 12 Milliarden kWh (Abbildung 1).
Deutschland im internationalen Mittelfeld
Im internationalen Vergleich ist der Rechenzentrumsstandort Deutschland zwar gut, aber nicht spitze. Innerhalb der europäischen Union hat Deutschland den größten Rechenzentrumsmarkt mit einem Anteil von ca. 25 % an den europäischen Rechenzentrumskapazitäten. Auf den Rängen zwei und drei folgen Großbritannien (Anteil 21 Prozent) und Frankreich (Anteil 15 Prozent).
Betrachtet man die Wachstumsraten zwischen 2010 und 2014, so entwickelt sich der deutsche Markt jedoch nur auf Niveau des europäischen Durchschnitts (Abbildung 2). Ein besonders deutliches Wachstum der Rechenzentrumskapazitäten mit über 17 Prozent allein im letzten Jahr gab es dagegen in den Niederlanden, das Italien vom vierten Rang verdrängt hat und einen Anteil von 6 Prozent am Gesamtmarkt erreicht. Aufgrund der im Vergleich zu Deutschland moderaten Strompreise und der transatlantischen Internetanbindung scheint dieser Markt insbesondere für große amerikanische Cloud Anbieter attraktiv zu sein. Nach Medienberichten planen allein Microsoft und Google dort Investitionen in Cloud-Rechenzentren in Höhe von mehr als 2,5 Milliarden Euro.
Allerdings liegen die großen Wachstumsmärkte für Rechenzentren aktuell außerhalb von Europa. Insbesondere in China und Südamerika wird sehr viel in den Bau von Rechenzentren investiert. Auch die Kapazitäten in den USA wachsen deutlich stärker als im europäischen Markt.
Interessant ist auch ein Blick auf den Energiebedarf der Server und Rechenzentren im europäischen Vergleich. Hier sind ebenfalls Deutschland (ca. 10 TWh), Großbritannien (ca. 9 TWh), Frankreich (ca. 7 TWh) und die Niederlande (ca. 3 TWh) auf den obersten Rängen. Gemeinsam benötigen sie im Jahr 2014 ewa 55 Prozent des Stromverbrauchs aller Server und Rechenzentren in Europa (53 TWh).
Fazit
Bislang spielt die Bedeutung der Rechenzentren als wesentliches Element der digitalen Infrastrukturen der Zukunft in den öffentlichen und politischen Diskussionen kaum eine Rolle. In der Digitalen Agenda der Bundesregierung taucht der Begriff "Rechenzentrum" nur ein einziges Mal auf - und das im Zusammenhang mit den IT-Strukturen der Bundesregierung.
Andere Staaten wie Island oder Finnland betreiben eine aktive Standortpolitik für Rechenzentren. Auch die Niederlande sind dafür bekannt, dass die Behörden die Ansiedlung neuer Rechenzentren sehr gut unterstützen. Die Motivation scheint klar: Die Standorte der Datenverarbeitung und -speicherung können eine bedeutende Rolle in der digitalen Welt der Zukunft spielen. Das gilt sowohl hinsichtlich der Wirtschaftskraft als auch in Bezug auf die Möglichkeiten, politischen Einfluss die Regeln des Zusammenlebens und -arbeitens in der digitalen Welt zu behalten. Die NSA-Affäre hat gezeigt, wie wichtig das sein kann.
Die Borderstep-Studie "Deutliches Wachstum bei deutschen Rechenzentren im Jahr 2014" steht hier zum Download zur Verfügung. (bw)