Quanten-Computing-Strategie

Quantencomputer sollten Chefsache sein

04.01.2022
Von 
Matthias Frerichs ist Leiter der Unit Digital Banking bei Sopra Steria und Experte für das Thema Quanten-Computing.
Seit dem Start des ersten Quantencomputers in Deutschland wird die Zukunftstechnologie diskutiert. Doch mit Diskutieren ist es nicht getan - Unternehmen sollten schon heute die strategischen Weichen für den Einsatz stellen.
Quantencomputer gelten als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts, doch vielen Unternehmen fehlt noch eine Strategie.
Quantencomputer gelten als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts, doch vielen Unternehmen fehlt noch eine Strategie.
Foto: Boykov - shutterstock.com

An Superlativen mangelt es bei der Beschreibung des Quanten-Computing nicht: Höher, schneller, weiter soll es mit den Superrechnern gehen, die gemeinhin als die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts gelten. Bereits 2030 erwarten gut zwei Drittel der Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen in Deutschland einen spürbaren Einfluss der neuen Art der elektronischen Datenverarbeitung. Das ergibt die Studie "Potenzialanalyse Quantencomputing" von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut.

Was sich aus den Ergebnissen ebenso ablesen lässt: Zu viele Unternehmen hierzulande könnten die Ausfahrt Richtung Zukunft schlichtweg verpassen, weil ihnen eine Strategie fehlt. Dabei lohnt es sich, bereits in dieser Frühphase der Technologie, die noch eine Rechnung mit vielen Unbekannten ist, eine Strategie zu entwickeln. Sie verhindert, dass Unternehmen später kalt starten müssen, sobald die Technologie eine gewisse Reife beziehungsweise die Massentauglichkeit erreicht hat.

Zurückhaltung in Sachen Quanten-Computing

Die frühe Verankerung einer Quanten-Computing-Strategie kann Wettbewerbsvorteile sichern. Denn aktuell will dieses Thema nicht einmal jedes fünfte Unternehmen in den kommenden drei Jahren in seinem Strategieplan berücksichtigen. Nur eines von zehn beabsichtigt, künftig ein Budget dafür festzulegen, eigene Forschung erwägen 13 Prozent. Mit der Technologie auseinandersetzen soll sich ohnehin vor allem die IT, befindet die Mehrheit der befragten Entscheider.

Das mag auf den ersten Blick noch nachvollziehbar klingen, verdeutlicht auf den zweiten Blick aber die Problematik. Quanten-Computing wird den hohen Erwartungen zum Trotz auf der Ebene der Unternehmensentscheider noch zu oft als eine Technologie unter vielen verstanden und das disruptive Potenzial unterschätzt. Anders gesagt: Gilt der Grundsatz "IT follows Business", dann ist es höchste Zeit, dass sich das Business der Tragweite solcher Technologien bewusst wird.

Quanten-Computing erfordert andere Mitarbeiter

Besonders zwei Dinge sollten Unternehmen beherzigen:

• Die Personalfrage:

Der Quantencomputer rechnet schnell. Doch bei einer einfachen Addition auf Vorschulniveau wird er immer scheitern. Die Welt der Quanten erfordert daher neue Algorithmen und völlig neue Aufgabenstellungen. Die alte Welt hört auf eine binäre Sprache. Die Zukunft spricht einen Quantendialekt. Es braucht also Dolmetscher, Beschäftigte in den Unternehmen, die Aufgaben auf mathematischer und physikalischer Ebene durchdringen und das eigene Business quantengerecht denken können - mit dem klassischen IT-Background hat das in der Regel nur noch wenig zu tun.

Die alte Welt der Bits hört auf eine binäre Sprache- in der Welt der Qubits spricht man künftig einen Quantendialekt.
Die alte Welt der Bits hört auf eine binäre Sprache- in der Welt der Qubits spricht man künftig einen Quantendialekt.
Foto: Astibuag - shutterstock.com

Auch wenn kaum ein Unternehmen in absehbarer Zeit einen eigenen Quantenrechner im Serverraum stehen haben dürfte, braucht es das passende Know-how auch, um Quanten-Computing-as-a-Service effektiv nutzen zu können. Die passenden personellen Ressourcen entscheiden darüber, wie gut es Unternehmen gelingt, sich im Quantenzeitalter zukunftssicher aufzustellen. Human Resources ist gefragt für Fachkräftesicherung, Weiterbildungen, Arbeitsgruppen. All das findet nach eigenen Angaben der Unternehmen nur in einem Bruchteil der Betriebe statt. Dabei ist heute schon klar, dass der künftige Bedarf an Quantenexperten deren Verfügbarkeit weit übersteigen dürfte - besonders im gerade in Deutschland zu Recht hochgelobten Mittelstand.

• Das Business Development:

Quanten-Computing eröffnet die Möglichkeit völlig neuerGeschäftsmodelle. Davon zeigt sich in unserer Umfrage eine Mehrheit der Entscheider überzeugt. Warum also warten, wenn sich mithilfe von Quantensimulationen schon heute sehr gezielt über die Weiterentwicklung des eigenen Business nachdenken lässt und es Brückentechnologien gibt, mit denen der Einstieg weniger ruckartig erfolgen muss? Die Kosten für die Nutzung der bisherigen Angebote sind überschaubar, der Erkenntnisgewinn dürfte hingegen in jedem Fall hoch sein.

Was der kleine Prinz schon wusste

Es klafft noch eine gewaltige Lücke zwischen der Rolle, die die Quantentechnologie künftig spielen wird, der Erwartungshaltung der Unternehmen und ihren eigenen Vorbereitungen. Die Quantentechnologie ist eine Zukunftstechnologie - doch eine Zukunftstechnologie, auf die sich die Verantwortlichen in den Chefetagen strategisch vorbereiten sollten. Ein Ziel ohne Plan ist nur ein Wunsch, heißt es schon in der Geschichte des "Kleinen Prinzen" von Antoine de Saint-Exupéry: Dabei sollte es nicht bleiben müssen.