Obschon sich die Methoden des Projektmanagements seit mehr als 50 Jahren weiterhin stark verbreiten, versagen gemäß Standish Group Chaos Report mehr als 50 Prozent der IT-Projekte, weil Zeit-, Kosten- und Funktionalitätsziele verfehlt werden. Etwas mehr als 30 Prozent der Projekte werden abgebrochen. Lediglich etwas mehr als 15 Prozent der Projekte werden erfolgreich abgeschlossen, unter Einhaltung von Kosten-, Termin- und Funktionalitätszielen.
Gescheiterte Projekte zeigen folgende Eigenschaften auf:
Unvollständige Anforderungen
Fehlende Kundenmitwirkung
Mangel an Ressourcen
Unrealistische Erwartungen
Fehlende Unterstützung durch das Management
Wechselnde Anforderungen
Fehlende Planung
Überflüssige Anforderungen
Mangel an IT-Management
Technischer Analphabetismus
Die oben gemachten Anmerkungen deuten darauf hin, dass Kundenmitwirkung und Anforderungen den Projekterfolg am stärksten beeinflussen. Erfolgskritische Projekte sollten daher auf eine möglichste starke Kundenmitwirkung sowie auf die Erfüllung wechselnder Anforderungen setzen.
- Projektmanagement
Die Association for Project Management (APM) hat für die Studie "Conditions for project success" 850 Projekt-Verantwortliche aus Wirtschaft und Öffentlicher Hand nach den Erfolgsfaktoren befragt. - Fünf Faktoren
Insgesamt kristallisierten sich zwölf Faktoren heraus. Fünf davon gelten als besonders relevant: Planung, Teamzusammensetzung, Zieldefinition, Governance und der Wille zum Erfolg. - Faktoren 1 bis 6
Außerdem spielen Sponsoren und Funding eine Rolle ... - Faktoren 7 bis 12
... sowie Methoden und Tools, die Unterstützung des gesamten Unternehmens, die Endanwender, Standards und alle Lieferanten, die mit dem Projekt zu tun haben. - Erfolgsquote
Lediglich 22 Prozent der Projekte gelten als voller Erfolg. - Theorie und Praxis
Alle genannten Erfolgsfaktoren seien den Projektleitern bekannt, schreibt die APM. Mit der Umsetzung dessen in der Praxis sind sie dann nicht immer zufrieden.
Doch gerade traditionelle Methoden des Projektmanagements, wie die Wasserfall-Methode sind dazu wenig geeinigt. Rasche Veränderungen von Wirtschaft und Technologie, unklare geschäftliche Ziele sowie die Handlungen von Wettbewerbern erschweren die vollständige Erfassung von Anforderungen bei Projektbeginn. Ohne genaue Anforderungen lässt sich der Projektstrukturplan nicht ableiten, den traditionelle Projektmanagement-Methoden voraussetzen. Die Methoden des agilen Projektmanagements tragen diesem Sachverhalt Rechnung: sie enthalten Mechanismen, um die Kundenmitwirkung zu gewährleisten und kurzfristige Änderungen der Anforderungen und ihrer Prioritäten rasch einzubeziehen.
Die agilen Methoden des agilen Projektmanagements breiten sich rasant aus, doch die Mehrzahl der Projekte, die für agile Methoden angezeigt sind, werden weiterhin nach traditionellen Methoden realisiert. Dies kann zu Projektversagen und vermeidbarer Verschwendung führen. Denn die Methode des Projektmanagements sollte auf das Projekt und die wirtschaftliche Umwelt optimal ausgerichtet sein. Daher ist ein Vorgehen angezeigt, um die für ein konkretes Projekt passende Methode des Projektmanagements gezielt auszuwählen. Die Matrix der Projektmanagement-Landschaft kann dabei helfen.
Projektmanagement-Landschaft
Gemäß Anregung des Projektmanagement-Gurus Robert K. Wysocki lassen sich Projekte nach den Kriterien "Ziel" und "Lösung" in einer Projektmanagement-Landschaft (Abbildung 1) anschaulich klassifizieren. Für jedes Kriterium sind dort zwei Werte möglich: das Ziel (d.h. die Anforderungen) ist entweder klar oder unklar spezifiziert; und die Lösung ist entweder vollständig oder unvollständig bekannt. Daraus resultieren Quadranten, die durch folgende Methoden des Projektmanagements besetzt sind:
Traditionelles Projektmanagement, TPM
Agiles Projektmanagement, APM
Extremes Projektmanagement, xPM
Emertxe Projektmanagement, MPx
TPM-Quadrant
Traditionelle Projekte im TPM-Quadranten haben klare Ziele und vollständig bekannte Lösungen. Es handelt sich oft um einfache, wiederkehrende Projekte. Die Anforderungen sind bekannt und in detaillierten Arbeitspaketen beschrieben. Die herkömmliche Wasserfall-Methode des Projektmanagements eignet sich gut dafür. Für Projekte in diesem Quadranten sind etablierte und ausgereifte Methoden verfügbar.
APM-Quadrant
Im APM-Quadranten befinden sich agile Projekte mit klaren Zielen und unvollständig bekannten Lösungen. Die Lösungen sind dabei wenig bis größtenteils bekannt. Die Ungewissheit der Lösungen führt zu höheren Risiken als bei Projekten, die mit traditionellen Methoden realisiert werden. Weil die Lösungen unvollständig bekannt sind, lassen sich die Anforderungen nicht klar und vollständig beschreiben. Projekte in diesem Quadranten erfordern besondere Methoden zur iterativen Lösungsfindung. Die Lösungsfindung ist auch hier Bestandteil des Projektumfangs.
xPM-Quadrant
Der xPM-Quadrant enthält Projekte hoher Ungewissheit: unklare Ziele gekoppelt mit unvollständig bekannten Lösungen. Das Risiko, dass diese Projekte versagen ist besonders hoch. Hier handelt es sich u.a. um Innovationsprojekte oder um Projekte der Forschung und Entwicklung (F&E). Besondere Methoden wie z.B. das Design Thinking helfen dabei, auf das Ziel und die Lösung iterativ zu konvergieren. Projekte in diesem Quadranten haben die Frage zu beantworten, ob sie einen geschäftlichen Nutzen liefern.
Ein bekanntes Beispiel dieser Projektkategorie sind Post-It-Zettel: die Firma 3M fand erst nach mehreren Jahren eine geschäftlich relevante Anwendung für den Klebstoff, der bei Post-It-Zetteln verwendet wird. In diesem Beispiel ist der Klebstoff die Lösung, während der Post-It-Zettel das Ziel darstellt.
MPx-Quadrant
Projekte im MPx-Quadranten verbinden ein unklares Ziel mit einer vollständig bekannten Lösung. Der von Wysocki vorgeschlagene Begriff Emertxe (MPx) steht für xPM in umgekehrter Reihenfolge. Hier kann es sich um Technologien (Lösungen) handeln, für die geschäftliche Anwendungen (Ziele) gesucht werden. Wie bei Projekten des xPM-Quadranten, handelt es sich hier z.B. um hochriskante F&E-Vorhaben.
Ein Beispiel dafür ist die Technologie der Radio Frequency Identification (RFID) zur Kennzeichnung von Waren. Die Technologie stellt die Lösung dar, während die geschäftliche Anwendung der Technologie für das gesuchte Ziel steht. Das Modelabel Zara nutzt z.B. die Funktechnologie der RFID um die Lieferkette zu verfolgen und damit die Verfügbarkeit von Kleidungsstücken in Filialen abzufragen.
Traditionelles Projektmanagement
Projekte nach traditioneller Methode werden in einzelnen Schritten einer starren Abfolge ausgeführt: z.B. Initiierung, Planung, Ausführung, Monitoring und Abschluss. Jeder Schritt wird abgeschlossen und abgenommen bevor der nächste folgt. Hauptelemente dieser Methode sind:
detaillierte Planung zu Projektbeginn
sequentielle Prozesse
detaillierte Dokumentation (z.B. von Anforderungen, Arbeitspaketen, Abläufen usw.).
Ausgereifte Tools und Vorlagen erleichtern das Management von traditionellen Projekten. Als wichtigste Vorteile dieser Methode gelten: präzis definierte Ziele, steuerbare Prozesse, umfassende und detaillierte Dokumentation sowie klar zugeordnete Verantwortungsbereiche. Traditionelle Methoden eignen sich besonders für kleine sowie weniger komplexe Projekte. Schlagartige Änderungen einzelner Projektbestandteile erzwingen oft weitreichende Anpassungen des Projektplans.
Weil Kunden kaum in der Lage oder nicht gewillt sind, geschäftliche Ziele in Form von Anforderungen zu formulieren, besteht keine Gewährleistung, dass die umgesetzten Anforderungen die Ziele des Kunden tatsächlich erfüllen. Das Risiko, dass der Kunde mit dem Projektergebnis nicht zufrieden ist, ist deshalb groß. Bei Abbruch des Projekts liegt oft kein brauchbares oder verwertbares Projektergebnis vor, da die Umsetzung aller Anforderungen Voraussetzung zur Erreichung des Projektziels ist.
Agiles Projektmanagement
Agile Projekte basieren auf einem kundenorientierten, teambasierten und iterativen Vorgehen, das auf die rasche Bereitstellung nutzbarer Funktionalitäten ausgerichtet ist. Die Hauptmerkmale agilen Projektmanagements sind:
iteratives, zyklisches Vorgehen im Rahmen von sog. Sprints mit einer Maximaldauer von einem Monat
konsequente Kundenorientierung dank regelmäßigem Kunden-Feedback
flexibler Anforderungskatalog, auf aktuellen geschäftlichen Zielen und Prioritäten ausgerichtet
selbstorganisierte, funktionsübergreifende Teams
regelmäßige Bereitstellung nutzbarer Features, die auf das Projektziel konvergieren
Änderungen in letzter Minute lassen sich im Rahmen agiler Projekte problemlos aufnehmen, ohne Zeitplan und Projektumfang zu beeinträchtigen. In Kontrast zu traditionellen Projekten, liegen bei Abbruch des Projekts nutzbare Funktionalitäten vor.
Extremes Projektmanagement
Bei Projekten des extremen Projektmanagements geht es um:
komplexe und ungewisse Vorhaben deren Ziel zum großen Teil unbekannt und deren Lösung bekannt oder unbekannt ist.
Projekte, die kein Fertigstellungsdatum haben und spekulativ sowie hochriskant sind.
Anstelle eines zu Projektbeginn festgelegten Ziels, geht es hier darum, ein erstrebenswertes Ziel im Verlauf des Projektes iterativ zu entdecken. Das Projektziel wird im Verlauf des Projekts schrittweise erarbeitet. Bei extremen Projekten sind die Aktivitäten des Entdeckens und Lernens zentral. Kreativität spielt hier eine zentrale Rolle.
Die Ungewissheit extremer Projekte zeigt sich in der unbekannten Dauer und den ungewissen Kosten. Die Versagensquote extremer Projekte ist hoch und die erreichten Ziele können signifikant von den erwarteten abweichen.
Ein einfaches Beispiel eines extremen Projektes ist die Suche nach nutzbringenden geschäftlichen Anwendungen von Standardsoftware. Hier ist die Software die bekannte Lösung, während die Anwendung das unbekannte Ziel darstellt. Hochkomplexe extreme Projekte sind in der Grundlagenforschung und in der F&E anzutreffen. Dort kann es z.B. darum gehen, ein (noch unbekanntes Wirkmittel) zu einer (unbekannten) Krebserkrankung zu entdecken.
Methode des Projektmanagements auswählen
Der Einsatz der geeigneten Methode des Projektmanagements ist für den Erfolg eines Projekts maßgebend. Die Auswahl der Methode sollte daher nach relevanten Kriterien geschehen. Die oben erläuterte Matrix der Landschaft des Projektmanagements liefert einen guten Ausgangspunkt dafür. Die untenstehende Tabelle listet weitere Kriterien auf, die bei der Auswahl der optimalen Methode hilfreich sind.
Tabelle: Kriterien zur Wahl der Methode des Projektmanagements
Traditionell | Agil | Extrem | |
Kundenmitwirkung | -Gering und punktuell | - Hoch und kontinuierlich | - Sehr hoch und kontinuierlich |
Ziel | - Bei Projektbeginn klar | - Bei Projektbeginn klar | - Unklar, während Projekt entdeckt |
Lösung | - Klar | - Unklar | - Klar bis unklar, während Projekt entdeckt |
Team | - Übergeordnete Koordination | selbstorganisierte, funktionsübergreifende Teams | selbstorganisierte, funktionsübergreifende Teams |
Entscheidungs-kompetenz | Bei Projektmanager | Beim Projektteam | Beim Projektteam |
Eskalations-management | Bei Problemen, Eskalation auf übergeordnete Hierarchiestufe | Bei Problemen, gemeinsame Lösungsfindung durch Team | Bei Problemen, gemeinsame Lösungsfindung durch Team |
Finanzierung | - Oft Fixpreis | Am besten nach Aufwand oder flexiblem Modell | Am besten nach Aufwand oder flexiblem Modell |
Risiko | - Gering, bei einfachen Projekten und wenn Ziel und Lösung detailliert sind | - Gering, auch bei komplexen, innovativen Projekten | - Hoch, v.a. wenn Ziel unklar ist |
Projektergebnis | - Nutzbares Projektergebnis liegt erst bei Projektabschluss vor | - Nutzbares Projektergebnis liegt nach jeder Iteration vor | - Nutzbares Projektergebnis liegt nach jeder Iteration vor |
Fragen, die zu klären sind
Es lässt sich keine im Sinne einer "Einheitsgröße" für alle Projekte passende Methode des Projektmanagements angeben. Deshalb sollte die Methode des Projektmanagements für jedes Projekt situativ und individuell bestimmt werden. Mit der Landschaft des Projektmanagements lässt sich die Methode des Projektmanagements gemäß den Ausprägungen von "Ziel" und "Lösung" in einem ersten Schritt bestimmen. Die Wahl lässt sich in einem zweiten Schritt nach Fragestellungen wie die folgenden validieren:
Ist der Kunde gewillt und in der Lage, während des Projekts eng mitzuwirken?
Ist eine kurze Time-to-Market wichtiger als ein Release mit allen Features?
Handelt es sich um ein dynamisches, volatiles Vorhaben, bei dem häufige und schlagartige Änderungen der Anforderungen zu erwarten sind?
Ist das Projekt hohen und unbekannten Risiken ausgesetzt?
Wie komplex ist das Projektvorhaben?
Wie groß ist die Erfahrung mit vergleichbaren Aufgabenstellungen?
Um den Projekterfolg weiter abzusichern, sollen nicht zuletzt die Präferenzen der Beteiligten bei der Wahl der Methode des Projektmanagements beachtet werden. (bw)