Die IT-Umgebung und Applikationen komplett "im Handbetrieb" zu fahren ist nicht mehr zeitgemäß. Denn Unternehmen müssen heute schneller und agiler denn je agieren. Das erfordert allein die Digitalisierung von Geschäftsmodellen und Angeboten. Beispiele dafür gibt es zuhauf: Streaming-Dienste treten an die Stelle klassischer TV- und Musikangebote; immer mehr Verbraucher schließen Versicherungen online ab; Industrieunternehmen setzen auf vernetzte Produktionsumgebungen - Stichwort Industrie 4.0 - und formieren sich mit Partnerfirmen zu "virtuellen Fabriken".
Doch neue digitale Geschäftsmodelle aufzubauen und Reibungsverluste zu minimieren funktioniert nur dann, wenn interne Abläufe beschleunigt und automatisiert werden. Hinzu kommt ein weiterer Faktor: Gute Fachkräfte sind nach wie vor Mangelware. Das gilt nicht nur für IT-Spezialisten, sondern auch für Mitarbeiter im Vertrieb, in der Kundenbetreuung und der Human-Resources-Abteilung. Auch dies spricht dafür, Standardprozesse zu automatisieren.
Firmen haben Stellenwert von Prozessautomatisierung erkannt
Positiv ist vor diesem Hintergrund, dass deutsche Unternehmen erkannt haben, wie wichtig die Automatisierung von Abläufen ist - und die Rolle von Technologien, mit denen sich entsprechende Projekte umsetzen lassen. Dazu zählen Analytics-Verfahren, Process Mining und Robotic Process Automation (RPA). Das belegt die Studie "Process Mining & RPA 2019" von IDG Research Services. Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung: Fast 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland setzen mittlerweile auf die Digitalisierung. Von diesen wiederum betrachten mehr als 90 Prozent Process Mining, Analytics und RPA als Schlüsseltechnologien im Rahmen von Digitalisierungsprojekten.
Automatisierung setzt allerdings voraus, dass zunächst eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Prozesse erfolgt mittels Process Mining erfolgt. Fast die Hälfte der Firmen (47 Prozent) hat entsprechende Pilotprojekte gestartet oder bereits zumindest einen Teil ihrer Prozesse analysiert. Mehr als ein Drittel ist einen Schritt weiter und hat zudem bereits Kernprozesse in ein Process Mining eingebunden. Nur 13 Prozent der Befragten zählen dagegen zu den "Verweigerern": Sie sehen keinen Nutzen im Automatisieren von Prozessen und Process Mining.
Hier gehts zur Studie Process Mining & RPA 2019
Diskrepanz zwischen "Groß" und "Klein"
Zu denken gibt jedoch, dass sich eine Kluft zwischen größeren und kleineren Unternehmen auftut, was Process Mining betrifft. Vor allem größere Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und einem entsprechend großen IT-Budget sind derzeit dabei, Prozesse auf den "Automatisierungsprüfstand" zu stellen. So sind aktuell 19 Prozent der Firmen mit einem IT-Budget von mehr als 250.000 Euro dabei, Process Mining auf alle vorhandenen Prozesse auszuweiten. Von den Unternehmen mit einem kleineren finanziellen Rahmen planen dies nur rund 7 Prozent.
Noch deutlicher wird die Diskrepanz, betrachtet man den Anteil der Unternehmen, die bereits alle relevanten Prozesse unter die Lupe genommen haben, sprich die Inventarisierung abgeschlossen haben. Von denjenigen mit großem IT-Budget sind es neun Prozent, von den Firmen mit weniger Geld für IT-Vorhaben nur 0,8 Prozent. Dieser Unterschied kann mehrere Ursachen haben. Eine Option ist, dass für Unternehmen mit kleinerem IT-Budget andere Aufgaben eine höhere Priorität haben, beispielsweise der Aufbau von Big-Data-Ressourcen. Eine weitere Erklärung ist, dass Geld in die Modernisierung der IT- und Anwendungsumgebung fließt, inklusive des Umstiegs auf Public und Hybrid Clouds.
Grund zur Sorge, dass mittelständische Unternehmen das Thema Prozessautomatisierung verschlafen, besteht allerdings nicht. Denn mehr als 40 Prozent der mittelständischen Firmen (500 bis 999 Mitarbeiter) wollen 2020 zwischen 250.000 Euro und fünf Millionen Euro für Process Mining ausgeben. Das entspricht der gleichen Summe, die 43 Prozent der Großunternehmen investieren möchten, so die Studie von IDG Research Services.
Hauptziel: Vorhandene Prozesse optimieren
Offenkundig hat sich in vielen Unternehmen ein gewisser Wildwuchs breitgemacht, was Geschäftsabläufe betrifft. Darauf deutet ein weiteres Resultat der Untersuchung hin: Die Mehrzahl der Unternehmen in Deutschland (62 Prozent) will mithilfe von Process Mining vorhandene Prozess optimieren. An die 40 Prozent der Befragten möchten auf diese Weise eine bessere Sichtbarkeit von Abläufen erreichen. Keine Überraschung ist, dass diese Punkte vor allem für Großfirmen mit mehr als 1.000 Beschäftigen relevant sind, die über viele und komplexe Prozesse verfügen. Doch auch Mittelständler und kleinere Unternehmen sehen in einer höheren Transparenz den wichtigsten Nutzen von Process Mining.
Die Bestandsaufnahme von Prozessen ist für rund die Hälfte der befragten Business-Entscheider allerdings nur die Voraussetzung für einen weiteren Schritt: die Automatisierung von Abläufen, etwa mithilfe von Robotic Process Automation. Interessanterweise teilen nur 38 Prozent der Mitarbeiter in den IT-Abteilungen und Fachbereichen diese Auffassung. Dies ist möglicherweise auf die Furcht vor dem Verlust von Arbeitsplätzen durch die Prozessautomatisierung zurückzuführen.
Dass Software-Bots Aufgaben übernehmen können, zeigt sich bereits in mehreren Bereichen, etwa in Callcentern und Helpdesk-Abteilungen. Vorgänge wie das Zurücksetzen vergessener Passwörter werden bereits seit geraumer Zeit automatisch abgewickelt. Mittlerweile laufen auch komplexe Vorgänge automatisiert ab, beispielsweise das Bereitstellen von Cloud-Services oder das Erstellen von angeboten durch eine Versicherung.
Robotic Process Automation: wichtiges Thema im Mittelstand
Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass derzeit ein Viertel der Befragten Robotic Process Automation einen hohen oder sehr hohen Stellenwert einräumt. Für das kommende Jahr (2020) teilen sogar 44 Prozent der Experten diese Meinung. Vor allem mittelständische Firmen mit 500 bis 1.000 Mitarbeitern setzen auf RPA. Die Hälfte hat bereits Pilotprojekte gestartet, beziehungsweise plant solche Vorhaben. In diesem Punkt können selbst Großunternehmen nicht mithalten: "Nur" 38 Prozent von ihnen haben konkrete Planungen in puncto RPA oder bereits Prozesse auf Software-Bots übertragen.
Ins Auge sticht, dass Unternehmen laut der Studie von IDG Research Services mit Prozess Mining und RPA vor allem "klassische" Geschäftsziele erreichen wollen. Dazu zählen eine Steigerung des Umsatzes (rund 30 Prozent) und niedrigere Kosten (29 Prozent). Auf dem dritten Platz folgt eine höhere Zufriedenheit von Kunden und ein besseres Verständnis von deren Anforderungen (27 Prozent). Interessanterweise erwarten vor allem IT-Fachleute und CIOS von einer Automatisierung von Prozessen steigende Einnahmen und sinkende Aufwendungen, weniger die Geschäftsentscheider. Für diese haben zufriedene Kunden eine besonders hohen Stellenwerte.
Hier gehts zur Studie Process Mining & RPA 2019
Datenintegration ist Hemmschwelle
Eine weniger wichtige Rolle spielen Faktoren wie die Beschleunigung von Prozessen (23 Prozent) und die Digitalisierung der Beziehung zu Kunden und Partnern (22 Prozent). Dies deutet darauf hin, dass etliche Unternehmen den Stellenwert von Process Mining und der Automatisierung von Prozessen im Rahmen von Digitalisierungsprojekten noch nicht richtig "einsortieren" können.
Doch Orientierung ist auch an anderer Stelle gefragt. Vor allem mittelständische Firmen (26 Prozent) haben Schwierigkeiten, den passenden Anbieter von Lösungen im Bereich RPA und Process Mining zu finden. Abhilfe können in diesem Punkt externe Beratungshäuser schaffen, die nach einer Analyse der Anforderungen des Nutzers passende Produkte finden und gegebenenfalls implementieren. Dienstleister können zudem weitere Probleme lösen, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sehen. Eines ist der hohe Aufwand für die Schulung und Weiterbildung eigener Mitarbeiter (19 Prozent), ein weiteres die nicht funktionierende Integration von Datenbeständen (22 Prozent).
Dagegen sind die IT-Abteilungen und die IT-Infrastruktur für die Herausforderungen gut gerüstet, die Process Mining und RPA mit sich bringen. Mehr als 90 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sowohl die "Skills" der IT-Fachleute als auch Systeme und Anwendungen für die Automatisierung von Prozessen ausreichen. Auf dieser Grundlage lässt sich somit aufbauen.
Studiensteckbrief
Herausgeber: COMPUTERWOCHE, CIO, TecChannel und ChannelPartner
Studienpartner
Platin Partner: BluePrism GmbH
Gold-Partner: Blue Reply GmbH, Signavio GmbH, Uipath GmbH
Grundgesamtheit: Oberste (IT-) Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider & IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Stichprobenziehung in der IT-Entscheider-Datenbank von IDG Business Media. Persönliche E-Mail-Einladungen zur Umfrage.
Gesamtstichprobe: 361 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 16. April bis 24. April 2019
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung: IDG Research Services in Abstimmung mit den Studienpartnern
Durchführung IDG Research Services