Sharing Economy & Mobility 4.0

Plattformübergreifende Mobilität per App

01.02.2016
Der Daimler-Konzern wird auch in Zukunft PS-starke Luxusschlitten anbieten. Daneben wollen sich die Stuttgarter aber auch in anderen, neuen Bereichen der Mobilität engagieren - wie das Beispiel Moovel zeigt.

Es kann doch so einfach sein. Eine App, ein paar Klicks - und fertig ist die schnellste Route von A nach B. Doch dafür greifen viele Apps nur auf einen relativ kleinen Datenpool zurück - einen kompletten Überblick über verschiedene (oft auch billigere) Verkehrsmittel bekommt der Smartphone-Nutzer nicht. Von einem plattformübergreifenden Gesamt-Ticket ganz zu schweigen. Nutzer müssen deshalb häufig von App zu App springen, um sich zu informieren und anschließend mehrere Fahrkarten kaufen - ein mühsames Unterfangen. Dieses Szenario soll bald der Vergangenheit angehören: Unternehmen wie Daimler und die Deutsche Bahn bieten Smartphone-Apps an, die Infos zu verschiedenen Verkehrsträgern auf einer Plattform bündeln. Zug, Bus, U-Bahn, Miet- und Carsharing-Angebote und - im Falle von Qixxit - sogar Flug-Verbindungen werden so inkludiert.

Mobility 4.0 wird die Art und Weise wie wir Autos und andere Verkehrsmittel nutzen grundlegend verändern. Unternehmen wie Daimler wollen in diesem Bereich Pionierarbeit leisten.
Mobility 4.0 wird die Art und Weise wie wir Autos und andere Verkehrsmittel nutzen grundlegend verändern. Unternehmen wie Daimler wollen in diesem Bereich Pionierarbeit leisten.
Foto: keport - shutterstock.com

Sharing Economy: Von Flexibilität und der Lust am Teilen

Die Mobility-Apps sind die Antwort auf sich verändernde Verkehrsgewohnheiten der Menschen. "Sharing Economy" ist angesagt - also eine verstärkt gemeinschaftliche Nutzung von Verkehrsmitteln, wie etwa beim Carsharing. "Der Markt hat sich dramatisch gewandelt", sagt Robert Henrich, Chef von Moovel, das zu Daimler gehört. "Es gilt jetzt, Antworten zu finden für morgen und Partnerschaften zu schließen mit dem Nahverkehr und anderen Unternehmen, um gemeinsame Wege zu finden, damit wir die Mobilität intelligenter organisieren können."

Ende 2015 ließ sich sogar Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann bei einem Moovel-Termin blicken - damals stellte die Firma die Erweiterung ihrer Ticketfunktion auf den Stuttgarter Nahverkehr vor. Der Grünen-Politiker gilt nicht als großer Daimler-Fan - im Gegenteil: Er wünscht sich weniger dicke Autos im Feinstaub-belasteten Stuttgarter Straßenverkehr. "Ich bin nicht hier, um einem einzelnen Unternehmen zuzuarbeiten", sagte Hermann. "Sondern um einer neuen Sichtweise zur Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen, weil das wirklich sehr innovativ ist."

Neben Hermann saß Stefanie Haaks, Kaufmännische Vorständin der Stuttgarter Straßenbahnen AG, die sich aus der Kooperation mit Moovel viel verspricht: "Wir sehen eine ganz große Chance für uns durch diese App, den seltenen Gelegenheitsnutzer als Kunden gewinnen zu können." Außer in Stuttgart sind in Deutschland übrigens noch keine anderen Nahverkehrs-Strecken im Moovel-Ticket enthalten. Immerhin: Bei Qixxit sind U-Bahnen noch gar nicht integriert in den Ticketkauf, sondern sie werden nur für als Informationen zur Route angezeigt.

New Mobility Apps: Visionen statt Zahlen

Die Branche ist noch klein - so klein, dass niemand gern über Zahlen spricht. Der Umsatz sei "nicht der Hauptfokus", antwortet Moovel-Chef Henrich ausweichend auf die Frage nach Zahlen. Bekannt ist nur, dass 80 Beschäftigte für Moovel in Deutschland tätig sind. Wie viele Downloads es seit dem Start 2012 gab? Keine Antwort.

Der Wettbewerber Qixxit ging 2014 an den Start, seither gab es 300.000 Downloads der App. Ob die Bahn-Tochter mit ihren zwölf Mitarbeitern profitabel sei? Qixxit sei "eine Investition in die Zukunft", antwortet Chefin Friederike Aulhorn. "Der gesellschaftliche Trend entwickelt sich weg vom Eigentum und hin zum Sharing." Dienstleistungen wie Qixxit seien nötig, damit Menschen ihr Reiseverhalten flexibler gestalten können. Ein weiterer Konkurrent ist das Berliner Start-Up Waymate, das die App Allryder anbietet.

Auslaufmodell Privat-Auto?

Mal angenommen, Moovel startet durch - würde sich Daimler damit nicht ins eigene Knie schießen? Schließlich könnten alteingesessene Kunden dank Moovel auf den Geschmack der New Mobility kommen. Statt eine neue Mercedes-Benz C-Klasse zu kaufen, könnte die Kombination aus Nahverkehr und Carsharing (oder Mietwagen) doch auch genügen? Peter Fuß von Ernst & Young schüttelt den Kopf. Es sei logisch, dass Daimler auf Moovel setzt. "Dem Unternehmen ist klar: Nur noch Anbieter von Premiumautos zu sein, das reicht nicht mehr." Für die jüngere Generation sei das Auto nicht mehr so das Statussymbol, wie dies noch bei Älteren der Fall sei, sagt Autoexperte Fuß. "Also setzt Daimler auf eine Premium-Mobilitäts-App, um die Jüngeren als Kunden zu binden." Den Wandel im Verkehrsbereich wolle Daimler mitgehen und dadurch seine Zukunft sichern.

Lynn-Kristin Thorenz vom Beratungsunternehmen IDC hält Investitionen in Mobilitäts-Apps von Firmen wie Daimler oder der Bahn ebenfalls für sinnvoll: "Abzuwarten und wenig oder gar nichts zu tun, [..] wäre schädlich." Die digitale Transformation mache vor keinem Industriezweig halt - dass dennoch jede zweite deutsche Firma nichts oder wenig tue, um sich darauf einzustellen, hält Thorenz für völlig unverständlich. (dpa/fm)