"Algorithmen im Bewerbungsprozess - Traum oder Alptraum?" hieß die aktuelle Umfrage, die die Kongressmesse women&work von Mitte Mai bis Ende Juni online betrieben hat. 111 Frauen nahmen an der Befragung teil. Das deutliche Ergebnis: Die Mehrheit der Befragten (90 Prozent) lehnt die Entscheidung über die Einstellung und den weiteren Karriereverlauf durch Algorithmen ab. Ebenfalls die Mehrheit - nämlich 88 Prozent - bevorzugen die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme auf Veranstaltungen und wünschen sich persönliche Ansprechpartner auf Karriere-Webseiten.
Die Ergebnisse bestätigen, was befragte Besucherinnen schon Ende April direkt auf der women&work 2018 geäußert hatten: Bei Frauen spielen ethische Werte und Moral nicht nur bei der Wahl des zukünftigen Arbeitgebers eine sehr wichtige Rolle, sondern auch im Bewerbungs- und Einstellungsverfahren. Melanie Vogel, Initiatorin der women&work, stellt fest, dass Frauen in einer Epoche, in welcher der Mensch Gefahr läuft, durch die Digitalisierung abgehängt zu werden, einen deutlich humanistischen Zeitgeist verkörpern, der sich parallel zur technologischen Entwicklung durchsetzt. Arbeitgeber, so Vogel, müssten dies bei der "Candidate Journey" von Frauen unbedingt berücksichtigen.
Während knapp die Hälfte der befragten Frauen (40 Prozent) die Online-Formulare auf Karriere-Websites noch positiv beurteilen, lehnen knapp 67 Prozent den algorithmisch automatisierten Abgleich ihrer Bewerbungsdaten, Stärken und Kompetenzen mit den Anforderungen des Unternehmens ab. "Flexibilität und die Fähigkeit, auf spontane Situationen sowie den jeweiligen Gesprächs- und Verhandlungspartner einzugehen, wird immer wichtiger. Standardisierte Verfahren und Auswertungen sind daher absolut kontraproduktiv", kommentiert eine Umfrageteilnehmerin. Eine andere merkt an, wenn Arbeitgeber exzellente Mitarbeitende gewinnen wollten, sollten sie sich auch die Zeit nehmen, mit diesen ins Gespräch zu kommen. Das habe etwas mit Wertschätzung als potenzieller Mitarbeiterin zu tun.
KI wird als faires Selektionskriterium angezweifelt
Die viel diskutierte Meinung, dass Algorithmen und Künstliche-Intelligenz-Systeme für gerechtere Auswahlverfahren sorgen, teilen 90,9 Prozent der befragten Frauen nicht. "Da die KI-Systeme von einigen wenigen Menschen programmiert werden, die meistens nicht mal im Personalbereich des jeweiligen Unternehmens arbeiten, halte ich die Systeme für sehr fehleranfällig", gibt eine Teilnehmerin zu Protokoll. Eine andere lehnt den Einsatz von KI-Systemen und Algorithmen zwar nicht ganz ab, befindet ihn aber nur dann für sinnvoll, "wenn die Grundlagen von Stellenbeschreibungen und Eingabemöglichkeiten in Online-Portalen selbst schon so neutral formuliert sind, dass Missverständnisse durch mangelhafte Übersetzungen oder eine störanfällige Wortwahl von vornherein ausgeschlossen werden können".
- Haarsträubende Bewerbungsfehler
IT- und Software-Spezialisten sind gefragt. Aber trotz der guten Berufsaussichten heißt es auch für diese Klientel, haarsträubende Bewerbungsfehler zu vermeiden. - Öffentliche Jobsuche
Wer als IT-Spezialist in seinem Xing- oder LinkedIn-Profilen angibt, dass er auf Stellensuche ist, wird mit Stellenangeboten zugeschüttet, wovon die wenigsten auf sein Profil passen. Daher ist es ratsam, sich auf Plattformen oder Reverse-Recruiting-Portalen anzumelden, die auf einzelne Branchen spezialisiert sind. - Technologie-Geprotze
Die Lebensläufe von IT-Bewerbern strotzen oft von Namen und Abkürzungen sämtlicher jemals benutzten Programmiersprachen und Technologien. Weniger ist aber mehr. Von Vorteil ist es, nur für die Stelle relevanten Kenntnisse in den Vordergrund zu stellen. - Print-Bewerbung
Nur ein Viertel der Personalverantwortlichen ist noch gewillt, ausgedruckte und per Post geschickte Bewerbungen anzunehmen. Speziell für IT- oder Softwareexperten gilt entsprechend: Bewerbungen in Papierform werden meist aussortiert. - Zu wenig Fakten
Der Lebenslauf sollte übersichtlich und aussagekräftig sein. Nur die vorherigen Arbeitgeber und Stellenbezeichnungen zu nennen, reicht nicht aus. Drei bis fünf Stichpunkte unter jeder ausgeübten Tätigkeit, mit Angaben über Rolle, Aufgaben, Projekte und angewandte Technologien sind ein Muss. Der Recruiter kann sich so schnell einen guten Überblick verschaffen. - Massenbewerbung
Das offene Versenden der Bewerbung an mehrere Adressaten ist eine Todsünde. Betriebe reagieren in der Regel allergisch auf Massenbewerbungen per E-Mail. Mit anderen Worten: eine Bewerbung muss individuell an das Unternehmen und die offene Stelle angepasst sein. - Zu viele Einzeldokumente
E-Mail-Bewerbungen mit vielen unterschiedlichen Einzeldokumenten sowie zu großen Dateien lassen Personaler schnell an der Kompetenz des ITlers zweifeln. Alle Dokumente sollten kompakt in einer nicht zu großen PDF-Datei (nicht mehr als 3MB) versandt werden. - Keine Manieren
Der Bewerber sollte den normalen Grad an Persönlichkeit, Höflichkeit und Respekt zeigen, auch wenn er gerade als Technikexperte stark umworben wird. Die kommentarlose Versendung eines Links zum eigenen Social-Media-Profil auf Xing, LinkedIn, Github, Facebook, etc. ohne begleitende Worte ist keine passende und zielführende Kommunikation. - Bewerbungs-Homepage
Die Idee der Bewerbungs-Homepage ist grundsätzlich gut. Das Problem ist nur, dass die Schwerpunkte für den spezifischen Job und das Unternehmen, dem die Bewerbung gilt, nicht herausgehoben werden können. Ein sehr gutes Begleitschreiben kann das ausgleichen – sofern es gelesen wird. - Forderungen stellen
Es wird als No-Go angesehen, direkte Forderungen à la „Wenn-dann“ in der Bewerbung zu stellen. Die Formulierung von Wünschen und Vorstellungen in überschaubarem Maß ist dagegen meist unproblematisch. - Zu private Bewerbungsfotos
Die Anforderungen an das Bewerbungsfoto haben sich gerade in der IT-Branche stark gelockert. Authentizität und Sympathie stehen im Vordergrund. Auch Bilder aus der Freizeit können das gut transportieren. Zur Vorsicht ist aber geraten, wenn es zu Partybildern oder Aufnahmen vom unordentlichen Schreibtisch zu Hause kommt.
Kontakt im Bewerbungsverfahren muss sein
Drei Viertel der Interviewten möchten nach wie vor auch beim Erstkontakt mit einem potenziellen Arbeitgeber mit einem Menschen von Angesicht zu Angesicht sprechen können. Ein Grund: 96 Prozent der Befragten haben nicht mehr Vertrauen in die Auswahlentscheidung künstlicher Intelligenzen über ihre Bewerbung, als wenn Menschen die Selektion vornehmen. Auch Chatbots, Spracherkennungsprogramme oder automatisierte Abgleiche von Lebenslaufdaten mit Stellenbeschreibungen halten 89 Prozent gar nicht oder nur zum Teil für nützlich. "Der Einsatz kann sinnvoll bei harten Faktoren wie Ausbildung, Zusatzqualifikationen oder fachlichen Schwerpunktangaben sein. Die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen und ein Gespür für die passenden Mitarbeiter jenseits harter Daten und Fakten zu haben, behalte ich jedoch jetzt und in Zukunft ausdrücklich dem Menschen vor", schreibt eine Interviewte dazu.
Die ausführlichen Umfrageergebnisse können unter https://www.female-recruiting.com/ abgerufen werden.