Tipps für die APEX-Migration

Oracle Forms und das Dilemma der Anwender

07.08.2024
Von 
Günther Stürner, Datenbankexperte.
In Oracle Forms schlägt das Datenherz vieler Unternehmen. Doch die Plattform kommt in die Jahre. Anwender müssen sich überlegen, ob und wie sie Forms weitermachen.
Forms ist tief in den Oracle-Datenbanken eingebettet. Bevor man über eine Migration nachdenkt, gilt es erst einmal die entsprechenden Systeme bis in alle Ecken auszuleuchten.
Forms ist tief in den Oracle-Datenbanken eingebettet. Bevor man über eine Migration nachdenkt, gilt es erst einmal die entsprechenden Systeme bis in alle Ecken auszuleuchten.
Foto: Tee11 - shutterstock.com

Oracle Forms, oder schlicht Forms, war und ist seit vielen Jahren das Arbeitspferd von Oracle. Unzählige Anwendungen wurden und werden mit dieser Entwicklungsplattform entwickelt und vor allem betrieben. Weltweit gibt es abertausende von Forms-Anwendungen. Nicht selten handelt es sich dabei um Kernsysteme, die das Rückgrat der Firmen darstellen und in die hunderte von Personenjahren Entwicklungszeit geflossen sind.

Und hier beginnt das Dilemma vieler IT-Verantwortlicher: Oracle Forms ist eine mächtige Entwicklungsplattform und treibt unzählige Systeme an. Die Plattform arbeitet stabil und bietet Nutzerinnen und Nutzern ein verlässliches Software-Paket, mit dem sie Anwendungen bauen und betreiben können. Doch Forms ist nicht mehr das coole Produkt, das es einmal war. Auch wenn Oracle, nach jahrelangem Zögern und erst nach viel Druck von der Anwenderseite - auch durch die Deutsche Oracle User Group (DOAG) - eine neue Forms-Version (Release 14) angekündigt hat, scheint die Plattform ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein.

Forms fehlt der Entwickler-Nachwuchs

Dieses kommende Release ist wichtig und entlastet viele Anwender. Ursprünglich wollten die Oracle-Verantwortlichen den Forms-Support im Dezember 2026 beenden. Für viele Kunden eine Horrorvorstellung, nach Dezember 2026 für ihre Forms-basierten Systeme nur noch rudimentären Support zu bekommen. Mit Oracle Forms 14 ergeben sich für die eine oder andere Firma zwar wieder neue Spielräume. Einen Schmerz kann diese Verlängerung jedoch auch nicht lindern. Die Verfügbarkeit von Forms-Experten ist seit Jahren rückläufig und eine Umkehr dieses Trends nicht in Sicht. Junge Informatiker und Informatikerinnen lernen Forms weder an der Uni noch sind sie besonders interessiert an einer Technologie, die ihre beste Zeit hinter sich zu haben scheint.

Nicht eben beruhigend für die Verantwortlichen in den Anwenderunternehmen, denn ohne kompetente Forms-Entwickler sind die Anwendungen nur mit viel Mühe an die sich ständig veränderten Vorgaben im Betriebsablauf oder an geänderte gesetzlich Bedingungen anzupassen.

Unabhängig von Oracle Forms sind IT-Systeme, die mehr als ein Dutzend Jahre auf dem Buckel haben, automatisch Kandidaten für eine kritische Überprüfung. Wie sagte doch die Petra Finke, verantwortlich für die Digitalisierung bei DEKRA, kürzlich in einem Interview: "Alle Unternehmen stehen vor der Aufgabe, über Jahrzehnte hinweg gewachsene Systeme und Prozesse zu durchleuchten und zu vereinheitlichen, um flexibler zu werden. Dazu muss man viele Schritte gehen, sie ständig überprüfen und immer wieder neu ausrichten."

Forms-Migration: Gewachsene Systeme durchleuchten und analysieren

Diese Forderung nach einer Durchleuchtung der Anwendungen mit ihren vielgestaltigen Prozessen, einer Analyse der Datenstrukturen sowie der Abhängigkeiten und Schnittstellen, lässt sich eins zu eins auf Forms-Umgebungen übertragen. Es ist ein absolutes Muss, erst einmal zu verstehen, was in diesen oft weitverzweigten Software-Gebilden alles geschieht.

Ein Unterfangen, das alles andere als trivial ist. Und doch ist diese Analyse, "diese Durchleuchtung, die Durchdringung einer Forms-Umgebung die Grundvoraussetzung für spätere Schlussfolgerungen und Entscheidungen, was in Zukunft gemacht werden und wie ein eventuell modernisiertes oder völlig neues System aussehen soll", meint Andreas Gaede, CEO der PITSS GmbH aus Stuttgart, die sich schon seit vielen Jahren der Analyse von Forms-Applikationen sowie deren Veredelung und Modernisierung verschrieben hat.

Um es vorwegzunehmen, eine fundierte Analyse ist ohne software-technische Unterstützung bei den meisten Systemen kaum leistbar. Schon kleinere und mittelgroße Forms-Systeme bringen unzählige SQL-Befehle, PL/SQL-Pakete und Funktionen mit, und setzen sich aus einer Vielzahl von Tabellen, Views und sonstigen Datenstrukturen zusammen. Ganz zu schweigen von den Kernsystemen großer Firmen. Hier verliert man angesichts der schieren Anzahl von Objekten und Abhängigkeiten schnell den Durchblick. Über Jahre von unterschiedlichen Teams erstellt, immer wieder erweitert und verändert, vielfach ohne ausreichende Dokumentation. Ein Durchleuchten 'von Hand' ist an dieser Stelle keine gute Idee.

Automatisierung hilft bei der Analyse

Doch mit software-technischer Unterstützung lassen sich die entsprechenden Systeme durchaus modernisieren. Die Leitidee dahinter orientiert sich an einer weitgehend automatisierten Analyse.

  • Eine Forms-Anwendung (.fmb-File) wird durch einen intelligenten Parser in seine Bestandteile zerlegt und in eine eigenen Datenstruktur innerhalb der Oracle-Datenbank abgelegt. Auf dieser Basis lassen sich eine Vielzahl von Auswertungen durchführen und Zusammenhänge darstellen. Während dieser Analysen laufen alle Systeme weiter. Es gibt in dieser Phase keinerlei Unterbrechung.

  • Das Ergebnis bietet Anwenderinnen und Anwendern eine völlig neue Sicht auf die gesamte Anwendung, die Prozesse, die Zusammenhänge und die dazugehörigen Datenstrukturen. Eine immer wieder erstaunliche Erkenntnis ist, dass ein nicht unerheblicher Teil des Codes gar nicht (mehr) benutzt wird. In der Konsequenz sollten die Firmen also über eine Verschlankung vor der Migration nachdenken. Denn was nicht mehr da ist, braucht auch nicht migriert zu werden und was nicht mehr migriert werden muss, verursacht auch keine Kosten. Frei nach dem Motto: "Ist das Code oder kann das weg?"

  • Nach dieser Zerlegung und nach der Entschlackung sowie Optimierung der Forms-Anwendung können unterschiedliche nächste Schritte folgen. So könnte diese runderneuerte Forms-Anwendung, als neue Produktionsversion aus der Analyse-Datenstruktur wieder als .fmb-File zurückgeneriert und vom Forms-Laufzeitsystem ausgeführt sowie weiter betrieben werden. Auch als Basis für ein Upgrade auf ein neues Forms-Release könnte die neue, schlanke und optimierte Forms-App dienen. In diesem Fall würde die Entscheidung lauten: Wir bleiben grundsätzlich weiter bei unserer Oracle Forms Umgebung, die jedoch in einigen Teilen aufgehübscht, stabilisiert und renoviert wurde.

Der Weg, der aktuell für viele Forms-Kunden am attraktivsten erscheinen dürfte, ist die Migration hin zu Oracle APEX, einer sogenannten Low-Code Entwicklungsplattformen. APEX führt viele Grundideen von Forms weiter, ergänzt die Plattform jedoch auch mit zusätzlichen neuen Instrumenten. APEX kombiniert alle Aspekte, die eine Oracle-Datenbank ausmachen: Sicherheit, Performance, SQL, PL/SQL usw. mit Technologien wie HTML, Javascript, CSS, JSON, Plug-Ins und seit neuestem auch KI.

APEX-Apps laufen auf verschiedensten Endgeräten

Einmal entwickelt, ist die Anwendung auf allen Geräten verfügbar, auf denen ein Browser läuft. Die PWA-Technologie (Progressive Web App) macht APEX-Apps auch auf Smartphones, PADs oder Desktops installierbar. Sie verhalten sich wie native APPs, die exklusiv für die entsprechenden Systeme entwickelt wurden. Das alles funktioniert ohne einen App-Store. Die User sind immer mit der neuesten APEX-App-Version unterwegs. Damit ist ein gerader Weg von Forms zu APEX quasi vorgezeichnet.

Neben den technologischen Vorteilen adressiert APEX auch zwei weitere wichtige Punkte:

  • Als erstes ist die große Akzeptanz bei den Entwicklern zu nennen. Die APEX-Entwickler-Community ist groß und sehr aktiv. APEX ist kein Nischenprodukt, es ist am Markt und bei den Entwicklern breit akzeptiert und, ebenfalls wichtig, es ist für Enterprise-Grade-Anwendungen geeignet.

  • Der zweite Punkt bezieht sich auf die Kosten für APEX. Jeder Forms-Kunde ist auch Oracle-Datenbank Kunde und jeder Datenbank-Kunde hat APEX bereits mit seiner Datenbank-Lizenz erworben. Es sind also keine zusätzlichen Lizenzen nötig. Es gibt keine Beschränkung bei der Anzahl von Entwicklern, die APEX-Applikationen entwickeln, und es gibt keinerlei Beschränkungen für die Anzahl der Nutzer, die eine APEX-App verwenden. Über die dahinter liegende Datenbank-Lizenz ist alles vollständig abgedeckt.

Entscheiden sich die Anwenderunternehmen für eine Migration hin zu APEX, kann auf Grundlage von Analysedaten ehemaliger Forms-Anwendungen automatisch eine Vielzahl von APEX-Artifakten generiert werden. Quasi auf Knopfdruck lässt sich so eine Forms-Anwendung zu 60 bis 75 Prozent automatisch nach APEX überführen. Für die Teile der Forms-Anwendung, die eine manuelle Bearbeitung nötig machen, liefert das Migrations-Tool detaillierte Vorgaben und Dokumentationen mit allen erforderlichen Objekten, Abhängigkeiten und Abläufen. Diese Informationen aus der Analyse-Phase beschleunigen die notwendigen Entwicklungsarbeiten und verbessern die Qualität der Migrationsergebnisse.

Fazit: Forms-Migration braucht guten Plan und stringentes Vorgehen

Migrations-Projekte sind keine leichte Kost und die Entscheidung, ein bestehendes, funktionierendes System abzulösen, ist immer gut abzuwägen. Doch ein Beharren auf bestehenden Systemen ist in der heutigen, sehr dynamischen Zeit oft auch keine tragfähige Option.

Die gute Nachricht: Auch große Forms-Anwendungen lassen sich schnell und termingerecht nach APEX migrieren, wenn nach einem stringenten Vorgehensmodell vorgegangen wird, entsprechende Software-Hilfsmittel für die Analyse und Generierung zur Verfügung stehen und die Projekte durch APEX-Entwickler flankiert werden. (ba)

Forms-Historie

Die Geschichte der Entwicklungsplattform Forms reicht zurück in das Jahr 1979. Die Oracle Datenbank Version 2 war eben am entstehen als Oracle-Gründer Larry Ellison einen jungen Entwickler beauftragte, ein System zu entwickeln, mit dem man schnell und einfach Daten in die Datenbank einfügen und Daten suchen können sollte. Bill Friend, der die Aufgabe mit einem sogenannten "Prompting"-System löste, wurde so zum Erfinder von Oracle Forms.

Sein damaliges System stellte Fragen, und die Antworten des Entwicklers wurden zu einem 'Programm' zusammengebaut, das von einem Laufzeitsystem abgearbeitet wurde. Der Interactive Application Generator (IAG) und der Interactive Application Processor (IAP), die unter dem Produktname IAF (Interactive Application Facility) zusammengefasst wurden, waren geboren.

Ein System mit für die damalige Zeit erstaunlichen Fähigkeiten. Nicht wenige meinen, dass dieser Geniestreich ein wichtiger Baustein für den Erfolg der Oracle Datenbank war - gerade während der harten Auseinandersetzungen mit den Konkurrenten Ingres, DB2, Informix und Sybase in den 80er und 90er Jahren. Mit keinem anderen System war man so schnell bei der Einführung von Applikationen. Die Oracle Datenbank und Oracle Forms bildeten ein kongeniales und höchst erfolgreiches Team. Nach mehreren Namensänderungen und vielen Entwicklungsschritten wurde es schließlich zu Oracle Forms in der heutigen Ausprägung, das aktuell als Release 12.2 zur Verfügung steht.