Microgrid in Brooklyn

Nie mehr Strompreisvergleich dank Blockchain

03.05.2017
Von  und
Lucas Mearian ist Senior Reporter bei der Schwesterpublikation Computerworld  und schreibt unter anderem über Themen rund um  Windows, Future of Work, Apple und Gesundheits-IT.


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
Eine Blockchain-Plattform und ein Microgrid von Siemens machen eine Community im Herzen New Yorks unabhängig von den Energieriesen. Das hat für die Nutzer zahlreiche Vorteile.

Es ist eines der meistgenannten Beispiele, wenn es um die Einsatzmöglichkeiten der Blockchain in der Praxis geht: das "Brooklyn Microgrid" in New York. Dieses versorgt die Anwohner mit (erneuerbarer) Energie. Die Nutzer können aber auch Solarenergie-Überschüsse an ihre Nachbarn verkaufen, Dabei stehen alle Beteiligten auf der sicheren Seite - der Blockchain sei Dank.

Lawrence Orsini, Gründer and CEO des Startups LO3 Energy, auf dem Dach eines Hauses in Brooklyn, das an das Microgrid angeschlossen ist.
Lawrence Orsini, Gründer and CEO des Startups LO3 Energy, auf dem Dach eines Hauses in Brooklyn, das an das Microgrid angeschlossen ist.
Foto: LO3 / Siemens

Microgrid meets Blockchain

Ein Microgrid bezeichnet eine Form der dezentralisierten Energiegewinnung, die völlig unabhängig vom klassischen, zentralisierten Energieversorgungsnetz operiert. Kommunen, Städte oder Unternehmen können so ihre eigenen Energiequellen und -speichersysteme entwickeln, die gewonnene Energie selbst verkaufen oder auch ins (klassische) Netz einspeisen.

Das Microgrid in Brooklyn, für dessen Installation die Siemens Digital Grid Division verantwortlich zeichnet, beinhaltet Network-Control-Systeme, Konverter, Smart Meter sowie Storage in Form von Lithium-Ionen-Akkus. Dank letztgenannter Batterietechnik werden die Nutzer des Microgrid auch im Fall eines großangelegten Stromausfalls - wie etwa im Jahr 2012 nach Hurricane Sandy - weiterhin mit Energie versorgt.

Ergänzt wird das Projekt von einer Blockchain-Datenbank, die vom Startup LO3 Energy realisiert wurde. Dabei handelt es sich um ein webbasiertes Buchhaltungssystem, das Kryptografie nutzt, um einerseits günstige Strompreise und andererseits Manipulationssicherheit zu gewährleisten. Abrechnung und Bezahlung erfolgen ohne zwischengeschalteten Versorger direkt zwischen Erzeuger und Empfänger. In diesem Szenario ist die Vermittlung über Stadtwerke, Energieversorger oder Strompreisvergleichs-Portale überflüssig.

Die Verwundbarkeit der Stromanbieter

"Mittelsmänner sind zentralisiert und das macht sie verwundbar", so Alex Tapscott, CEO und Gründer von Northwest Passage Ventures. "Sie sind teuer, sie sind langsam und sie erfassen während der Transaktionen Daten über die Nutzer, was in punkto Datenschutz unter Umständen problematisch sein könnte."

Nach der Meinung des Experten wird die Blockchain-Technologie die Herausbildung einer "zweiten Internet-Generation" zur Folge haben. Hier werden dann nicht nur E-Mails, Dokumente oder Webseiten gehandelt und geteilt, sondern alles, was potenziellen Wert besitzt. Das hängt in erster Linie mit dem Sicherheitsniveau der Technologie zusammen, wie Tapscott erklärt: "Diese neue Art der Plattform wird einen bemerkenswerten Einfluss auf sämtliche Branchen, Industriezweige und Institutionen haben. Aber auch auf die Wirtschaft und Gesellschaft im Allgemeinen. Schließlich können Geld, Aktien, Urkunden, Dokumente oder auch geistiges Eigentum so auf sichere und fälschungssichere Art und Weise bewegt, gespeichert und gemanagt werden. Vertrauen wird in diesem Fall nicht mehr durch einen Mittelsmann erzeugt, sondern durch massenhafte Kollaboration, Kryptografie und clevere Algorithmen."

Im Fall der Blockchain-Plattform von LO3 Energy - dem "TransActive Grid" - wird jede Microgrid-Transaktion mit einem Timestamp versehen und ist so dokumentiert und jederzeit nachvollziehbar.

Strompreis per Auktion

Inzwischen nutzen circa 50 Parteien das "Brooklyn Microgrid" - darunter neben Privatpersonen auch eine Schule, eine Tankstelle, eine Feuerwehrwache und einige Fabrikanlagen. Alle teilnehmenden Parteien können untereinander kleine Mengen grüner Energie handeln. Die Preise werden dabei in automatisierten Auktionen festgelegt. Diese richten sich nach dem höchsten Arbeitspreis, den ein Energiekonsument zu zahlen bereit ist.

Energie bezieht das Microgrid in Brooklyn aber nicht nur aus dachseitig montierten Solarpaneelen, sondern auch vom nächstgelegenen konventionellen Kraftwerk. Nutzer ohne eigene Photovoltaikanlage können so "Credits" für die saubere Sonnenenergie, die die Nachbarn produzieren, erhalten.

Die Zielsetzung für das Microgrid-Blockchain-Projekt in Brooklyn: bis zum Jahr 2018 sollen 1000 Nutzer am System partizipieren. Außerdem soll sowohl in Sachen Batterie-Storage, als auch bei den Solarpanels nachgerüstet werden. In einigen Jahren könnte das weltweite Motto also durchaus lauten: Nie mehr Strompreisvergleich!

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation computerworld.com. Mehr zum Thema Blockchain erfahren Sie in unserem kostenlosen Insider-PDF.