Kennen Sie das? Sie bewerben sich auf ein Stellenangebot nach dem anderen und bekommen meist nicht mal eine Antwort. Und wenn doch, dann ist es eine Absage. Der Grund liegt womöglich darin, dass Ihr Profil nicht dem gängigen Bewerberideal entspricht - und dann geht Ihre Bewerbung am Arbeitsmarkt vorbei.
Genau so ging es Dr. Fritz Stoebe, als er im Alter von 54 Jahren seinen Job als Geschäftsführer verlor. Er gab jedoch nicht auf, sondern suchte einen Weg, um auch anderen Betroffenen zu helfen. Aus seiner Zusammenarbeit mit Wolfgang Mewes entstand ein methodisch fundiertes Konzept zur beruflichen Neuorientierung. Kernstück dieser Strategie ist der Zielgruppenbrief.
Vielleicht kennen Sie die Begriffe "Initiativbewerbung" oder "Blindbewerbung". Der Zielgruppenbrief ist weit mehr als das. Mit ihm feuern Sie nicht blindlings Bewerbungen ab, sondern Sie erschließen systematisch Ihren persönlichen Arbeitsmarkt. Folgende zehn Schritte sind dazu nötig:
1. Berufsziel definieren
Viele Bewerber machen den Fehler, ihr Know-how so unspezifisch zu präsentieren, dass der Empfänger nicht weiß, für welche konkrete Aufgabe er diesen Kandidaten einsetzen könnte. Was Sie aber brauchen, ist eine klare Definition der angestrebten Berufsaufgabe und der damit verbundenen Tätigkeiten sowie das Wissen, welche Kenntnisse und (möglichst praxiserprobte) Fähigkeiten Sie für genau diese Aufgabe mitbringen.
2. Zielfirmen finden
Als nächstes müssen Sie überlegen, in welchen Firmen die von Ihnen angestrebte Position eine wichtige Rolle spielt - und natürlich, in welchen dieser Unternehmen Sie arbeiten möchten. Sie finden Ihre Zielfirmen etwa mit Hilfe von Firmenverzeichnissen und Branchenbüchern, Messekatalogen, Stellenbörsen (Print und online) oder beruflichen Netzwerken wie Xing und Linkedin
3. Richtigen Adressaten identifizieren
Dass Initiativbewerbungen an die Personalabteilung häufig ins Leere laufen, haben Sie vielleicht schon bemerkt. Der Grund liegt darin, dass die Personalabteilung erst dann tätig wird, wenn ihr eine konkrete Anforderung aus dem Fachbereich vorliegt. Richten Sie Ihre Bewerbung deshalb lieber an den Fachvorgesetzten, der in der Regel viel besser beurteilen kann, ob Sie ein Wunschkandidat für ihn wären - selbst wenn er zurzeit keine Stelle zu besetzen hat. Bei der Identifikation des richtigen Ansprechpartners können Sie ebenfalls die oben genannten Hilfsmittel benutzen.
4. Bedarf der Zielgruppe erforschen
Schreiben Sie Ihre Bewerbung nicht einfach ins Blaue hinein, sondern informieren Sie sich, was in Ihren Zielfirmen los ist, wo die Probleme liegen und welche Art von Mitarbeitern mit welchem Know-how gesucht wird. Damit Sie die Anforderungen möglichst vieler Firmen abdecken, sollten Sie etwa 20 einschlägige Stellenangebote exemplarisch auf die relevanten Schlüsselwörter hin untersuchen. Diese Schlüsselwörter müssen dann natürlich in Ihrem Zielgruppenbrief und ebenso in Ihren Bewerbungsunterlagen an prominenter Stelle auftauchen.
5. Pfiffige Überschrift texten
Eine Überschrift wie "Bewerbung als …" bringt Personalverantwortliche normalerweise zum Gähnen - es sei denn, Sie sind Spezialist für eine ausgefallene, aber momentan sehr gefragte Software. Für alle anderen gilt: Ihre Überschrift sollte Ihren Nutzen für den Arbeitgeber darstellen und ein echter Blickfang sein. Hier ein Beispiel: Strategische IT-Projekte im In- und Ausland steuern - IT-Projektleiter, Diplom-Informatiker, 35 J., bietet 10 Jahre Erfahrung bei einem international tätigen Konzern
6. Zielgruppenbrief schreiben
Kernstück Ihres Zielgruppenbriefs ist eine übersichtliche Auflistung derjenigen Kenntnisse und Erfahrungen, die Sie für die angestrebte Aufgabe qualifizieren. Damit untermauern Sie Ihre in der Überschrift getroffenen Aussagen. Bieten Sie zum Schluss ein unverbindliches Kennenlern-Gespräch an - damit verringern Sie die Hemmschwelle für jemanden, der Sie gern einmal treffen würde, obwohl er zurzeit gar keine Stelle zu besetzen hat.
7. Zielgruppenbrief versenden
Welche Anlagen Sie beifügen, entscheiden Sie selbst. Bei IT-Berufen empfiehlt sich stets ein Know-how-Profil, in dem Sie Ihre IT-Kenntnisse und Erfahrungen detailliert beschreiben. Vielleicht fügen Sie bei den 20 Top-Arbeitgebern auf Ihrer Ziel-Liste außerdem noch Ihre komplette Bewerbungsmappe bei. Bei kleinen und mittleren Unternehmen ist es ratsam, Ihre Zielgruppenbriefe per Post zu versenden.
Die E-Mail eines unbekannten Absenders ist innerhalb von Sekunden weggeklickt, eine ansprechend aussehende Papiersendung liest der Empfänger eher, wenn er Zeit hat. Wählen Sie den Absendetermin außerhalb der Schulferien, mit ausreichendem Abstand von Feier- oder Brückentagen und keinesfalls in der Advents- oder Weihnachtszeit. Versenden Sie idealerweise 100 Zielgruppenbriefe, aber niemals weniger als 50 Briefe auf einmal.
- Haarsträubende Bewerbungsfehler
IT- und Software-Spezialisten sind gefragt. Aber trotz der guten Berufsaussichten heißt es auch für diese Klientel, haarsträubende Bewerbungsfehler zu vermeiden. - Öffentliche Jobsuche
Wer als IT-Spezialist in seinem Xing- oder LinkedIn-Profilen angibt, dass er auf Stellensuche ist, wird mit Stellenangeboten zugeschüttet, wovon die wenigsten auf sein Profil passen. Daher ist es ratsam, sich auf Plattformen oder Reverse-Recruiting-Portalen anzumelden, die auf einzelne Branchen spezialisiert sind. - Technologie-Geprotze
Die Lebensläufe von IT-Bewerbern strotzen oft von Namen und Abkürzungen sämtlicher jemals benutzten Programmiersprachen und Technologien. Weniger ist aber mehr. Von Vorteil ist es, nur für die Stelle relevanten Kenntnisse in den Vordergrund zu stellen. - Print-Bewerbung
Nur ein Viertel der Personalverantwortlichen ist noch gewillt, ausgedruckte und per Post geschickte Bewerbungen anzunehmen. Speziell für IT- oder Softwareexperten gilt entsprechend: Bewerbungen in Papierform werden meist aussortiert. - Zu wenig Fakten
Der Lebenslauf sollte übersichtlich und aussagekräftig sein. Nur die vorherigen Arbeitgeber und Stellenbezeichnungen zu nennen, reicht nicht aus. Drei bis fünf Stichpunkte unter jeder ausgeübten Tätigkeit, mit Angaben über Rolle, Aufgaben, Projekte und angewandte Technologien sind ein Muss. Der Recruiter kann sich so schnell einen guten Überblick verschaffen. - Massenbewerbung
Das offene Versenden der Bewerbung an mehrere Adressaten ist eine Todsünde. Betriebe reagieren in der Regel allergisch auf Massenbewerbungen per E-Mail. Mit anderen Worten: eine Bewerbung muss individuell an das Unternehmen und die offene Stelle angepasst sein. - Zu viele Einzeldokumente
E-Mail-Bewerbungen mit vielen unterschiedlichen Einzeldokumenten sowie zu großen Dateien lassen Personaler schnell an der Kompetenz des ITlers zweifeln. Alle Dokumente sollten kompakt in einer nicht zu großen PDF-Datei (nicht mehr als 3MB) versandt werden. - Keine Manieren
Der Bewerber sollte den normalen Grad an Persönlichkeit, Höflichkeit und Respekt zeigen, auch wenn er gerade als Technikexperte stark umworben wird. Die kommentarlose Versendung eines Links zum eigenen Social-Media-Profil auf Xing, LinkedIn, Github, Facebook, etc. ohne begleitende Worte ist keine passende und zielführende Kommunikation. - Bewerbungs-Homepage
Die Idee der Bewerbungs-Homepage ist grundsätzlich gut. Das Problem ist nur, dass die Schwerpunkte für den spezifischen Job und das Unternehmen, dem die Bewerbung gilt, nicht herausgehoben werden können. Ein sehr gutes Begleitschreiben kann das ausgleichen – sofern es gelesen wird. - Forderungen stellen
Es wird als No-Go angesehen, direkte Forderungen à la „Wenn-dann“ in der Bewerbung zu stellen. Die Formulierung von Wünschen und Vorstellungen in überschaubarem Maß ist dagegen meist unproblematisch. - Zu private Bewerbungsfotos
Die Anforderungen an das Bewerbungsfoto haben sich gerade in der IT-Branche stark gelockert. Authentizität und Sympathie stehen im Vordergrund. Auch Bilder aus der Freizeit können das gut transportieren. Zur Vorsicht ist aber geraten, wenn es zu Partybildern oder Aufnahmen vom unordentlichen Schreibtisch zu Hause kommt.
8. Gesamtbild abrunden
Denken Sie daran, dass Ihr Zielgruppenbrief allein erst die halbe Miete darstellt. Lebenslauf, Know-how-Profil und Arbeitszeugnisse müssen den Eindruck verstärken, den Sie mit Ihrem Zielgruppenbrief vermitteln. Dasselbe gilt für Ihre Profile in beruflichen Netzwerken wie Xing und Linkedin. Auch in Ihrem persönlichen Verhalten müssen Sie sich von Ihrer besten Seite zeigen - beispielsweise freundlich sein und rasch reagieren.
9. Resonanz auswerten und richtig reagieren
Ziehen Sie drei bis vier Wochen nach Absendung Ihrer Zielgruppenbriefe Bilanz und seien Sie dabei vollkommen ehrlich zu sich selbst. Eingangsbestätigungen und Zwischenbescheide zählen nicht als positive Antwort. Und wer sich jetzt noch nicht gemeldet hat, wird wohl kaum übermorgen mit dem passenden Arbeitsvertrag um die Ecke kommen. Wenn Sie nicht mindestens drei bis fünf Vorstellungstermine erhalten haben, sollten Sie telefonisch bei den Unternehmen nachfassen, von denen Sie noch keine Aussage erhalten haben.
10. Neuen Arbeitsvertrag unterschreiben
Im Durchschnitt reagieren bei 100 Zielgruppenbriefen etwa fünf bis zehn Firmen mit Interesse. Die resultierenden Vorstellungsgespräche münden in zwei bis drei Vertragsangebote, so dass Sie vergleichen können, bevor Sie sich entscheiden. Da Sie im ersten Schritt ohnehin Firmen ausgewählt haben, die gut zu Ihnen passen, und da im zweiten Schritt die Firmen nur dann positiv auf Ihre Bewerbung reagieren, wenn sie das Gefühl haben, dass auch Sie als Mitarbeiter gut passen würden, wird unter den Vertragsangeboten sicher mindestens eines sein, das Sie mit Freude annehmen können.