Positive Aussagen in puncto Mitarbeiterzufriedenheit, Heimarbeit sowie Produktivität lassen sich in Zusammenhang mit dem Trendthema New Work durchaus mit renommierten Studien belegen. In dieser Argumentationskette gibt es allerdings ein großes "Aber". Aus Untersuchungen ist bekannt, dass die Zahl der Heimarbeiter tatsächlich zunimmt. Die größte Gruppe aber, die gerne im Home-Office arbeitet, sind nicht die Teamplayer, die engagiert ihre Aufgaben erledigen und zu Hause auch einmal ihre Ruhe vor aktionistischen Chefs haben, sondern die Führungskräfte selbst.
Das zeigen zum Beispiel die Zahlen einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Die Befragung besagt, dass rund 22 Prozent der Beschäftigten aus größeren Betrieben mindestens gelegentlich zu Hause arbeiteten. Das ist gar keine so spektakuläre Zahl, wenn man bedenkt, dass sie im Jahr 2013 auch schon bei 19 Prozent lag.
Besonders interessant ist dabei der Blick auf das Management. Denn nach wie vor nutzen Führungskräfte die Möglichkeit, nicht ins Büro fahren zu müssen, doppelt so häufig wie ihre Mitarbeiter. Ihr Anteil liegt bei rund einem Drittel - im Vergleich zu 2013 hat er sich damit kaum verändert.
Heimarbeit ist bei Arbeitnehmern eher unbeliebt
Analysiert man die Daten noch tiefgehender, zeigt sich, dass die große Mehrheit der Angestellten offenbar gar kein Interesse daran hat, ihrem Arbeitsverhältnis in den eigenen vier Wänden nachzugehen. Denn 63 Prozent der Beschäftigten, die auch das Home-Office nutzen, üben ihren Job nur stundenweise in ihren privaten Räumen aus. De facto lehnen rund zwei Drittel der Angestellten, die bislang noch keine Heimarbeiter sind, es grundsätzlich ab, woanders als im Büro zu arbeiten. Nur jeder neunte Beschäftigte äußerte einen unerfüllten Wunsch nach dem Home-Office.
- Rechte und Pflichten im Home-Office
Auch im Home-Office gilt das Arbeitsrecht. Welche Rechte und Pflichten Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben, erklärt Claudia Knuth, Fachanwältin für Arbeitsrecht im Hamburger Büro der Kanzlei Lutz Abel. - Der Arbeitgeber entscheidet
Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf einen mobilen oder häuslichen Arbeitsplatz. Letztlich entscheidet der Arbeitgeber, dem die Gestaltungsfreiheit der betrieblichen Organisation zusteht. - Rechtslage beachten
Wer Ausdrucke, Dateien oder weitergeleitete E-Mails mit nach Hause nimmt, riskiert arbeitsrechtliche Sanktionen, je nach Sensibilität der Informationen sogar bis hin zur Kündigung. Mitarbeiter sollten sich daher vorher mit dem Arbeitgeber genau abstimmen, ob und welche Firmenunterlagen sie mit nach Hause nehmen dürfen. - Voraussetzungen prüfen
Grundsätzlich muss die Tätigkeit des Mitarbeiters dafür überhaupt geeignet sein. Betriebliche Termine, Kundentermine und Besprechungen sollten Vorrang haben. Wenn die Mobilarbeit ohne Störung in die betrieblichen Abläufe eingefügt werden kann, sollte außerdem die gleiche Effizienz der Arbeitsleistung wie bei Präsenzarbeit sichergestellt werden. - Arbeitszeiterfassung klären
Anstatt zum Arbeitsbeginn und -ende ein- und auszustempeln, sollte im Home-Office notiert werden, wie lange der Arbeitnehmer am Tag in der Woche gearbeitet hat. Voraussetzung dafür ist eine vertrauens- und ergebnisorientierte Arbeitskultur, da die Zeiterfassung schwerer kontrolliert werden kann. Das Arbeitszeitgesetz gilt auch außerhalb des Büros: Die Höchstarbeitszeit pro Tag (maximal zehn Stunden), die Ruhezeiten (mindestens elf Stunden) sowie das Sonn- und Feiertagsverbot müssen eingehalten werden. - Datenschutz sicherstellen
Der Arbeitgeber muss die nötigen Schutzvorkehrungen treffen. Zum Beispiel kann über die Nutzung von VPN-Verbindungen ein sicherer Datentransfer garantiert werden. Wichtig ist, dass nur vom Arbeitgeber freigegebene Software und Dateien verwendet werden. Der Mitarbeiter muss sicherstellen, dass außer ihm niemand, auch keine Familienangehörigen, Zugang zu den verwendeten mobilen Endgeräten erhält. Außerdem dürfen Passwörter nicht an Dritte weitergegeben werden oder fahrlässig leicht zugänglich aufbewahrt werden. - Mitspracherechte des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat bei der Entscheidung für oder gegen mobiles Arbeiten kein Mitspracherecht. Bei manchen Änderungen allerdings schon, zum Beispiel bei Änderung der Arbeitszeiten, der Nutzung von noch nicht mitbestimmten technischen Einrichtungen, der Verhütung von Arbeitsunfällen oder bei Versetzungen. Durch den neu eingeführten Paragrafen 87, Absatz 1, Nummer 14 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) wurden die Mitbestimmungsrechte ergänzt, sodass der Betriebsrart auch in den Planungsprozess einbezogen werden sollte. - Kostenübernahme
Wenn der Arbeitgeber Home-Office gewährt, muss er auch die erforderlichen Kosten übernehmen. Das schließt die Büroausstattung, die technische Ausstattung und die Telekommunikationskosten mit ein. Entweder wird der Arbeitnehmer mit allem Notwendigen ausgestattet oder er nutzt seine eigenen Endgeräte ("Bring your own Devices"). Für welche Variante oder Mischkonstellation man sich auch entscheidet, eine vertragliche Grundlage ist unverzichtbar.
Diese Zahlen dürften so manchen Verfechter der New Work desillusionieren; belegen sie doch, dass sich viele Angestellte von den neuen Arbeitsmethoden gestresst oder gar überfordert fühlen. Das fängt bereits bei agilen Methoden an, die viele Berufstätige zwingen, ihre festgefahrenen Job-Routinen zu durchbrechen und die eigene Komfortzone zu verlassen. Das ist anstrengend und erfordert einiges an mentaler Kraft.
Gerade deshalb kann es nicht funktionieren, wenn die Politik auf einmal bestimmte Home-Office-Verordnungen durchdrückt oder Unternehmen eigene Regeln gegen den Willen der Angestellten einführen. Die Veränderungen fangen in den Köpfen und nicht in den Büros an. Dass dies Managern leichter fällt, ist weniger verwunderlich. Natürlich kann es auch sein, dass sie deshalb zu Hause arbeiten, weil sie sich dort besser konzentrieren und komplexe Aufgaben ruhiger erledigen können.
Nicht jeder kann im Home-Office arbeiten
Die Erfahrung lehrt, dass es unmöglich ist, an den Bedürfnissen der Menschen vorbei neue Arbeitsmodelle einzuführen. Es bedarf stets eines Abwägens. Nehmen wir eine Bank. Durch die Schließung vieler Filialen haben einige Mitarbeiter auf einmal sehr lange Fahrwege. Das lange Pendeln bedeutet für sie zusätzlichen Stress und belastet zudem die Umwelt. Da ist es nur effektiv, auf smarte Home-Office-Lösungen zu setzten. Allerdings stellt sich die Frage: Wie geht ein Finanzhaus jetzt damit um, dass der Angestellte natürlich auch bestimmte Kundendaten mit nach Hause nimmt? Sind diese dort genauso sicher?
Ebenfalls ein wichtiger Aspekt in der Frage nach den Bedürfnissen der Menschen ist die Tatsache, dass viele kein Home-Office wollen, weil es ihnen wichtig ist, eben nicht 24 Stunden im Job zu sein, sondern eine klare Work-Life-Trennung zu genießen. Eine solche fällt natürlich weit schwerer, wenn Arbeiten und Leben in denselben Räumen stattfindet.
Gleichzeitig müssen Unternehmen heutzutage dafür sorgen, dass sie nicht nur eine produktive, sondern auch eine attraktive Firma sind. Zu Letzteren gehören selbstverständlich auch moderne und flexible New-Work-Modelle.
Bleibt die Collaboration auf der Strecke?
IBM gilt als einer der Pioniere des mobilen Arbeitens. Jeder fünfte Beschäftigte des IT-Riesen in den USA erledigt bereits seine Aufgaben zu Hause. Doch Anfang vergangenen Jahres stoppte das Management das Projekt und berief rund 5000 Mitarbeiter zurück an die Firmenschreibtische. Der Grund: "So wollen wir sie dazu bringen, schnell ihre Ideen miteinander zu teilen, voneinander zu lernen, Hürden für den Fortschritt abzubauen und die echte Befriedigung zu erleben, die effektive Zusammenarbeit mit sich bringt", erklärte der verantwortliche Personalvorstand.
Tatsächlich führt das Arbeiten zu Hause zu einer Art von Vereinsamung. Jegliche positiven, gruppendynamischen Prozesse fallen weg. Zudem leiden möglicherweise Kreativität und die Verbundenheit mit dem Arbeitgeber. Gerade deshalb ist es so wichtig, den Wechsel von Old zu New Work mit einem Wandel der gesamten Firmenkultur zu orchestrieren und keine Plattitüden herunterzubeten, sondern eine zum Geschäftsmodell passende Strategie zu entwickeln, die Unternehmer- und Mitarbeiterinteressen im Wandel mitnimmt. Wenn der Kopf nicht bereit für Veränderung ist, spielt es keine Rolle, ob der Körper arbeitend auf der eigenen Couch oder an seinem Schreibtisch im Großraumbüro sitzt.