In der beruflichen Weiterbildung steckt viel "digitales” Potenzial. Oftmals findet es aber noch in klassischer Form statt: Ein Buch wird bestellt, in dem der Mitarbeiter eventuell von Zeit zu Zeit herumblättert, oder es werden Kurse gebucht, die von dem Mitarbeiter Präsenzpflicht abverlangen. Der Klassiker sind Tagungen und mehrtägige Kurse. Für den Arbeitnehmer bedeutet diese Lernform die Abwesenheit vom Arbeitsplatz und somit mehr Arbeit, wenn er zurückkommt. Unabhängig davon sind viele Mitarbeiter gewohnt, per Hangout oder Skype zu kommunizieren und Sitzungen mit pyhsischer Präsenz finden immer weniger statt. Für den Arbeitgeber kommen neben den Kosten für die Kurse auch noch die Reisekosten hinzu. Das sich diese “veraltete” Form der Weiterbildung noch immer hält, hat natürlich einen Grund: Sie ist bewährt und funktioniert auch. Aber sind das die Methoden, die Mitarbeiter verlangen und die sich in ihr sonst so digitales Leben einfügen? Im Spirit der Digitalisierung und in Zeiten von New Work, also der neuen beruflichen Flexibilität, kommt der Gedanke auf: Geht das nicht agiler?
Eine Lern-App reicht nicht
Warum lernen die Eltern am Abend mit Stift und Papier, während das Kind auf dem Tablet die Hausaufgaben erledigt? Der Mittelpunkt im Arbeitsalltag ist seit geraumer Zeit das digitale Endgerät. Die Weiterbildung sollte sich diesem Umstand anpassen. Und natürlich sind einige Unternehmen auf diesen Zug aufgesprungen und bieten eine Vielzahl an Software und Apps an, die digitales Lernen ermöglichen. Sprachen, Selbstmanagement und Fachwissen lassen sich erlernen und vertiefen. Für Unternehmen bedeutet dies zusätzlicher organisatorischern Aufwand: Es ist eben nicht damit getan, dass die Mitarbeiter sich eine App auf das Smartphone laden kann.
Wollen HR-Verantwortliche die Weiterbildung unternehmensweit umsetzen, gilt es, dieses Projekt ausgiebig zu planen. Zu Beginn sollte es Gespräche mit den Mitarbeitern geben: Welche Ziele verfolgen sie und was wünschen sie sich, zu verbessern? Auch der Arbeitgeber sollte überlegen: Durch welche Methode soll der Mitarbeiter geschult werden, um vorab definierte KPIs am besten zu erreichen und messen zu können? Sollen beispielsweise internationale Verkäufe mit einem verbesserten Sprachniveau angekurbelt werden? Soll effizienter mit Excel gearbeitet werden? Oder sollen die Mitarbeiter bessere Skills für das Selbstmanagement erarbeiten?
Gleichzeitig sollte neben den Zielen auch der aktuelle Kenntnisstand abgefragt werden. Haben die Mitarbeiter ein einheitliches Niveau oder sind sie auf unterschiedlichen Levels? Braucht eine Gruppe einen Einsteiger-, die andere vielleicht einen Fortgeschrittenenkurs? Denn wenn Mitarbeiter unterschiedlichen Levels gleiche Inhalte lernen sollen, führt dies schnell zu Frustration. Dies ist auch der Fall, wenn Lerninhalte nicht relevant sind, da sie entweder nicht dem Wissensstand des Mitarbeiters entsprechen oder es zu wenig Touchpoints mit seinen beruflichen Aufgaben gibt. Die angebotene Methode wird nicht angenommen und seltener genutzt – das Gesamtprojekt wird mit höherer Wahrscheinlichkeit scheitern.
Gamification-Ansatz nutzen
Bei der Auswahl der Methode, beispielsweise einer Sprachlernsoftware, sollte sich der Projektverantwortliche überlegen, was für Anforderungen an das Programm gestellt werden. Sollen die Mitarbeiter autark arbeiten? Also einen Lernplan abarbeiten, bei dem sie sich die Lektionen frei einteilen können? Ein flexibler Ansatz, der sich in die Philosophie von „New Work“ einreiht, kann nachweislich zu einer höheren Motivation führen. Sind die Mitarbeiter nicht an feste Zeiten gebunden, fühlen sie sich weniger eingezwängt. Wichtige Projekte müssen ebenfalls nicht darunter leiden.
Ein zusätzliches Plus ist, wenn die Weiterbildungslösung sogar per Videochat Tutoren und Lerner live miteinander verbinden kann. Denn nur, weil der Unterricht digital stattfindet, heißt es nicht zwingend, dass auf menschliche Interaktion im Unterricht verzichtet werden muss. Für erfolgreiches Lernen ist Zeit notwendig, um neue Fähigkeiten zu üben und zu testen. Technologie eröffnet den Lernern neue Optionen. In einzelnen Sessions kann sich der Tutor sogar mehr Zeit für den Mitarbeiter nehmen und keiner von beiden muss dafür eine Reise auf sich nehmen. Wenn die digitale Weiterbildungsmaßnahme dazu einen „Gamification“-Ansatz vorweist und Mitarbeiter spielerisch lernen, bleiben sie länger motiviert. Verantwortlich dafür ist der Einsatz von Spiele-Elementen, die nachweislich das Engagement des Lerners steigern.
Start zunächst nur mit einem Projekt
Vorbei sind die Zeiten, in denen ein Zettel herumgereicht wird, auf dem jeder Mitarbeiter kurz sein Feedback notiert. Reporting ist für andere Abteilungen längst Alltag – hier kann auch die Personalabteilung Schritte für mehr Effizienz einleiten. Ein besonderer Vorteil des digitalen Lernens ist das Festhalten und Nachverfolgen von Ergebnissen. Wenn gewünscht, lassen sich einzelne Meilensteine oder der Gesamtfortschritt eines Mitarbeiters – natürlich in Abstimmung mit dem Vorgesetzten und dem Mitarbeiter – nachvollziehen. So lässt sich die Motivation aufrecht erhalten, da alle Beteiligten das jeweilige Ziel kennen, und andererseits kann der Mitarbeiter unterstützt werden, falls die Eigenmotivation einmal etwas nachlässt. Auch Feedback kann in standardisierten Masken abgefragt werden.
Mit der Einführung des digitalen Lernens können Infrastrukturen und Prozesse für einen langen Zeitraum geschaffen werden. Für die berufliche Weiterbildung gilt ebenso wie für alle anderen Geschäftsprozesse: Digitale Lösungen lassen sich sehr einfach in den Arbeitsalltag integrieren. Trotz aller Einfachheit ist es empfehlenswert, mit einem einzelnen Projekt anzufangen, um sich Verbesserungsvorschläge und Feedback der Mitarbeiter abzuholen – Stichwort Partizipation. Die erhöhte Flexibilität sorgt dafür, dass sich das Lernen mit den alltäglichen, beruflichen Aufgaben in Einklang bringen lässt. Digitale Lösungen sind zudem einfacher zu individualisieren und stellen sicher, dass die Inhalte relevant für die Mitarbeiter sind.