Beleuchtet aus verschiedenen Perspektiven

Neuer Anlauf zur Vorratsdatenspeicherung

28.10.2015
Von    und
Christian Kuss ist Rechtsanwalt der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf IT- und Datenschutzrecht.
Simone Bach arbeitet als Rechtsanwältin in der Kanzlei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln. Ihre Themengebiete sind Technologie, Medien, Telekommunikation und Datenschutz.
Während das neue Gesetz auf Seiten der Berufsgeheimnisträger umstritten ist, kann es künftig den Ermittlungsbehörden ihre Arbeit erleichtern. Und ist das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung eigentlich zum Grundgesetz oder den europäischen Richtlinien konform?

Nach langem Ringen hat der Bundestag Mitte Oktober mit erstaunlich großer Mehrheit für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung gestimmt. Nach dem neuen Gesetz sollen künftig jedoch IP-Adressen von Computern und Verbindungsdaten zu Telefongesprächen 10 Wochen lang anlasslos von Telekommunikationsanbietern gespeichert werden können. Standortdaten bei Handy-Gesprächen sollen 4 Wochen lang gespeichert werden können.

Wie bei jedem neuen Gesetz, gibt es auch beim neuen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung Gegner und Befürworter.
Wie bei jedem neuen Gesetz, gibt es auch beim neuen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung Gegner und Befürworter.
Foto: fotogestoeber - shutterstock.com

Hintergrund der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ist die unveränderte Intention des Gesetzgebers, strafrechtliche Ermittlungen im Bereich der Bekämpfung von Terrorismus und sonstigen schweren Verbrechen zu erleichtern, indem auf die zunächst anlasslos gespeicherten Daten bei Bedarf zugegriffen werden kann.

Die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung führen zur Begründung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes neben der Erforderlichkeit der Vorratsdatenspeicherung aus Gründen der Strafverfolgung an, dass der Eingriff in die Privatsphäre verhältnismäßig gering sei, weil das Gesetz keine Speicherung der Kommunikationsinhalte selbst erlaube.

Kritiker des Gesetzes entgegnen, dass es insbesondere im Bereich der Berufsgeheimnisträger, wie Ärzten oder Anwälten, aufgrund der besonders geschützten Vertrauensbeziehung zum Patienten bzw. Mandaten, gar nicht zu einer Speicherung kommen dürfe. Eine entsprechende Ausnahme sehe das Gesetz indes nicht vor.
Zudem sei die vorgenannte Trennung zwischen Verbindungs- und Inhaltdaten nicht eindeutig. So sei bereits bekannt geworden, dass bei SMS-Nachrichten auch die Inhalte der Kurznachrichten bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert würden. Es sei den TK-Anbietern bislang schlicht nicht möglich, die Signalisierungsdaten, die für den Weg durch das Netz erforderlich sind, von den Inhalten zu trennen. Ein Filtersystem zur Trennung der Signale von den Inhalten existiere im Augenblick am Markt nicht und eine solche Trennung sei jedenfalls nicht branchenüblich, selbst wenn ein Filtersystem geschaffen werden könne.

Diesen Bedenken wird wiederum entgegen gehalten, dass Ermittlungsbehörden keinen Zugriff auf gegebenenfalls mitgespeicherte Kommunikationsinhalte hätten. Diesen sei nach dem Gesetz nur der Zugriff auf Verkehrsdaten erlaubt. TK-Anbieter würden sich zudem strafbar machen, wenn sie die Inhalte weitergäben. Die Gefahr, dass gespeicherte (Inhalts-) Daten verloren gehen, unberechtigten Dritten in die Hände fallen oder von den berechtigten Personen missbraucht werden, bleibt jedoch in jedem Fall bestehen.

Dass sich der Bundestag mit großer Mehrheit für ein derartiges Gesetz ausgesprochen hat, verwundert. Denn die Vorratsdatenspeicherung wird von Juristen wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Grundrechte als äußerst kritisch angesehen. So hatte das Verfassungsgericht 2010 ein früheres Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt.

Auch auf europäischer Ebene hat der Europäische Gerichtshof die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (RL 2006/24/EG) wegen Verstoßes gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union für ungültig erklärt. Die EU-Richtlinie bildete den Anlass für die das ursprüngliche deutsche Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung, welches vom Verfassungsgericht gekippt wurde.

Schließlich hat auch der Bundesgerichtshof die Anforderungen an eine anlasslose Speicherung weiter präzisiert: danach ist in Deutschland eine Vorratsdatenspeicherung für (nur) sieben Tage erlaubt. Nicht erstaunlich ist daher, dass bereits jetzt wieder Klagen gegen das neue Gesetz angekündigt wurden, denn es ist fraglich, ob das neue Gesetz vor dem Hintergrund des vom BVerfG und vom EuGH statuierten Verbots einer anlasslosen Speicherung Bestand haben kann. Das Ergebnis der bereits in Aussicht gestellten Klagen bleibt daher mit Spannung abzuwarten. (bw)