Die Zunahme der Rechenleistung, die Explosion der verfügbaren Datenquellen und die Senkung der Kosten für Software-Tools haben der Einführung neuer, innovativer Technologien zur Automatisierung von Geschäftsprozessen einen unglaublichen Schub verpasst. Seitdem Robotic Process Automation (RPA) die Automatisierungsbühne betreten hat, nimmt die Welle immer mehr Fahrt auf. War gestern noch RPA in aller Munde, geht es heute schon um Hyperautomation und KI-basierte Prozessautomatisierung. Zukunftsfähige Ansätze ermöglichen ein Verbinden der Prozesse in der Cloud mittels API-Automatisierung.
Vor allem Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) haben dabei das Potenzial, die Automatisierung von Geschäftsprozessen in Zukunft noch einmal auf ein ganz neues Niveau zu heben. Man muss nicht im Kaffeesatz lesen können, um vorherzusagen, dass der Einsatz dieser intelligenten Technologien unsere Arbeitswelt verändern wird.
Automation Jobs: Vielfältige Anforderungen
Gerade in modernen Unternehmen mit komplexen Prozesslandschaften ist eine der größten Herausforderungen im Bereich der Automatisierung die Auswahl der richtigen Prozesse. Der Entscheidung zur Prozessautomatisierung und der Priorisierung muss zwingend eine professionelle Prozessanalyse, am besten anhand eines Process-Mining-Tools, vorausgehen. Process Mining hilft dabei, Möglichkeiten für die Automatisierung auf Prozessebene nicht nur zu erkennen, sondern auch zu priorisieren. Die Entscheidung zur Automatisierung von Prozessen auf der Grundlage von Fakten und nicht von Intuition garantiert letztendlich deren Erfolg.
Die Professionalisierung der Skills im Unternehmen beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Identifizierung geeigneter Prozesse. Low Code Tools befeuern die Vorstellung, auf einfache Art und Weise Unternehmensprozesse automatisieren zu können. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Sicherlich ermöglichen diese Tools es auch weniger Programmierkundigen, einfach und schnell Softwareroboter zu bauen. Aber spätestens nach der Pilotphase, wenn es darum geht, die RPA-Bots unternehmensweit zu skalieren, sind qualifizierte Automation Developer für eine erfolgreiche Umsetzung des Skalierungs-Projekts gefragt.
Über den Status von Business Process Automation und Robotic Process Automation in deutschen Unternehmen diskutierten Fachleute von Software- und Beratungshäusern (v. l. n. r.): Dr. Thomas Baier (Lana Labs), Martin Bayer (COMPUTERWOCHE), Alexander Steiner (meta:proc), Uwe Sendrowski (Servicetrace), Dr. Thorsten Stahn (Lufthansa Industry Solutions), Olav Strand (Blue Prism), Björn Schwarz (Another Monday), Gabriela Galic (Deloitte) und Dr. Gero Decker (Signavio).- Gabriela Galic, Senior Consultant bei Deloitte
"Unternehmen investieren derzeit stark in Digitalisierungsprojekte. Daher sind die meisten Firmen bestrebt, ihre Abläufe zu optimieren. Dabei geht es ihnen nicht um die radikale Änderung von Prozessen, sondern vielmehr um deren Optimierung, die Schaffung von Transparenz und eine Harmonisierung der Systemlandschaften. Automatisierungspotenziale lassen sich mithilfe von Process Mining identifizieren und mit RPA umsetzen. Im Anschluss daran erlaubt wiederum Process Mining eine kontinuierliche Überwachung der eingesetzten Software-Roboter. Bei Ansätze bilden somit eine perfekte Symbiose." - Dr. Thomas Baier, Managing Director der Lana Labs GmbH in Berlin
„Robotic Process Automation kann in im Rahmen einer Prozessautomatisierung eine gute Lösung sein. Allerdings ist die Analyse der vorhandenen Daten essenziell, um das richtige Automatisierungswerkzeug zu bestimmen. Unsere Kunden setzen daher bei Transformationsvorhaben unsere Process-Mining-Technologie sowohl im Vorfeld als auch bei der Implementierung ein, um optimale Ergebnisse zu erreichen. Dabei ist es wichtig, den gesamten Prozess zu analysieren, also ,End-to-End‘, um die Auswirkungen von Automatisierung bewerten zu können und den größten Impact zu generieren.“ - Dr. Gero Decker, Geschäftsführer der Signavio GmbH in Berlin
„Ein Problem, das etliche Unternehmen sehen, ist die Integration von Prozessautomatisierung in den vorhandenen Fundus von Methoden und Tools. Häufig herrscht die Furcht, durch Automatisierung bestehende Prozesse ,kaputt zu machen‘. Hinzu kommt die Unsicherheit, wie sich RPA-Werkzeuge in großem Stil einsetzen lassen. Wir beobachten, dass aus diesen Gründen – und berechtigterweise – etliche Unternehmen einen Schritt zurückgehen und zunächst eine Prozessanalyse starten. Anschließend beginnen sie damit, Prozesse zu optimieren.“ - Alexander Steiner, Chief Solution Architect und Technology Evangelist bei meta:proc in Bonn
„Es gilt, gewissermaßen eine ,digitale‘ Workforce auf Basis von Software-Bots und Robotic Process Automation einzurichten, die zum Teil Hand in Hand, zum Teil parallel zu den Mitarbeitern agiert. Solche Bots nehmen den ,Kollegen‘ Routineaufgaben ab und können ihnen dabei helfen, mehr Zeit für andere wichtige Aufgaben zu reservieren. Nach unserer Einschätzung ist ein modularer Ansatz erforderlich, der das Design und die Verwaltung von automatisierten Teilprozessen sowie der entsprechenden Bots umfasst. Damit erreicht man beim Skalieren der Bot-Landschaft, dass diese Module auf Enterprise-Ebene wiederverwendbare Bestandteile von Ende-zu-Ende-Prozessen bilden können.“ - Uwe Sendrowski, Vice President Business Development und Partner Management bei der Servicetrace GmbH
“Robotic Process Automation ist kein IT-Thema. Es sind vielmehr die Business-Abteilungen, die den Einsatz von Prozessautomatisierung maßgeblich vorantreiben. Denn sie wollen eine Lösung für zeitraubende, langwierige Prozesstätigkeiten, für die Abteilungsmitarbeiter in der Regel deutlich überqualifiziert sind. Doch auch wenn das Business sich für ein RPA-Tool entscheidet, hat letztendlich die IT die technische Kontrolle über die Prozessautomatisierung. Denn die IT-Abteilungen müssen solche Lösungen betreiben. Daher sollten sich die Fach- und die IT-Abteilung vor einer Kaufentscheidung auf jeden Fall gut abstimmen.“ - Olav Strand, Vice President Central Europe von Blue Prism
„Derzeit werden nach unserer Erfahrung häufig nur Teilbereiche automatisiert. Dies ist auf eine gewisse Starrheit der Strukturen in einem beträchtlichen Teil der Unternehmen zurückzuführen, liegt aber teilweise auch noch an den bereits vorhandenen Systemen. Viele haben Angst davor, bestehende Abläufe zu verändern und mithilfe von Prozessautomatisierung effizienter zu gestalten. Ähnliche Bedenken gab es auch bei der Einführung der Fließbandarbeit in der Automobilproduktion um 1910. Damalige ,Start-ups‘, die sich getraut haben, trotz aller Bedenken die neue Technologie einzusetzen, wurden zu Global Playern.“ - Dr. Thorsten Stahn, Technology Consultant bei Lufthansa Industry Solutions
„Die Erwartungen an Process Mining nehmen stark zu. Es heute nicht mehr ausreichend, Ist-Prozesse einfach nur zu visualisieren. Unternehmen erwarten hier einen Mehrwert, etwa im Bereich der Schwachstellenanalyse und Prozessoptimierung. Dies erfordert die Kombination von Process Mining mit klassischen Data-Analytics- und Machine-Learning-Methoden. Das Zusammenspiel dieser Komponenten ist Voraussetzung für den langfristigen Erfolg der Methode Process Mining. Zudem ist es wichtig, keine überzogenen Erwartungen zu schüren, etwa in Bezug auf Kosteneinsparungen. Der Erfolg von Process Mining und Prozessautomatisierung hängt mittel-bis langfristig davon ab, ob konkrete Problemlösung für komplexe Prozesse entwickelt werden können. Ein Beispiel ist die Entwicklung von datenbasierten Entscheidungsmodellen in Prozessen.“ - Björn Schwarz, Strategy & Corporate Development bei Another Monday
„Prozessautomatisierung wird häufig in erster Linie als Mittel betrachtet, um die Kosten zu senken. Dieser Faktor ist sicherlich wichtig und oft auch die Motivation, sich mit Robotic Process Automation zu beschäftigen. Doch Prozessautomatisierung bietet weitere Vorteile: Mit einer stabilen und skalierbaren RPA-Lösung lassen sich nicht nur Kosten einsparen, sondern die Prozessqualität, die Kundenzufriedenheit und auch die Mitarbeitermotivation steigern. Zudem gewinnen Unternehmen an Agilität, weil Änderungen der IT-Landschaft, etwa bei der Einführung eines neuen Produkts, viel schneller ablaufen können. Was als eher defensive Strategie zur Kosteneinsparung beginnt, kann gerade in umkämpften Märkten zur Umsetzung einer Wachstumsstrategie beitragen.“
Hybride Automatisierung: Neue Jobprofile
Um die Herausforderungen zukunftsfähiger Automatisierungsansätze mit immer innovativeren Technologien meistern zu können, müssen ganz neue strategische Partnerschaften zwischen den Fachabteilungen und den IT-Abteilungen werden geschmiedet werden. Die perfekte Zusammenstellung der Automatisierungs-Experten aus dem jeweiligen Teilgebiet der Automatisierungskette zu einem Automation-Team und die klare Rollenverteilung innerhalb der Teams garantiert letztendlich, den Herausforderungen auch zukünftiger Automatisierungsprojekte begegnen zu können.
Der Automation Champion
Idealerweise verfügt jede Fachabteilung über einen Automation Champion. Ein Finance oder HR Automation Champion kann beispielsweise der Abteilungsleiter, ein spezieller Sachbearbeiter oder auch der Process Owner sein, der meist über mehrjährige Berufserfahrung verfügt. Er denkt zukunftsorientiert und ist mit der operativen Ausführung der jeweiligen Abteilungsprozesse bestens vertraut.
Als Prozessexperte mit ausgeprägter Affinität zu innovativen Technologien ist er bestens geeignet, die automatisierbaren Prozesse seiner Abteilung und das Optimierungspotenzial zu identifizieren und entsprechende Vorschläge zur Prozessautomatisierung zu unterbreiten. Automation affine Unternehmen haben bereits heute schon Process Experts installiert, die für die Optimierung von Prozessen zuständig sind.
Der Automation Strategist
Der Automation Strategist ist der Projektmanager für Automatisierungsthemen. Er ist nicht nur generell mit den Geschäftsprozessen des Unternehmens vertraut, sondern kennt und versteht auch die jeweils neuesten, relevanten Automatisierungs- und Process-Mining-Technologien und weiß beides weitsichtig miteinander zu verbinden. Der hybride Einsatz verschiedener Automatisierungs-Technologien, wie beispielsweise Cloud Automation, ist ihm genauso vertraut wie der Umgang mit Process-Mining-Tools.
Er ist ein gut vernetzter Generalist und Visionär, der mit Kreativität und ausgeprägten Kommunikationsfähigkeiten in der Lage ist, das notwendige Change Management in der jeweiligen Abteilung erfolgreich zu orchestrieren. Er hat für alle Automatisierungsprojekte der Fachabteilung den Hut auf und schließt die Lücke zwischen der Fachabteilung und einem Center of Excellence als ausführende Organisation der Automatisierung innerhalb des Unternehmens.
Der Automation Change Manager
Der Automation Change Manager stellt das Business Pendant zum Automation Strategist dar. Er trägt die Veränderungsinitiativen aus dem CoE in die Fachabteilungen, teilt Success Stories und hilft den Fachabteilungen bei der Transformation. Hier sind neben einem grundlegenden Verständnis für die Automatisierungstechnologie und Geschäftsprozesse sehr viel Empathie und Kommunikationsfähigkeiten gefragt.
Der Automation Architect
Der Automation Architect wiederum designt die notwendige IT-Infrastruktur für die Automatisierungsprojekte und behält die Kosten für Tools und Technologien im Blick. Das setzt ein tiefes Verständnis für das gesamte Spektrum der IT Operations voraus, um die Verfügbarkeit, Effizient und Leistung der Prozesse und Dienste der IT-Infrastruktur sicherzustellen. Zudem erfordert diese Rolle eine hohe Problemlösungskompetenz, insbesondere wenn es darum geht, Benutzerprobleme mit Software, Hardware und Servern direkt anzugehen.
Der Automation Developer
Der Automation Developer ist ein umfangreich weitergebildeter RPA-Entwickler mit einem vollumfänglichen technischen Automationsverständnis, das von der RPA-Entwicklung - also dem Bauen von Software-Bots - über Cloud Automation bis hin Schnittstellenprogrammierung reicht. Ein Team von Developern setzt die eingereichten Prozesse dann zentral um.
Operative Automation-Einheit: Center of Excellence
Den operativen Part im Automation-Team übernimmt das Center of Excellence (CoE). Es betrachtet die Automatisierungsprojekte aus einem ganzheitlichen, strategischen Blickwinkel. Dazu gehören die Entwicklung des strategischen Ansatzes und der Automation Roadmap, die Definition der KPIs genauso wie Überlegungen, welche Tools sinnvollerweise zur Automatisierung eingesetzt werden, die Lizenzverwaltung und nicht zuletzt das Change Management, um alle Mitarbeiter mit auf die Automatisierungsreise zu nehmen. Im CoE arbeiten der Automation Strategist, ein Automation Change Manager, ein Automation Architect und ein Automation Developer eng zusammen.
Sicherlich ist ein CoE die optimale Lösung für die Umsetzung von Automatisierungsbestrebungen in Unternehmen. Das heißt aber nicht, dass Unternehmen nicht auch ohne ein CoE ihre Automatisierungsprojekte realisieren können. In diesem Fall müsste die koordinierende Rolle zwischen Fachabteilung und Entwicklung - zumindest in Teilzeit - von einem Abteilungsleiter oder einem Mitarbeiter aus dem Stab des COO, CDO oder CIO oder der IT übernommen werden. Man muss sich nur darüber im Klaren sein, dass die nachhaltige Etablierung von Tools und Technologien in diesem Fall einem nicht zu unterschätzenden Kraftakt gleichkommt.
Prozessautomatisierung: Automation ist Teamwork
Da ein Großteil der Innovationskraft des Unternehmens in den Händen und Köpfen der Mitarbeiter liegt, benötigen sie neben dem passenden Fachwissen in Zukunft vor allem die richtigen Skills. Um eine zukunftsgerichtete Automatisierung vorantreiben und begleiten zu können, bedarf es an der Schnittstelle zwischen Fachwissen und Automatisierung neben einem Automation Mindset umfangreiche Kenntnisse der Geschäftsprozesse und der aktuellen Automatisierungs-Werkzeuge - gepaart mit dem Wissen, diese im richtigen IT-Kontext anwenden zu können. Eine derartige Aufgabe ist allerdings nicht von einem einzelnen Mitarbeiter, sondern nur im Team zu stemmen, das sich aus unterschiedlichen Experten entlang der Automatisierungskette zusammensetzt. (mb)
- Mark Sturzenegger, Automation Anywhere
Heute kommt bei RPA der Einsatz im Front Office hinzu. Dadurch hat jeder Mitarbeiter einen eigenen digitalen Assistenten zur Verfügung, der häufig wiederkehrende Arbeiten auf Knopfdruck erledigt. - Ricardo Ullbrich, Blue Prism
Viele SAP-Systeme müssen in nächster Zeit auf S/4HANA umgestellt werden. Hier kann Automatisierung bis zu 35 Prozent des Zeitaufwandes einsparen. - Martin Berg, metafinanz
Bei RPA hindert häufig fehlendes Know-how eine erfolgreiche Umsetzung. Viele Unternehmen wollen zwar RPA einsetzen, wissen aber nicht, worin sich die einzelnen Tools in Funktionen, Umfang und Handhabung unterscheiden. - Oliver Ehrmann, Microfocus
Es wird bei RPA-Projekten häufig einfach ein Tool installiert, und schon ,macht‘ man RPA. So funktioniert das nicht. - Robert Kreher, Microfocus
RPA hat seine klassischen Einsatzfelder überall dort, wo Mitarbeiter routinemäßig Daten zwischen Anwendungen, Dokumenten und Datenträgern übertragen, oft in Verbindung mit Datentransformation und Plausibilitätsprüfungen. - Walter Obermeier, UiPath
In den kommenden Jahren wird man in der Lage sein, mit KI und neuronalen Netzen auf einer Trägerplattform viele Systeme miteinander zu vernetzen, die heute noch autark arbeiten. Auch Kunden und Lieferanten eines Unternehmens lassen sich dann in automatisierte Prozesse einbinden.