Die EU-Kommission hat ineinandergreifende Regularien entwickelt, welche in den Rahmen für nachhaltige Finanzierungen, dem so genannten Sustainable Finance Framework, münden. Mittelbar will die EU hierdurch auch auf das Entwickeln von Geschäftsmodellen im Sinne der Umweltziele einwirken.
Mit dem EU-Beschluss zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist das Sustainable Finance Framework in seiner Bedeutsamkeit auch für KMU erheblich gestiegen. Um auf die hieraus resultierenden Herausforderungen als auch auf die verbundenen Chancen einzugehen, betrachten wir das Zusammenwirken der Regularien genauer.
Zusammenwirken von Regularien im Sustainable Finance Framework
Innerhalb des Sustainable Finance Framework sind die folgenden drei Regularien bedeutsam:
die EU-Taxonomie,
die Direktive zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung für Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive - CSRD) (EU 2022/2464), und
die Regularien zur Offenlegung nachhaltiger Finanzierungen (Sustainable Finance Disclosures Regulation - SFDR).
In dem Zusammenwirken der Regularien innerhalb des Sustainable Finance Framework stellt die EU-Taxonomie die wesentliche Basis dar. Als Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten liefert sie relevante Informationen, um die verpflichtenden Veröffentlichungen und Berichte nach CSRD und SFDR erfüllen zu können.
Für die Finanzmarktteilnehmer sind die Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen gemäß CSRD erforderlich, um zukünftig Investitionsentscheidungen treffen zu können. Zudem dürften Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen auch von potenziellen Kunden und Mitarbeitern, möglichen Investoren oder sonstigen Interessenten zukünftig vermehrt nachgefragt werden.
Durch dieses Zusammenspiel, unterstützt durch die verpflichtende Offenlegung und den damit verbundenen verbindlichen Prüfungen, werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit die Investitions- und Finanzierungsentscheidungen der Finanzmarkteilnehmer verändern. In der Konsequenz wird sich dies mittelbar auf zukünftige Nachhaltigkeitsstrategien und Geschäftsmodelle von Unternehmen erheblich auswirken.
EU-Taxonomie
Die EU-Taxonomie legt als Klassifizierungssystem für den EU-Wirtschaftsraum fest, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig einzustufen sind. Eine Wirtschaftstätigkeit wird als ökologisch nachhaltig definiert, wenn diese einen wesentlichen Beitrag zu einem oder mehreren der Umweltziele der Europäischen Union leistet. Keines dieser Ziele darf dabei erheblich beeinträchtigt werden, soziale Mindestsicherungen müssen erfüllt sein und den festgelegten Bewertungskriterien entsprechen. Nach der EU Taxonomie gelten als Umweltziele:
Klimaschutz,
Anpassung an den Klimawandel,
die nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen,
der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,
Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, sowie
der Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.
Die EU-Taxonomie wird herangezogen, um bestehende wirtschaftliche Tätigkeiten im Unternehmen unter Nachhaltigkeitsaspekten zu klassifizieren und zu bewerten. Insbesondere, da Unternehmen im Kontext ihres Nachhaltigkeitsberichts auch Aktivitäten verfolgen können, die nicht mit der Taxonomie konform sind.
Sustainable Finance Disclosures Regulation - SFDR
Mit der SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) wurden von der EU-Kommission einheitliche Regularien bezüglich der Nachhaltigkeit von Finanzprodukten für alle Finanzmarkteilnehmer und Finanzberater festgelegt.
Danach müssen Finanzmarkteilnehmer transparent machen, welche Nachhaltigkeitsauswirkungen mit den jeweiligen Finanzprodukten verbunden sind und in welcher Form Nachhaltigkeitsfaktoren bei den zu Grunde liegenden Investitionsentscheidungen berücksichtigt wurden. Mit anderen Worten: Die Finanzmarktteilnehmer müssen basierend auf der EU-Taxonomie darlegen, inwieweit ihre Finanzprodukte ökologisch nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten berücksichtigen und wie der Entscheidungsprozess zur Entwicklung der Finanzprodukte unter Berücksichtigung der Taxonomie gestaltet ist - ähnlich der Offenlegung von wirtschaftlichen Risiken der entsprechenden Finanzprodukte.
Bereits seit dem 1. Januar 2023 müssen die Nachhaltigkeitsauswirkungen sowohl für so genannte ESG-Finanzprodukte (ESG = ecological social governance) als auch für Nicht-ESG-Finanzprodukte von den Finanzmarktteilnehmern transparent gemacht werden.
Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
Mit dem EU-Beschluss zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) im November 2022 wurde die Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung für Unternehmen in der Anwendung und im Umfang deutlich ausgeweitet. Das verpflichtende Umsetzen der CSRD und der klar erkennbaren Integration in den Unternehmens-Lagebericht beginnt stufenweise mit dem Berichtsjahr 2024.
Relevant ist die CSRD für alle EU-ansässigen Unternehmen, unabhängig von der Kapitalmarktorientierung. Die CSRD ist nunmehr verpflichtend, wenn von dem Unternehmen zwei der folgenden Kriterien erfüllt werden:
Bilanzsumme > 25 Millionen Euro
Nettoumsatzerlöse > 50 Millionen Euro
Zahl der Beschäftigten > 250
Unternehmen, welche unter die Regelungen der CSRD fallen, müssen transparent offenlegen, wie und in welchem Umfang ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten ökologisch nachhaltige Kriterien entsprechend der EU-Taxonomie erfüllen.
Analog zu betriebswirtschaftlichen Auswertungen, Jahresabschlüssen und Gutachten zur wirtschaftlichen Entwicklung eines Unternehmens sowie deren Veröffentlichungspflichten mittels Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, wird ein System zur Offenlegung und Nachverfolgung der ökologisch-sozialen, nachhaltigen Entwicklung aufgebaut.
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Inhaltlich fordert die CSRD
Informationen zum Geschäftsmodell und der Strategie des Unternehmens sowie zur Umsetzung und Nachverfolgung gesetzter Nachhaltigkeitsziele;
Informationen zur Rolle und Verantwortung der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane im Zusammenhang von Nachhaltigkeitsaspekten; sowie
Informationen über potenzielle ökologische und soziale Auswirkungen durch die unternehmerischen Geschäftstätigkeiten, entlang der gesamten Wertschöpfungskette einschließlich der Produkte und Dienstleistungen, Geschäftsbeziehungen und der Lieferkette.
Ergänzend werden Unternehmen durch die EU-Taxonomie verpflichtet, die Anteile ihres Umsatzes und Investitionsausgaben (CapEx) sowie ihrer Betriebsausgaben (OpEx) welche mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten verbunden sind, transparent zu machen.
Um die Qualität der Angaben zu gewährleisten sowie die Vergleichbarkeit der Ergebnisse innerhalb der EU zu erhöhen, sind für das Erstellen des Nachhaltigkeitsberichts verbindliche European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zu verwenden, welche von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelt werden.
Die CSRD verfolgt für das Erstellen der Nachhaltigkeitsberichte, das Konzept der doppelten Wesentlichkeit ("Double Materiality"). Das bedeutet, Unternehmen müssen sowohl Informationen über Auswirkungen ihrer Unternehmenstätigkeiten auf Nachhaltigkeit als auch Auswirkungen von Nachhaltigkeit auf das Unternehmen selbst aufzeigen.
Herausforderungen für KMU
Der Bedarf an Nachhaltigkeitsinformationen von Unternehmen ist in den letzten Jahren sehr stark gestiegen. Immer mehr Investoren und Finanzinstitute berücksichtigen schon heute bei ihren Entscheidungen inwieweit sich Unternehmen mit ihren Aktivitäten an der Taxonomie ausrichten. Die gleiche Erfahrung machen Unternehmen zunehmend, wenn es um das Gewinnen neuer Mitarbeiter oder dem Halten bestehender Mitarbeiter geht.
Auch bei Kunden, sei es bei Endkunden, in der Lieferkette oder auch bei öffentlichen Aufträgen, erfährt die Nachhaltigkeit bei Entscheidungen eine immer größere Relevanz. Man darf davon ausgehen, dass die Auswirkungen und die Notwendigkeit zum Erstellen einer integrierten CSRD-Nachhaltigkeitsstrategie auf die Unternehmen schneller zukommen wird als der Zeitplan für die Regularien der EU es derzeit vorgibt.
Neben den Wechselwirkungen der Regularien spielt dabei das gewachsene Bewusstsein für Nachhaltigkeit in allen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft für Unternehmen eine zunehmend bedeutsamere Rolle, nicht nur in der Außenwahrnehmung des Marktes und der Kunden gegenüber.
Für die von der CSRD-Berichtspflicht betroffenen Unternehmen werden die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichte in ihrer Komplexität wesentlich anspruchsvoller und erhöhen die Transparenz über Unternehmensinformationen deutlich. Verstärkt herausfordernd ist der durchaus ambitionierte Zeitplan seitens der EU. Um diesem nachkommen zu können, müssen Unternehmen, wenn nicht schon geschehen, Nachhaltigkeit als ständigen Bestandteil auf allen Ebenen institutionalisieren. Benötigt werden entsprechende Ressourcen sowie geeignete prüfbare Prozesse und Systeme, um relevante Nachhaltigkeitskenngrößen zu erfassen, und Strategien und Maßnahmen zur Verbesserung dieser Kenngrößen zu entwickeln und dauerhaft zu verifizieren.
Die meisten von der CSRD-Berichtspflicht noch nicht betroffenen Unternehmen, also die meisten KMU, werden mit Wahrscheinlichkeit von den Auswirkungen der Regularien mittelbar genauso betroffen sein. Allein schon, weil die CSRD, Informationen zur gesamten Wertschöpfungskette einschließlich der Produkte und Dienstleistungen, Geschäftsbeziehungen und der Lieferkette erfordert und diese Informationen auch für Finanzinstitute erforderlich sein werden. Verstärkt durch das Lieferkettengesetz erwarten bereits viele Unternehmen von ihren Lieferanten, unabhängig von deren Größe und Art, entsprechende Berichte und Informationen.
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Fazit und Empfehlungen
Mit zunehmender Transparenz und Entwicklung des Sustainable-Finance-Framework wird sich die Verpflichtung zur Nachhaltigkeit für Unternehmen aller Art, mit aller Voraussicht zum allgemeinen Standard entwickeln. Man darf zudem davon ausgehen, dass, verbunden mit dem Zusammenwirken der Regularien und der gesteigerten Verbindlichkeit auf Geschäftsleitungsebene, mittelbar Potenziale für Veränderungen in Unternehmen bestehen. Das Potenzial für KMU liegt darin, sich als so genannte "First Mover" zu Nachhaltigkeit in der Außen- wie Innenwirkung zu positionieren und das Thema in ihre Unternehmens-DNA zu implementieren.
Mit dem Entwickeln einer CSRD-Nachhaltigkeitsstrategie und dem Festlegen klarer Ziele werden die Mitarbeiter mitgenommen und vorteilhafte Voraussetzungen geschaffen, die aufkommenden Entwicklungen für sich zu nutzen und die Zukunft nachhaltig mit zu gestalten.
Als Chance betrachtet, unterstützt das Erstellen einer CSRD-Nachhaltigkeitsstrategie Unternehmen als wertvolles Instrument in volatilen Zeiten. Ein solches Vorgehen verschafft Möglichkeiten, Risiken und Chancen transparent zu machen und zu steuern, entsprechend auf Veränderungen adäquat zu reagieren, die Resilienz zu steigern und somit das eigene Unternehmen krisenfest zu machen. Unternehmen nutzen hierdurch die ESG-Regularien der EU, um ihre Leistungen zur Erreichung der Umweltziele zu verbessern, damit bessere Zugänge zum Finanzmarkt, zu Mitarbeitern und Kunden zu halten, und ihre Wettbewerbsposition zu stärken und auszubauen. (bw)