Oracle-Konkurrenten positionieren sich

MySQL vor unruhiger Zukunft

13.08.2012
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.
Eines der erfolgreichsten Open-Source-Produkte, die Datenbank MySQL, könnte seine herausragende Marktposition verlieren. Konkurrenzsysteme wie MariaDB oder PostgreSQL gewinnen Anhänger.

Der britische Analyst Matthew Aslett schrieb im Mai 2012: "Das MySQL-Ökosystem ist jetzt wohl gesünder und lebendiger als jemals zuvor." Zu der Aussage kam er nach einer Anwenderbefragung für das New Yorker Markforschungsunternehmen The 451 Group. Derzufolge wird das Business um die Open-Source-Datenbank getragen vom Storage-Boom und soll bis 2015 jährlich im Durchschnitt um 40 Prozent zulegen.

Michael „Monty“ Widenius ist Mitbegründer der Open-Source-Datenbanken MySQL und MariaDB.
Michael „Monty“ Widenius ist Mitbegründer der Open-Source-Datenbanken MySQL und MariaDB.
Foto: Michael Widenius

Aber Aslett hatte auch schlechte Nachrichten: Denn gleichzeitig würden immer weniger Unternehmen MySQL verwenden. Waren es zum Zeitpunkt der Erhebung unter den Befragten noch 80 Prozent, so wollen 2017 nur noch 54 Prozent auf MySQL setzen. Die Gewinner werden laut dem Marktbeobachter NoSQL-Datenbanken sowie die relationalen Systeme "PostgreSQL" und "MariaDB" sein.

Solche weit greifenden Prognosen sind erfahrungsgemäß mit großer Vorsicht zu genießen. In diesem Fall könnten sie ja auch nur zeigen, wie tief der aktuelle NoSQL-Hype auf die Anwender wirkt, obwohl nur bestimmte Nischen, nicht aber viele Anwendungen diesen Datenbanktyp brauchen. Für die Annahme, dass MySQL zumindest einiges von seiner überragenden Rolle im Open-Source-Datenbankmarkt einbüßen wird, gibt es gleichwohl Anzeichen.

Seit Oracle im Januar 2010 mit Sun auch MySQL gekauft hat, knarzt es im Gebälk. Sehr schnell kündigten fast alle Entwickler, Supporter und Vertriebsleute aus dem alten MySQL-Team. Die Entwickler um MySQL-Initiator "Monty" Widenius gründeten die Initiative Monty Program, die den ebenfalls quelloffenen MySQL-Fork MariaDB entwickelt. Support- und Vertriebsspezialisten sammelten sich in der Firma SkySQL, um professionelle Anwenderberatung und -unterstützung für MySQL und MariaDB anzubieten.

Oracle selbst ermöglichte beiden Firmen einen guten Start. Denn Ende 2010 erhöhte der Datenbankriese die Preise für den MySQL-Support drastisch. Anwender müssen zum Teil mehr als das Dreifache der Gebühren zu Sun-Zeiten zahlen. Das verursachte unter vielen IT-Organisationen Unmut. Etliche wechselten zur Support-Alternative SkySQL, einige andere, darunter sehr große Internetunternehmen, beginnen inzwischen mit der Umstellung auf MariaDB.

Man kann Oracle jedoch nicht den Vorwurf machen, MySQL nachgerade zu vernachlässigen. Das von Lawrence Ellison geführte Unternehmen hat die technische Entwicklung vorangetrieben und das Produkt auf die Versionen 5.5 und 5.6 gehoben. Das brachte unter anderem asynchrones I/O, Memcached APIs und globale Transaktions-IDs. Gleichwohl ist das vergleichsweise wenig für alte MySQL-Entwickler und Anwender. Zu Sun-Zeiten hätten sie MySQL gerne in den Kernmarkt der proprietären Datenbankflaggschiffe von Oracle oder IBM (DB2) aufsteigen sehen.

Kaj Arnö, SkySQL: Sein Unternehmen bietet professionellen Support für MySQL.
Kaj Arnö, SkySQL: Sein Unternehmen bietet professionellen Support für MySQL.
Foto: SkySQL

"Oracle fährt MySQL mit angezogener Handbremse", kommentiert Kaj Arnö, der seit 2001 zum MySQL-Team gehörte und heute Executive Vice President Products bei SkySQL ist. "Hat jemand etwas anderes erwartet? Mit einer konsequenten Entwicklung von MySQL würde Oracle das Kerngeschäft mit der hauseigenen Datenbank beschädigen. Oracle sind die Interessen der Aktionäre wichtiger als die der MySQL-Anwender." Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass der Fork MariaDB inzwischen technisch fortgeschrittener ist als die Muttersoftware. Für MariaDB gibt es die Storage-Engine Aria, die durch In-Memory-Caching temporäre Dateien ins schnellere RAM statt auf Festplatte schreibt.

Die bei MySQL seit Version 4 möglichen, aber bis zur Nutzlosigkeit langsamen Sub-Queries laufen beim Fork seit Version 5.5 performant. Das Feature Group Commit für Binary Logs sorgt für deutlich schnellere Replikation über eine große Zahl verteilter Datenbank-Server, die entsprechend schneller wieder für ihre Hauptlast, Read-Anfragen, zur Verfügung stehen. Die Liste lässt sich fortsetzen.

Dass MariaDB schon jetzt in Version 5.5 schneller und besser für große verteilte Speicher geeignet ist als MySQL in der aktuellen Version 5.6, werden dessen Anwender eher früher als später merken. Gewöhnlich meiden sie eine Datenbankmigration wie der Teufel das Weihwasser. Aber diesmal könnte es anders sein. "Von MySQL auf MariaDB zu wechseln verursacht nicht mehr Aufwand als ein Upgrade von MySQL 5.0 auf Version 5.1", wirbt SkySQL-Manager Arnö. "Der Umstieg, beispielsweise von MySQL 5.5 auf MariaDB 5.5, ist wie ein Upgrade, und alles läuft wie bisher." (wh)