Mobile Informatik

Mobile-Spezialisten mit Sinn für Nutzen gesucht

18.08.2014
Von 
Peter Ilg ist freier Journalist in Aalen.
Mobile Lösungen haben den Vorteil, dass von jedem Ort auf Daten zugegriffen werden kann. Das wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt für Berater und Entwickler aus: mobile Informatik heißt erleben, ausprobieren, testen. Und sie schafft neue Einsatzfelder für IT-Spezialisten, etwa in Industrie, in der Luft-und Raumfahrt und im Auto.

Lukas Bayer, 25, hat seinen Beruf zum Hobby gemacht. "Hauptberuflich und in meiner Freizeit setzte ich mich dafür ein, dass Software qualitativ besser wird." Nach der Matura - so heißt in Österreich die Reifeprüfung - absolvierte er an der Fachhochschule Technikum Wien zunächst den Bachelor-Studiengang Informatik und schloss seinen Master in Multimedia und Softwareentwicklung an. Mitte 2012 war er fertig und fing bei Jumio in Wien als Software Quality Engineer an. Jumio entwickelt Apps, mit denen die Identität von Benutzern durch das Abfotografieren von Pass, Personalausweis oder Führerschein überprüft und verifiziert werden kann.

Lukas Bayer, Jumio, hat das Hobby zu seinen Beruf gemacht: Der 25jährige Softwareentwickler testet Apps im Job und privat.
Lukas Bayer, Jumio, hat das Hobby zu seinen Beruf gemacht: Der 25jährige Softwareentwickler testet Apps im Job und privat.
Foto: Privat

Apps testen als Beruf und als Hobby

"Mein Job ist es, unsere Produkte zu testen", sagt Bayer. Die Rahmenbedingungen sind dabei ganz anders als bei Web-Applikationen. In Smartphones und Tablets werden unterschiedliche Hardwarekomponenten von verschiedenen Anbietern verbaut und auf unterschiedlichen Plattformen betrieben. Android und IOS sind die gängigsten. "Als Tester muss ich die User Interface Guidlines der Plattformenanbieter kennen und mich mit Best Practice Ansätzen der Betriebssysteme auskennen", sagt Bayer. Bei seinen Tests achtet er besonders auf Netzwerkkommunikation und Error-Handling. "Aufgrund unterschiedlicher Übertragungsraten - Mobilfunk und WLAN - sowie plötzlich auftretender Verbindungsabbrüche ist es wichtig, dass die App auf die jeweilige Situation entsprechend reagiert und dem User das passende Feedback liefert." Das kann der Hinweis sein, dass die Daten gespeichert sind und, wenn wieder eine Internetverbindung möglich ist, sie weiter verwendet werden können.

Apps testen - einerseits als IT-Profis, andererseits als Endverbraucher.
Apps testen - einerseits als IT-Profis, andererseits als Endverbraucher.
Foto: Maridav - Fotolia.com

Was Bayer hauptberuflich macht, das macht er auch in seiner Freizeit: der Informatiker testet für den Crowdtesting-Anbieter Testbirds, München, Softwareanwendungen. Apps, Spiele oder Web-Seiten zum Beispiel. Testbirds gibt es seit Mitte 2012, einer der drei Gründer ist Philipp Benkler, 27. "Zu Beginn mussten wir viel Aufklärungsarbeit fürs Crowdtesting leisten. Jetzt ist der Markt reif und unsere Geschäfte laufen besser als erhofft." Testbirds hat 35 Mitarbeiter, 200 Kunden in Europa und 50.000 registrierte Tester. "Lukas Bayer ist einer unserer am besten ausgebildeten Tester. Neben wenigen Profis brauchen wir aber viele Endverbraucher." Die Mischung von Profis und Anwendern führt zu besseren Test-Ergebnissen. Einen Schwarm von Intelligenz nutzen, das bedeutet Crowdsourcing.

Philipp Benkler, Testbirds: "Zu Beginn mussten wir viel Aufklärungsarbeit fürs Crowdtesting leisten. Jetzt ist der Markt reif, unsere Geschäfte laufen besser."
Philipp Benkler, Testbirds: "Zu Beginn mussten wir viel Aufklärungsarbeit fürs Crowdtesting leisten. Jetzt ist der Markt reif, unsere Geschäfte laufen besser."
Foto: Privat

Neues Programmierparadigma mit HTML 5

Apps sind ein Teil mobiler Informatik, die hauptsächlich von Privatpersonen genutzt werden. Im professionellen Umfeld kommen sie in sicherheitskritischen Steuerungen in der Luft- und Raumfahrt, im Automobil und in der Industrieautomatisierung zum Einsatz. Die vernetzte Fabrik, das Internet der Dinge, sind moderne, mobile Anwendungen. "Das Interessante an der mobilen Informatik ist deren Unabhängigkeit von Hardware", sagt Professor Dr. Andreas Judt von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Ravensburg. Er ist dort Studiengangberater für das Profil mobile Informatik im Studiengang Informatik. Für ihn ist mobile Informatik viel mehr als Apps und Smartphones. "Mobile Informatik definiert vielmehr ein Programmierparadigma und ersetzt mit dem neuen Web-Standard HTML5 und verwandten Technologien bisherige Ansätze, insbesondere Objektorientierung."

Prof. Dr. Andreas Judt, Duale Hochschule Baden-Württemberg: "Das Interessante an der mobilen Informatik ist deren Unabhängigkeit von Hardware."
Prof. Dr. Andreas Judt, Duale Hochschule Baden-Württemberg: "Das Interessante an der mobilen Informatik ist deren Unabhängigkeit von Hardware."
Foto: Privat

Ein Geschäftsbereich von 1eEurope, einem IT-Unternehmen in Holzgerlingen bei Stuttgart, sind mobile Lösungen einschließlich Location Based Services. "Unsere Kunden erwarten durch mobile Anwendungen in Kombination mit anderen Medien zu echten Multi-Channel-Anbietern zu werden, um so beispielsweise ihren Kundenstamm auszubauen oder zu binden", sagt Geschäftsführer Patrick Sönke.

Mobile-Experten: erst selbständig, dann angestellt

20 Mitarbeiter hat das Unternehmen, acht davon im mobile Bereich. IT-Systemkaufmann Sebastian Triltsch, 33, ist einer von ihnen. "Ich koordiniere die Produktentwicklung, bin Bindeglied zwischen Kundenwünschen und meinen Kollegen, den Programmierern." Ein Content-Management-System ist ein Kernelement der mobilen Lösungen von 1eEurope. Es ist ein webbasiertes System, mit dem Inhalte erfasst, verwaltet und aus bestehenden Systemen übernommen werden können. Es macht eine zeit- und ortsunabhängige Ansprache von mobilen Anwendern etwa durch Beacons möglich. Das sind Bluetooth-Sender. Mit Beacons ausgestattete Ladengeschäfte senden beim Einkauf in bestimmten Situationen passende Informationen an das Smartphone des Konsumenten. So wird dieser über Aktionen, Angebote und Details zu Produkten informiert.

Patrick Sönke, 1eEurope, hat beobachtet, dass viele junge IT-Profis sich mit mobiler Informatik beschäftigt, erst selbständig unterwegs sind und dann eine Festanstellung suchen.
Patrick Sönke, 1eEurope, hat beobachtet, dass viele junge IT-Profis sich mit mobiler Informatik beschäftigt, erst selbständig unterwegs sind und dann eine Festanstellung suchen.
Foto: Privat

"Mobile Lösungen, das heißt: Erlebnisse schaffen, raus gehen, sich rein denken, wie Nutzen mobil generiert werden kann", sagt Triltsch. Das unterscheide mobile von statischen Anwendungen. Den Arbeitsmarkt für Informatiker bezeichnet Sönke als "insgesamt schwierig aus Sicht der Unternehmen, aber bei Leuten, die sich mit mobilen Lösungen auskennen, als ein klein wenig besser". Das habe damit zu tun, weil sich vor allem junge IT-Spezialisten damit beschäftigen, von denen viele selbständig sind und die jetzt eine Festanstellung suchen. Bei der Bezahlung macht 1e Europe keinen Unterschied, ob sich die Mitarbeiter mit konventionellen oder mobilen Lösungen beschäftigen: das Einstiegsgehalt ist gleich hoch. Rund die Hälfte der Informatiker startet mit einem Gehalt zwischen 40.000 und 45.000 Euro ins Berufsleben, so das Ergebnis der Studie Staufenbiel Job-Trends Deutschland 2014. (am)

Sebastian Triltsch, 1eEurope: "Mobile Lösungen, das heißt: Erlebnisse schaffen, raus gehen, sich rein denken, wie Nutzen mobil generiert werden kann."
Sebastian Triltsch, 1eEurope: "Mobile Lösungen, das heißt: Erlebnisse schaffen, raus gehen, sich rein denken, wie Nutzen mobil generiert werden kann."
Foto: Privat