Mittelständische Unternehmen vernachlässigen im HR-Bereich oftmals die Möglichkeiten aktueller Software, obwohl sich die Komplexität der Anforderungen teilweise erheblich erhöht hat.
Systeme als Kosten- und nicht als Werttreiber
Einige Prozesse wie beispielsweise Recruiting sind häufig nicht nur umständlich, sondern vor allem teuer. Dabei haben Mittelständler oft Probleme bei der Suche nach Fachkräften. Die Region zu unattraktiv, das Image nicht das eines Global Players oder schlicht, weil sie keiner kennt. Diese Probleme sind bekannt und viele Unternehmen versuchen, Bewerber auf kreative Weise anzulocken. Ist ihnen das gelungen, werden die Recruiting-Erfolge in eine Excel-Liste eingetragen und die Einladungen zu Bewerbungsgesprächen schreibt der Praktikant. Die Begründung ist oftmals, dass händische Verfahren günstiger seien.
Wer davon ausgeht, beim Recruiting an Software - von welchem IT-Anbieter ist unerheblich - sparen zu können, der hat sich verrechnet. Zumindest langfristig. Denn irgendjemand muss die eingereichten Bewerbungen digitalisieren, die Listen pflegen, Stellenanzeigen schreiben, veröffentlichen, die Bewerberkorrespondenz führen und Zu- und Absagen schreiben und verschicken. Das kostet Zeit. Deshalb sollten sich auch Mittelständler die Frage stellen, ob sie einen beträchtlichen Teil der Arbeitszeit ihrer Personaler dafür aufwenden möchten, Arbeiten zu erledigen, die ein Algorithmus in Sekunden schafft.
- Ganz klassisch
Früher lief Recruiting so: Stellenanzeige in einer überregionalen Zeitung und dann ... - Recruiting früher
... beten und auf passende Bewerbungen warten. - Bewerbungen
Unter diesen Bewerbungen konnte man dann den passenden neuen Mitarbeiter auswählen. - Zum Bewerber
So läuft es heute nicht mehr. Unternehmen müssen dorthin, wo die Bewerber sich aufhalten. - Direktansprache
Sie sprechen Bewerber zum Beispiel ganz gezielt über Xing an. - Active Sourcing
Besonders größere Unternehmen bauen Active Sourcing-Abteilungen auf, die gezielt Kontakt zu Kandidaten aufbauen. - Modernes Recruiting
Moderne Formate für eine gezielte Ansprache von möglichen Bewerbern sind zum Beispiel Programmierveranstaltungen.
Das Beispiel Recruiting zeigt, dass das Rollenverständnis des gesamten HR-Bereiches bei vielen Unternehmen zunehmend veraltet ist. Das hemmt die Potenziale und Möglichkeiten einer optimal aufgestellten Personalabteilung deutlich.
Sind moderne Anforderungen an HR bereits erkannt, fehlt oftmals eine entsprechende Softwareunterstützung. Eigenentwicklungen oder Altsysteme werden genutzt, welche zwar technisch funktionieren, jedoch darüber hinaus keinen wesentlichen Mehrwert bieten. Zudem sind diese Applikationen häufig als Insellösungen implementiert, so dass sich innerhalb der Prozesse wenig bis keine Synergien abbilden lassen. Unter anderem aufgrund dessen wird nach wie vor deutlich zu viel Aufwand innerhalb des Personalbereichs generiert. Dies ist auch vor dem Hintergrund aktueller Trends, wie beispielsweise Employee Self Services, zu verstehen.
Auf der anderen Seite gibt es viele verschiedene IT-Anbieter, welche relativ homogene kosteneffiziente Systemlösungen anbieten. Sowohl Angebotsquantität als auch die Angebotsqualität stimmen. Also scheint die Zeit reif, um die Personalabteilung technisch hochwertig auszurüsten und den damit zusammenhängenden Mehrwert zu generieren.
Der Wandel vom Kosten- zum Werttreiber
Der Personalbereich hat in den letzten Jahren einen großen Wandel durchlaufen - mittlerweile sind transaktionale Arbeitsanteile zugunsten strategischer Aufgaben zurückgedrängt. Ähnlich sieht es Tim Klieve von Kirchhoff Automotive, der dies so beschreibt: "Der Fachkträftemangel verschärft sich zunehmend bei Spezialistenfunktionen. Aufgrund dessen sind neue Marketingstrategien erforderlich, um auch dieGeneration Y für unser Unternehmen zu begeistern. Entsprechende HR-Software ist demnach unabdingbar - auch um globale Anforderungen zeitnah und kosteneffizient abzubilden. Leider besitzen wir aktuell keine entsprechende Applikation, die unsere Personalarbeit unterstützt."
Durch diesen Wandel werden neue Herausforderungen und Anforderungen für den HR-Bereich offensichtlich. Klieve gibt uns hierbei einen Einblick in seine Firma: "Bereits vor einigen Jahren haben wir begonnen, eine einheitliche HR-Strategie zu entwicklen, um oben beschriebenen Herausforderungen und Anforderungen zu begegnen und neue Prozesse in einer sinnhaften Reihenfolge zu etablieren. Daraus leitet sich für uns direkt ab, ein passendes IT-System zu finden, um unter anderem globale modulare Weiterentwicklungsprogramme abzubilden und Recruitingprozesse zu etablieren, welche den gesamten Workflow unterstützen. So sollten Potenzialträger für einen ersten Kontakt zur Homepage des Unternehmens geroutet und zu einer Bewerbung motiviert werden. Über einen effizienten Einstellungsprozess werden diese im besten Fall "neuen" Mitarbeiter vom OnBoarding bis hin zum Austritt aus dem Unternehmen vollumfänglich begleitet."
Vielschichtige Auswahl von HR-Systemen
Auf dem IT-Anbietermarkt gibt es einige Lösungen, die ähnliche Produkte anbieten. Relevant ist hierbei, im ersten Schritt den Markt zu sondieren, so dass sich anschließend Favoriten herauskristallisieren, die den teilweise unterschiedlichen Anforderungen Rechnung tragen. Die intransparente Marktlage bedarf einer fachmännischen Analyse - ein schweizerischer Maschinenbauer beschreibt es wie folgt: "Wir haben einen mehrstufigen Auswahlprozess inklusive Ausschreibungen, Roadshows und Use Case Präsentationen abgeschlossen, welcher auf global definierten standardisierten Anforderungen an eine HR-Suite basierte. Eine weltweite Lieferfähigkeit war eine Kernanforderung. Vor allem war es unser Ziel, die Self Services zu stärken. Aus diesem Grunde galt: Simplicity first. Zu mächtige Systeme erwiesen sich als schwerfällig, das Donwstrippen wäre teurer gewesen als der Aufbau eines schlanken Systems."
- "Führungsqualität"
Die mit Abstand meisten Jobsuchenden auf LinkedIn werben für sich mit dem Attribut "Führungsqualität". Nicht sicher ist, ob sie damit schon Erfahrung sammeln konnten oder sich einfach nur entsprechend einschätzen. - "strategisch"
Auch eine Strategie scheinen die meisten zu haben. Gut so, denn planlos durch die Gegend laufen schon zu viele Leute. - "motiviert"
Das ist natürlich die Grundvoraussetzung, überhaupt einen neuen Job finden zu können. Von daher eigentlich selbstverständlich. - "kreativ"
Ohne Kreativität wäre so manche Erfindung nicht gelungen. Ansonsten ist es aber häufig ein Zeichen dafür, dass da jemand nicht wusste, was er/sie sonst so schreiben soll. - "Expertenwissen"
Die Zeit der Wissenseliten ist vorbei. Trotzdem kann es von Vorteil sein, sich in bestimmten Bereichen sehr gut auszukennen. Vielleicht würde es dann aber auch reichen, das Thema aufzuführen, als sich als Experte zu gerieren. - "Leidenschaft"
Wer wirklich Passion für ein Unternehmen oder sein Wirken mitbringt, zeigt das am besten durch sein Handeln und nicht durch Worthülsen. - "verantwortungsvoll"
Verantwortung übernehmen zu wollen und auch zu können, ist respektabel. Das belegt man aber am besten mit Berufserfahrung, erfolgreich abgeschlossenen Projekten oder auch ehrenamtlichen Tätigkeiten. - "Erfolgsgeschichte" / "erfolgreich"
Erfolg ist auch immer sehr beliebt. Nur müssen den Worten dann auch Taten folgen - für den Rest siehe "Leidenschaft" und "verantwortungsvoll". - "engagiert"
Hier gilt das gleiche wie für "motiviert". Wer nicht engagiert ist, würde sich wohl kaum auf LinkedIn nach einem neuen Job umsehen. Daher wie alle anderen Begriffe dieses Rankings als überflüssiges Füllwort zu betrachten.
Änhlich sieht es Klieve: "Einige Anbieter von HR-Tools sind uns bekannt. Aufgrund dessen haben wir einen international ausgerichteten Auswahlprozess angestoßen, welcher auf global definierten standardisierten funktionalen und technischen Anforderungen basiert. Ziel ist es, eine integrierte Lösung für unser Unternehmen zu finden, die unsere Kernprozesse abbildet. Diese Applikation sollte am besten von einem 'passenden' IT-Anbieter geliefert und betreut werden. Ein derartiger Provider ist vor allem für Mittelständler nicht zwangsläufig der billigste, sondern sollte vor allem in Bezug auf die Unternehmensgröße passen, das heißt nicht zu klein und auch nicht zu groß sein. Und er sollte nach Möglichkeit in denselben Regionen wie unser Unternehmen angesiedelt sein. Dies hat einen einfachen Grund. Unser Unternehmen sollte für den Anbieter ein 'wesentlicher' Kunde oder 'Schlüsselkunde' sein. Dies sichert das nötige Machtverhältnis und stellt sicher, dass der Service auch in wichtigen Spitzenzeiten eingehalten wird - obwohl entsprechende Servicevereinbarungen dies bereits voraussetzen."
Sequentielle Umsetzung zeitgemäßer HR-Anwendung ist sinnvoll
Nach einer IT-Anbieterauswahl sind die Analyse des Ist-Zustandes und der Ursachenanalyse für die Umsetzung der neuen HR-Anforderungen relevant. Klieve fasst diesen Aspekt folgendermaßen zusammen: "Unsere Ist-Systemlandschaft ist nicht auf die gewandelten HR-Anforderungen vorbereitet. Daher werden zur Zeit Optionen für eine schematische Ziel-IT-Landschaft erarbeitet und bewertet. Dies ist wiederum die Basis für eine Roadmap-Planung. Schätzungen von Projekt- und Betriebsaufwänden münden hierbei in konkrete Budget-/Finanzierungsplanungen für die Softwareeinführung. Bei der sequentiellen Umsetzung unserer Ziel-IT-Landschaft unterstützt uns ein externer Dienstleister, der einerseits mit der Erneuerung von Applikationslandschaften vertraut ist, andererseits Know-how im HR-Bereich besitzt".
Fallstricke gilt es bei der Systemeinführung zu bedenken
Klieve betont folgende Herausforderungen: "Um den neuen Herausforderungen in HR erfolgreich zu begegnen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen HR und IT unabdingbar. Aus fachlicher Sicht ist die Integration bestehender HR-Prozesse in das System relevant. Zudem soll ein Change-Management-Prozess durchlaufen werden, um HR als Business Partner im gesamten Unternehmen zu etablieren. Aus technischer Sicht sind eine einfache Bedienbarkeit des Systems, das Look & Feel, die Integration von Mobile Devices, Mobile Self Services für Manager und Mitarbeiter sowie Datensicherheit bedeutend.
Die Lücke schließen
Trotz der vorliegenden Möglichkeiten, hinken die derzeitigen Applikationslandschaften hinterher - so sieht es auch Klieve: "Aktuell liegen einige Insellösungen vor, die integriert werden sollten. Zudem werden benötigte Funktionalitäten, wie die Möglichkeit von Auswertungen, nicht oder nur zum Teil erfasst. Leider sind wir zur Zeit noch etwas rückständig, was durch das neue System geändert werden soll. Nur so können wir auch in den HR-Prozessen als ein führendes Unternehmen wahrgenommen werden." (bw)