Change-Management

Mitarbeiterführung vor Carve-Out, De-Merger & Co.

10.08.2015
Von 
Michael Riermeier schreibt als Experte über die strategisch-organisatorischen Fragen von IT-Transformations- und Großprojekten. Der Unternehmer und Geschäftsführer der Strategie- und Organisationsberatung RF /F hat bereits zahlreiche Großunternehmen aus IT, Finanzwirtschaft und Dienstleistungsgewerbe bei Change- und Outsourcing-Vorhaben unterstützt.
Wo Organisationen getrennt werden sollen, entstehen Unruhe und das Risiko, dass Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Dieses Management-Modell begrenzt beides.

Erst HP und e-bay, dann Symantec, künftig vielleicht EMC: Das Auftrennen von IT-Unternehmen hat derzeit wieder Konjunktur. Für die betroffenen IT-Manager mag das - je nach Unternehmen - eine gute oder eine schlechte Nachricht sein. Immer und vor allem aber bedeutet es viel zusätzliche Belastung: Carve-Outs, De-Mergers oder Spin-Offs erzeugen in der Regel viel Erwartungs- und Zeitdruck. Und sie verursachen jede Menge zusätzlicher Planungs- und Projektarbeit.

Vor und während einer Trennung heißt es für Führungskräfte, ihre Mitarbeiter situationsbedingt richtig durch diese Phase weiter zu "führen".
Vor und während einer Trennung heißt es für Führungskräfte, ihre Mitarbeiter situationsbedingt richtig durch diese Phase weiter zu "führen".
Foto: DOC RABE Media - Fotolia.com

Das verleitet nicht wenige Führungskräfte dazu, schon während der Vorbereitung solcher Trennungsvorhaben ihre eigentliche Aufgabe - das Führen von Mitarbeitern - "hintanzustellen." Das ist fast nie eine gute Idee.

Gesucht: "Gute Führung" während der Trennung

Im Gegenteil: Wer Führungstätigkeiten hinter Projektarbeit zurückstellt, macht in der Regel einen Fehler. Denn Trennungsvorhaben sorgen fast immer für Ungewissheit und Unruhe. Werden diese nicht schon im Vorfeld durch gezielte Führungsmaßnahmen begrenzt, wächst das Risiko, dass Mitarbeiter das Unternehmen verlassen und dadurch im schlimmsten Fall das ganze Vorhaben gefährden.

Besser verfährt deshalb wer versucht, die "Mitte" zwischen projektbezogener und Mitarbeiter-gerichteter Arbeit zu treffen - und dabei zudem genau diejenigen Führungsmaßnahmen umzusetzen, die am besten zur jeweiligen Projektphase passen.

Bei Letzterem kann das nachfolgend beschriebene Drei-Phasen-Modell helfen. Es eignet sich sowohl für große Trennungsvorhaben wie Carve-Outs, De-Merger oder Spin-Offs, aber auch für die Restrukturierung von Abteilungen oder das Umsetzen von Outsourcing-Projekten.

Phase eins: Vorbereitung - ermitteln Sie die Leistungsträger

Während der ersten Phase einer solchen Vorbereitung planen die Hauptverantwortlichen die bevorstehende Veränderung zunächst strategisch. Das macht meist ein Höchstmaß an Vertraulichkeit erforderlich, weshalb der Kreis der Beteiligten meist sehr klein bleibt.
Führungskräfte sollten diese "Ruhe" nutzen - und ihren Verantwortungsbereich gezielt nach besonders wertvollen Leistungsträgern durchsuchen, die unbedingt gehalten werden sollten.

Beschränken Sie sich dabei keinesfalls auf die "üblichen Verdächtigen" wie Führungskräfte, High Potentials oder Fachexperten. Entwickeln Sie stattdessen ein standardisiertes Verfahren für das Bewerten aller Mitarbeiter. Die Erfahrung lehrt, dass in einer Organisationseinheit meist erheblich mehr Leistungsträger unterwegs sind als auf den ersten Blick erkennbar.
Wenn Sie sämtliche Leistungsträger ermittelt haben, sollten Sie sie so früh wie möglich ansprechen und in den weiteren Ablauf einbeziehen. So machen Sie die Betreffenden nämlich zu Unterstützern und stimmen sie dadurch "pro Change" - ein Vorteil, der die nächsten Schritte erheblich erleichtern kann.

Phase zwei: Konkretisierung - schaffen Sie Klarheit

Phase zwei beginnt, wenn das Trennungsvorhaben beschlossen wurde und machbare Optionen für das Aufspalten gefunden sind (beispielsweise mehrere Kaufinteressenten). Jetzt beginnen die "Eingeweihten" im Unternehmen meist, über ihre persönliche Zukunft in der künftigen Organisation nachzudenken. Manch einer gerät sogar in Versuchung, den weiteren Auswahlprozess gezielt und zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen.

Daraus ergibt sich ein erster Handlungsbedarf in Sachen Führung: Schaffen Sie jetzt schnellstmöglich Klarheit über den weiteren Verlauf des Vorhabens, um unerwünschte Einflussnahmen und Unruhe zu vermeiden. Erklären Sie allen einzuweihenden Stakeholdern unmissverständlich, wer welche Entscheidungen treffen kann und wer wann, was und zu wem über das Vorhaben sagen darf - und wer nicht. Erstellen Sie für größere Vorhaben unbedingt einen schriftlichen Verlaufsplan, um die einmal geschaffene Klarheit zu sichern.

Phase drei: Projektierung - entwickeln und unterbreiten Sie Halteangebote

In der dritten Phase wählen die Verantwortlichen in der Regel die günstigste Option für die Umsetzung der Veränderung. Damit werden alle bisherigen Pläne konkret. Führungskräfte sollten spätestens jetzt damit beginnen, die während der ersten Phase ermittelten Schlüsselmitarbeiter über das Vorhaben zu informieren, und dabei darauf hinarbeiten, diese im Unternehmen - oder einem der künftigen Unternehmen - zu halten.

Sie erreichen beide Ziele am besten, indem Sie frühzeitig zwei Gespräche mit den Mitarbeitern vereinbaren. Nutzen Sie das erste ausschließlich dafür, um die Ziele, Wünsche und Sorgen jedes Einzelnen zu ermitteln. Entwickeln Sie dann auf Grund dieses Wissens entsprechend strukturierte Halteangebote. Wichtig ist hierbei: diese müssen nicht nur aus Gehaltsverbesserungen bestehen, sondern können auch neue Entwicklungs- und Verantwortungsmöglichkeiten umfassen, die aus dem Trennungsvorhaben heraus entstehen.
Nehmen Sie diese Angebote anschließend mit in das zweite Gespräch - und informieren Sie jetzt ausführlich über das Trennungsvorhaben und die Möglichkeiten, die sich daraus für die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter ergeben.

Im besten Falle stimmt Ihr Gegenüber dem Angebot zu - und Sie können das jetzt bevorstehende, eigentliche Change-Vorhaben gemeinsam angehen. (bw)