Microsoft Work Trend Index 2024

Mitarbeiter interessiert, Unternehmen ohne KI-Plan

14.05.2024
Von 
Matthew Finnegan lebt in Großbritannien und schreibt für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld zu den Thema Collaboration und Enterprise IT.
Wie Microsofts neuer Work Trend Index zeigt, setzen sich die Mitarbeiter mit GenAI-Tools auseinander. Allerdings sind die Führungskräfte nicht davon überzeugt, dass eine richtige Einsatzstrategie existiert.
Während das Interesse der Mitarbeiter in GenAI geweckt ist, steht der schwierige Teil, die Nutzung in Business Value umzuwandeln, oft noch aus.
Während das Interesse der Mitarbeiter in GenAI geweckt ist, steht der schwierige Teil, die Nutzung in Business Value umzuwandeln, oft noch aus.
Foto: G-Stock Studio - shutterstock.com

Generative KI-Tools (GenAI) werden am Arbeitsplatz immer häufiger eingesetzt, aber Führungskräfte sind besorgt, dass ihre Unternehmen keine Strategie haben, um die Technologie einzusetzen. Das geht aus einer Microsoft-Umfrage unter 31.000 Beschäftigten in 31 Ländern hervor, die im jährlichen Work Trend Index Report des Unternehmens veröffentlicht wurde.

Wie die gemeinsam mit LinkedIn durchgeführte Umfrage ergab, nutzen bereits drei Viertel der Befragten (Deutschland 69 Prozent) die Tools bei ihrer Arbeit - fast doppelt so viele wie noch vor sechs Monaten. Als Gründe für den Einsatz erklärten die Beschäftigten,

  • dass KI Zeit spart,

  • es ihnen ermöglicht, sich auf wichtigere Aufgaben zu konzentrieren,

  • mehr Kreativität zulässt und

  • sie mehr Spaß an der Arbeit haben lässt.

Allerdings nutzen mehr als drei Viertel (78 Prozent; Deutschland: 71 Prozent) der Büroangestellten dabei ihre eigenen KI-Tools - ein Phänomen, das als Bring Your Own AI (BYOAI) bekannt ist. Sie verpassen so die Vorteile, die sich aus einem strategischen Einsatz von KI in großem Maßstab ergeben, und setzen Unternehmensdaten einem Risiko aus.

Fehlende KI-Vision

Auch Führungskräfte sehen das Potenzial der Technologie, haben aber oftmals Vorbehalte. So glauben einerseits 79 Prozent der befragten Führungskräfte (Deutschland: 77 Prozent), dass ihr Unternehmen KI einsetzen muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auf der anderen Seite sind jedoch 60 Prozent (Deutschland: 55 Prozent) der Überzeugung, dass ihrem Unternehmen eine Vision und ein Plan für die Umsetzung von KI in ihrer Belegschaft fehlen.

"Wir kommen jetzt zum schwierigen Teil jeder technologischen Disruption, nämlich dem Übergang von der Experimentierphase zur Umsetzung im Business", beschreibt Colette Stallbaumer, Geschäftsführerin von Copilot und Mitbegründerin von Work Lab bei Microsoft, die gegenwärtige Situation. "Während die Führungskräfte zustimmen, dass der Einsatz von KI ein geschäftlicher Imperativ ist, und viele sagen, dass sie niemanden ohne KI-Kenntnisse einstellen würden, glauben sie auch, dass es ihren Unternehmen an einer Vision und einem Plan fehlt, um KI auf breiter Basis einzuführen."

Hohes Interesse - aber auch Sorgen

Auch Analysten sind der Auffassung, dass viele Unternehmen mit dem Einsatz von KI vorsichtig umgehen, obwohl das Interesse am Potenzial der KI groß ist. "Die meisten Unternehmen sind daran interessiert, KI zu testen und einzusetzen, aber sie wissen nicht, wo und wie sie den größten Nutzen daraus ziehen können", erklärt Carolina Milanesi, Präsidentin und Chefanalystin bei Creative Strategies. "Die Sicherheit ist dabei eine der größten Sorgen", so Milanesi weiter, "und bis das geklärt ist, ist es für Unternehmen einfacher, den Zugang zu sperren.

"Wenn Unternehmen mit dem Einsatz von KI beginnen, stehen IT-Teams vor großen Anforderungen", fügt der Branchenanalyst Josh Bersin hinzu. Sie müssten sicherstellen, dass Datenqualität und Sicherheitsstandards vorhanden sind, sich mit dem europäischen AI Act vertraut machen, Governance einführen und dabei helfen, Anbieter und Tools möglichst zu standardisieren. "Bei all dieser notwendigen Vorarbeit wird es wahrscheinlich ein Jahr oder länger dauern, bis Unternehmen eine umfassende Strategie für GenAI entwickeln können", so Bersin.

Die Suche nach dem Business Value von GenAI

Ein weiterer Knackpunkt ist die Bestimmung des Wertes und die Sicherstellung des Return on Invest (ROI) von KI. So sind die Funktionen von GenAI, laut einer aktuellen Gartner-Umfrage der Schwerpunkt der meisten neueren KI-Initiativen in Unternehmen, nicht billig. Bei den auf Unternehmen ausgerichteten KI-Assistenten von Microsoft und Google können bis zu 30 Dollar pro Nutzer und Monat anfallen. Anbieter mit einem begrenzteren Fokus verlangen in der Regel weniger. Slack AI etwa kostet nicht unerhebliche zusätzliche 10 Dollar pro Nutzer und Monat. Hinzu kommen eventuell noch hohe Kosten für die Schulung von Mitarbeitern.

Den Wert von KI-Projekten zu demonstrieren, wird laut der Gartner-Umfrage als größtes Hindernis für die Einführung von KI genannt. "Wollen Unternehmen KI skalieren, müssen sie die Gesamtbetriebskosten ihrer Projekte sowie das breite Spektrum an Vorteilen jenseits der Produktivitätssteigerung berücksichtigen", erklärt Leinar Ramos, Senior Director Analyst bei Gartner.

Die Umfrage von Microsoft zeichnet ein ähnliches Bild. Die Mehrheit der Führungskräfte (59 Prozent, Deutschland: 55 Prozent) ist sich nicht sicher, ob ihr Unternehmen in der Lage ist, die Produktivitätssteigerung durch den Einsatz von KI zu quantifizieren. "Die Kosten sind der eigentliche Knackpunkt", stimmt Milanesi zu, "denn die Unternehmen wissen nicht, welche Resultate sie vom Einsatz von generativer KI erwarten können."

Analystenkollege Bersin wiederum berichtet, dass viele Unternehmen bei ersten Versuchen mit generativen KI-Tools Produktivitätsverbesserungen festgestellt hätten. Der Wechsel zu einem breiteren, unternehmensweiten Einsatz erfordere allerdings eine genauere Betrachtung des Wertes, den sie liefern können. "Wenn es zu massiven Anschaffungen im gesamten Unternehmen kommt, wird es sicher viele Diskussionen über den ROI geben, denn diese Tools sind teuer", so Bersin.

Microsoft selbst verweist in seinem Bericht auf die Resultate einer sechsmonatigen Kontrollstudie mit 60 Copilot-Kunden und 3.000 Beschäftigten. Die Ergebnisse:

  • 11 Prozent weniger Zeitaufwand für das Lesen von E-Mails,

  • 4 Prozent weniger Zeit für die Bearbeitung von E-Mails sowie

  • 10 Prozent mehr bearbeitete Dokumente in Word, Excel und PowerPoint.

Die Auswirkungen auf die Anzahl der Besprechungen waren weniger eindeutig; bei einigen Unternehmen stieg sie, bei anderen sank sie.

Mitarbeiterzufriedenheit statt Zeitersparnis

"Man neigt dazu, sich bei der Bewertung von GenAI-Tools auf die Zeitersparnis zu konzentrieren, erklärt Milanesi, aber das ist vielleicht nicht der beste Ansatz. Der eigentliche Wert liege in der verbesserten Qualität der Arbeit und der höheren Zufriedenheit der Arbeitnehmer, so Milanesi: "Das führt zu mehr Engagement bei der Arbeit und damit zu besserer Arbeit".

Fördert ein Tool das Engagement der Mitarbeiter, spielen die Kosten eine geringere Rolle. "Denken Sie an die Kosten, die entstehen, wenn ein Arbeitnehmer kündigt oder wenn jemand im Job bleibt und sich nicht engagiert", führt sie an. Gleichzeitig sei es möglich, dass einige KI-Tools für bestimmte Aufgabenbereiche besser geeignet sind als andere. "Die Frage für jede Führungskraft ist, welches Maß an KI für das jeweilige Talent geeignet ist. Wie bei PCs braucht nicht jeder das Spitzenmodell."

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der US-Schwesterpublikation Computerworld.