Industralisiert zum Rollout

Mit Standards bei globalen Implementierungen Geld sparen

04.12.2014
Von  und
Stephan Bode, Partner bei Infosys Lodestone, verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung mit der Planung, Umsetzung und Durchführung von globalen Business Transformationsprojekten. Obwohl diese Projekte häufig mit einer Einführung eines ERP Systems verknüpft sind, hat Herr Bode nicht nur Consulting Teams geführt sondern auch Business Prozess Organisationen aufgebaut und geleitet.


Tulca Ertüzün ist Associate Partner bei Infosys Lodestone und seit 17 Jahren in der Unternehmesberatung tätig. Er ist studierter Diplom Informatiker (FH) und besitzt einen MBA Titel der Universität Würzburg und Boston School of Management. Sein Schwerpunkt liegt im Management von internationalen Business Transformationsprogrammen in der Automobil, Fertigungs und Konsum Lebensmittelindustrie. Seine Erfahrung als Projektmanager und IT Berater lies er sich bei PMI (PMP-Titel), SAP (ASAP Project Manager) und ITIL (Itil Expert) zertifizieren.
Software-Rollouts - vor allem in großem Stil, wollen vorbereitet sein. Hier lesen Sie einige Ratschläge, wie eine solche Planung aussehen kann.
Software Rollouts lassen sich - ähnlich wie Produktionsabläufe - in einzelne Teile zerlegen. Anschließend lassen sich die jeweiligenTeilelemente je nach Gebrauch abrufen und installieren.
Software Rollouts lassen sich - ähnlich wie Produktionsabläufe - in einzelne Teile zerlegen. Anschließend lassen sich die jeweiligenTeilelemente je nach Gebrauch abrufen und installieren.
Foto: Denis Junker - Fotolia.com

Wenn Großunternehmen große Rollouts ausführen - also beispielsweise 20 oder sogar 100 neue Standorte mit einem ERP-System versorgen - sollte eigentlich alles wie am Schnürchen laufen. Schließlich sind die Prozesse bekannt und müssten nur konsequent vor Ort zum Leben erweckt werden. In der Praxis jedoch wird das Rad stets neu erfunden und entsprechende Initiativen ziehen sich über Jahre hin.

Schuld daran ist nicht zuletzt der traditionelle, projektorientierte Ansatz bei dem stets wiederkehrende Aufgaben als komplett neue Herausforderung angegangen werden. Die Folge sind fast immer Kosten- und Zeitpläne, die vollkommen aus dem Ruder laufen. Mit jeder Verzögerung aber steigt die Komplexität des Gesamtvorhabens weiter an, so dass die ehrgeizigen Ziele dann erst recht in weite Ferne rücken.

Dabei wäre es durchaus von Vorteil, einen Blick auf die Welt der Maschinen zu werfen und auf Methoden zurückzugreifen, die sich dort seit langem bewährt haben. So verdankt die Industrialisierung laut einschlägiger Quellen ihren Erfolg der "Erzeugung von Massengütern bei großgewerblich arbeitsteiliger Produktionsorganisation mit wachsendem Maschineneinsatz." Es liegt also nahe, die Implementierung umfangreicher IT-Systeme nach dem Prinzip eines industrialisierten Rollouts auszuführen.

Arbeitsteilung schafft Effizienz

Nun ist das Ausrollen von Softwarelösungen stark von den Menschen getrieben, was auf den ersten Blick Zweifel an der Übertragbarkeit auf Rollout-Projekte weckt. Das Massengut, was diese hervorbringen sollen, sind jedoch gut geschulte User mit einem perfekt ausgeprägten System, einer angepassten Organisation und in idealer Form bereitgestellten Daten. Davon ausgehend zeigen sich in vielen Bereichen interessante Parallelen. So ist eine effiziente Fabrik in der Regel nach Fertigungslinien organsiert, die gemäß der Wertschöpfung angelegt sind.

So wie mit der Industrialisierung die Produktion von Gütern in immer kleinere Teile zergliedert wurde, kann auch ein Rollout-Prozess "industrialisiert" werden. Dazu entwickelt das Unternehmen ein Template, in dem sämtliche Schritte so festgehalten werden, dass sie sich ohne Probleme in stets gleicher Form wiederholen lassen. Im Zuge einer solchen Industrialisierung können einzelne Linien aus dem Gesamtsystem gelöst und als interne Dienstleistung dem Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Da sämtliche Parameter - vom Ressourceneinsatz über den Zeitrahmen bis hin zur Qualität - klar definiert sind, kommt es dabei nicht zu unliebsamen Überraschungen. Zugleich können einzelne Teilaspekte - wie in einer Fabrik - den Marktgegebenheiten angepasst werden: Bei zusätzlicher Nachfrage nach Trainings - etwa weil neues Personal eingestellt wurde - können flexibel einzelne Dienstleistungen abgerufen werden. Das gibt Unternehmen die Möglichkeit, den Bedarf einzelner Abteilungen nach IT-Services schneller und kostengünstiger gerecht zu werden. Mit Hilfe eines solchen "Fahrplans" lassen sich außerdem gleich mehrere Projekte parallel ausführen.

Soll etwa ein ERP-System in verschiedene Niederlassungen gebracht werden, so kümmert sich die erste "Fertigungslinie" um das Fit Gap: Ausführlich wird geprüft, inwiefern das Template zu den Gegebenheiten vor Ort passt. Die zweite Linie führt die Lokalisierung durch. So wie die einzelnen Montageschritte mitsamt ihren Besonderheiten in der Fabrik bekannt sein müssen, sollte das Rollout-Team auch mit den besonderen Spielregeln einer Branche, eines Landes oder einer bestimmten Niederlassung vertraut sein. Zu diesem Schritt gehören neben solchen Aspekten eher operative Fragen wie das Pflegen von Disponentenschlüsseln und das Anlegen von Lagerorten. Hierzu ist es wichtig, dass die dazugehörigen "Spielregeln" der Fertigungslinie bekannt sind. Die dritte Linie kümmert sich schließlich um das Testen, die vierte um die eigentliche Migration und die fünfte um Schulungen, die in Standardform zuvor konzipiert wurden.

Erst durch eine solche Arbeitsteilung lassen sich die Vorteile der Industrialisierung von Rollout-Projekten nutzen. Wie in einer Fabrik sind dabei Entwicklung und Fertigung streng voneinander getrennt. Auch dieser Punkt ist für den Erfolg eines solchen Projekts von zentraler Bedeutung. Schließlich bringt jedes neue Ereignis - vom in letzter Minute implementierten Feature bis zur veränderten Anforderung - das Gesamtprojekt in Zeitschwierigkeiten. So wie in der Fertigung mit einem eingefrorenen Produktionsplan gearbeitet wird, muss auch hier die Roadmap einzelne Momente vorsehen, bis zu denen Änderungen zwingend abgeschlossen sein müssen.

Während eines Rollouts werden in der industrialisierten Variante nicht klassische Projektmanagementzahlen wie die "Estimated time to completion" betrachtet. Entscheidend sind vielmehr Key-Performance-Indikatoren, die in ähnlicher Form auch in einem produzierenden Betrieb relevant wären: Etwa die "Stückzahl", also die Anzahl der bereits migrierten Objekte, abgearbeiteten Testfälle oder durchgeführten Schulungen - insbesondere im Vergleich zur geplanten Menge. Demnach agiert der verantwortliche Manager auch nicht als "Projekt Manager" sondern eher als "Fertigungsleiter".

Das Prinzip des industrialisierten Rollouts sollte jedoch niemals isoliert betrachtet werden. Um an 100 Standorten pro Jahr die Softwarelandschaft zu verändern, muss das Unternehmen zugleich eine effiziente, aber schlanke Managementorganisation aufbauen. So bedarf es für das Management der einzelnen "Fertigungslinien" einer zentralen Leitstelle, die die Aktivitäten in den verschiedenen Ländern koordiniert. Zugleich ist es wichtig, dass ein solcher Rollout von einem gutem, mitarbeiterorientierten Change Management begleitet wird. Schließlich betreffen die Änderungen weite Teile eines Unternehmens und müssen den Mitarbeitern vermittelt werden.

Kostensicherheit durch Servicekataloge

Die Anbieter von IT-Dienstleistungen und Beratungshäuser erstellen im Rahmen von industrialisierten Rollouts einen so genannten Servicekatalog, in dem alle Dienstleistungen aufgelistet sind. Dabei werden nicht nur komplette Rollouts, klassifiziert nach Komplexität, in diesen Katalog aufgenommen, sondern auch einzelne Teilelemente wie das Erstellen eines zusätzlichen Programms. Dies bietet dem Kunden nicht nur größtmögliche Flexibilität sondern auch Kostensicherheit und Effizienz bei der Durchführung.

Im Prinzip lassen sich Rollouts nach diesem Prinzip beliebig skalieren. Allerdings ergeben sich in der Praxis immer wieder Einschränkungen, die dem guten Ansatz zuwider laufen. So fehlen oft Mitarbeiter, die über das entsprechende Hintergrundwissen verfügen, um einen Rollout tatsächlich "industrialisiert" auszuführen. Zum anderen sind Geschäftsmodelle von Land zu Land häufig heterogener, als es zunächst den Eindruck macht. Dann aber sind weitaus mehr Templates nötig, als ursprünglich geplant.

Das ideale Beratungshaus sollte deshalb nicht nur in Sachen IT und Implementierung über die entsprechende Erfahrung verfügen, sondern auch mit Branchen-Know-how die Prozesse des Unternehmens optimieren können. (bw)