Wenn Großunternehmen große Rollouts ausführen - also beispielsweise 20 oder sogar 100 neue Standorte mit einem ERP-System versorgen - sollte eigentlich alles wie am Schnürchen laufen. Schließlich sind die Prozesse bekannt und müssten nur konsequent vor Ort zum Leben erweckt werden. In der Praxis jedoch wird das Rad stets neu erfunden und entsprechende Initiativen ziehen sich über Jahre hin.
Schuld daran ist nicht zuletzt der traditionelle, projektorientierte Ansatz bei dem stets wiederkehrende Aufgaben als komplett neue Herausforderung angegangen werden. Die Folge sind fast immer Kosten- und Zeitpläne, die vollkommen aus dem Ruder laufen. Mit jeder Verzögerung aber steigt die Komplexität des Gesamtvorhabens weiter an, so dass die ehrgeizigen Ziele dann erst recht in weite Ferne rücken.
Dabei wäre es durchaus von Vorteil, einen Blick auf die Welt der Maschinen zu werfen und auf Methoden zurückzugreifen, die sich dort seit langem bewährt haben. So verdankt die Industrialisierung laut einschlägiger Quellen ihren Erfolg der "Erzeugung von Massengütern bei großgewerblich arbeitsteiliger Produktionsorganisation mit wachsendem Maschineneinsatz." Es liegt also nahe, die Implementierung umfangreicher IT-Systeme nach dem Prinzip eines industrialisierten Rollouts auszuführen.
Arbeitsteilung schafft Effizienz
Nun ist das Ausrollen von Softwarelösungen stark von den Menschen getrieben, was auf den ersten Blick Zweifel an der Übertragbarkeit auf Rollout-Projekte weckt. Das Massengut, was diese hervorbringen sollen, sind jedoch gut geschulte User mit einem perfekt ausgeprägten System, einer angepassten Organisation und in idealer Form bereitgestellten Daten. Davon ausgehend zeigen sich in vielen Bereichen interessante Parallelen. So ist eine effiziente Fabrik in der Regel nach Fertigungslinien organsiert, die gemäß der Wertschöpfung angelegt sind.
So wie mit der Industrialisierung die Produktion von Gütern in immer kleinere Teile zergliedert wurde, kann auch ein Rollout-Prozess "industrialisiert" werden. Dazu entwickelt das Unternehmen ein Template, in dem sämtliche Schritte so festgehalten werden, dass sie sich ohne Probleme in stets gleicher Form wiederholen lassen. Im Zuge einer solchen Industrialisierung können einzelne Linien aus dem Gesamtsystem gelöst und als interne Dienstleistung dem Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Da sämtliche Parameter - vom Ressourceneinsatz über den Zeitrahmen bis hin zur Qualität - klar definiert sind, kommt es dabei nicht zu unliebsamen Überraschungen. Zugleich können einzelne Teilaspekte - wie in einer Fabrik - den Marktgegebenheiten angepasst werden: Bei zusätzlicher Nachfrage nach Trainings - etwa weil neues Personal eingestellt wurde - können flexibel einzelne Dienstleistungen abgerufen werden. Das gibt Unternehmen die Möglichkeit, den Bedarf einzelner Abteilungen nach IT-Services schneller und kostengünstiger gerecht zu werden. Mit Hilfe eines solchen "Fahrplans" lassen sich außerdem gleich mehrere Projekte parallel ausführen.
Hier stellen wir Ihnen die fünf besten Systemhäuser im Segment "Software Infrastruktur" vor. Basis ist die Bewertung von knapp 280 Projekten, die wir im Rahmen unserer Studie zur "Zufriedenheit der Anwender mit ihren Systemhauspartner" erhoben haben. Die Anwender konnten Noten zwischen eins (sehr gut) und sechs (sehr schlecht) vergeben.- Platz 5: Cancom
Note 1,57 <br/><br/> Vorjahr Ranking <br> Platz: - <br> Note: - - Platz 4: SVA System Vertrieb Alexander
Note 1,40 <br/><br/> Vorjahr Ranking <br> Platz: 1 <br> Note: 1,32 - Platz 3: Netgo
Note 1,28 <br/><br/> Vorjahr Ranking <br> Platz: - <br> Note: - - Platz 2: Krämer IT
Note 1,19 <br/><br/> Vorjahr Ranking <br> Platz: - <br> Note: - - Platz 1: IT-Haus
Note 1,13 <br/><br/> Vorjahr Ranking <br> Platz: 2 <br> Note: 1,45
Soll etwa ein ERP-System in verschiedene Niederlassungen gebracht werden, so kümmert sich die erste "Fertigungslinie" um das Fit Gap: Ausführlich wird geprüft, inwiefern das Template zu den Gegebenheiten vor Ort passt. Die zweite Linie führt die Lokalisierung durch. So wie die einzelnen Montageschritte mitsamt ihren Besonderheiten in der Fabrik bekannt sein müssen, sollte das Rollout-Team auch mit den besonderen Spielregeln einer Branche, eines Landes oder einer bestimmten Niederlassung vertraut sein. Zu diesem Schritt gehören neben solchen Aspekten eher operative Fragen wie das Pflegen von Disponentenschlüsseln und das Anlegen von Lagerorten. Hierzu ist es wichtig, dass die dazugehörigen "Spielregeln" der Fertigungslinie bekannt sind. Die dritte Linie kümmert sich schließlich um das Testen, die vierte um die eigentliche Migration und die fünfte um Schulungen, die in Standardform zuvor konzipiert wurden.
Erst durch eine solche Arbeitsteilung lassen sich die Vorteile der Industrialisierung von Rollout-Projekten nutzen. Wie in einer Fabrik sind dabei Entwicklung und Fertigung streng voneinander getrennt. Auch dieser Punkt ist für den Erfolg eines solchen Projekts von zentraler Bedeutung. Schließlich bringt jedes neue Ereignis - vom in letzter Minute implementierten Feature bis zur veränderten Anforderung - das Gesamtprojekt in Zeitschwierigkeiten. So wie in der Fertigung mit einem eingefrorenen Produktionsplan gearbeitet wird, muss auch hier die Roadmap einzelne Momente vorsehen, bis zu denen Änderungen zwingend abgeschlossen sein müssen.
Während eines Rollouts werden in der industrialisierten Variante nicht klassische Projektmanagementzahlen wie die "Estimated time to completion" betrachtet. Entscheidend sind vielmehr Key-Performance-Indikatoren, die in ähnlicher Form auch in einem produzierenden Betrieb relevant wären: Etwa die "Stückzahl", also die Anzahl der bereits migrierten Objekte, abgearbeiteten Testfälle oder durchgeführten Schulungen - insbesondere im Vergleich zur geplanten Menge. Demnach agiert der verantwortliche Manager auch nicht als "Projekt Manager" sondern eher als "Fertigungsleiter".
Das Prinzip des industrialisierten Rollouts sollte jedoch niemals isoliert betrachtet werden. Um an 100 Standorten pro Jahr die Softwarelandschaft zu verändern, muss das Unternehmen zugleich eine effiziente, aber schlanke Managementorganisation aufbauen. So bedarf es für das Management der einzelnen "Fertigungslinien" einer zentralen Leitstelle, die die Aktivitäten in den verschiedenen Ländern koordiniert. Zugleich ist es wichtig, dass ein solcher Rollout von einem gutem, mitarbeiterorientierten Change Management begleitet wird. Schließlich betreffen die Änderungen weite Teile eines Unternehmens und müssen den Mitarbeitern vermittelt werden.
- Zehn spektakuläre Softwarefehler
Obamacare-Desaster, Nasdaq-Ausfall und drohender Energienetz-Black-out: Im Jahr 2013 gab es einige bemerkenswerte Pannen, die von Softwarefehlern verursacht wurden. - 1. Start von "Obamacare": Software schluckt ein Drittel der Versicherungsanträge
Die politisch hoch kontroverse Krankenversicherung "Obamacare" in den USA schlug bei ihrem Start erneut hohe Wellen. Das für die Umsetzung der Versicherung zuständige Gesundheitsportal sah sich im vergangenen Herbst gleich mehrfach Kritik an seiner Software ausgesetzt. Der gravierendste Mangel: Rund ein Drittel der Versicherungsanträge konnte zunächst nicht weiter verarbeitet werden. Aufgrund von Software-Fehlern blieben die im Portal ausgefüllten Antragsformulare liegen und erreichten die zuständigen Versicherer nicht. Grund war unter anderem eine Systemroutine, die das Eintragen der Sozialversicherungsnummer unterband. - 2. Fast-Blackout des nationalen Stromnetzes in Österreich
Eine einfache Zählerstandsabfrage hat das österreichische Stromnetz im Mai vergangenen Jahres an den Rand eines völligen Zusammenbruchs gebracht und damit auch Stromnetze in anderen europäischen Ländern gefährdet. Dabei hatte sich zunächst ein Steuerungsbefehl bei der Inbetriebnahme eines neuen Erdgas-Leitsystems in Süddeutschland in das Steuerungssystem der europäischen Stromnetze verirrt, sich dort multipliziert und dadurch den Strombetrieb fast zum Absturz gebracht. Der Selbstläufer glich dabei einer sogenannten "Distributed Denial of Service"-Attacke (DDoS), bei der Angreifer einen Server durch eine Flut von Anfragen in die Knie zwingen. - 3. Private Daten von sechs Millionen Mitgliedern eines sozialen Netzwerks weitergegeben
Die Software-Panne, die 2013 die meisten Schlagzeilen produzierte, geht auf das Konto eines der weltweit führenden sozialen Netzwerke. Dabei gelangten die privaten Kontaktdaten von rund sechs Millionen seiner Mitglieder in Umlauf. Ihre E-Mail-Adressen und Telefonnummern waren für etwa ein Jahr auch für Unbefugte einsehbar. Ursache war ein Software-Fehler in einem System des Netzwerks, das Empfehlungen für neue Freundschaftsanfragen generierte. - 4. Deutsche Universität "entlässt" 48.000 Studenten und Mitarbeiter
"In zwölf Tagen wird Ihr Login gesperrt. Dies geschieht, weil Sie als Student exmatrikuliert worden sind, als Mitarbeiter Ihr Vertrag geendet hat oder die Gültigkeit Ihres Gastlogins abläuft." Diese E-Mail erhielten 37.000 Studenten und 11.000 Mitarbeiter einer großen deutschen Universität an einem Sonntagmorgen letzten Jahres. Ein Software-Fehler im Rechenzentrum der Universität zeichnete für diese Fehlinformation verantwortlich. So führten Probleme beim Datenabgleich der Personal- und Studentendaten dazu, dass die E-Mail in Umlauf gebracht wurde. - 5. Vorbereitung auf SEPA: Banken überweisen Geldbeträge doppelt
Bei Tausenden von Kunden überwies ein regionaler Bankenverbund in Deutschland Geldbeträge doppelt. Betroffen waren die Daueraufträge der Kunden. Zudem führten die Geldinstitute viele Überweisungen nicht am ursprünglich festgelegten Bearbeitungstag aus. Ursache war ein Software-Fehler in einem neuen Programm, das die Konten auf den neuen Standard des einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrs (SEPA) umstellte. Bei dieser Umstellung wurden die neuen SEPA-konformen Daueraufträge im System erfolgreich eingerichtet, die alten jedoch nicht gelöscht. - 6. Handel an der US-Börse Nasdaq für drei Stunden lahmgelegt
Rund drei Stunden ging beim Options- und Aktienhandel an der New Yorker Nasdaq nichts mehr. Software-Fehler sorgten im vergangenen August zweieinhalb Stunden nach Börsenstart für diesen Totalausfall. Ausgangspunkt der Probleme war der sogenannte "Securities Information Processor", der die Aktienkurse mit anderen Börsen austauscht. Während des Stillstands fror der Börsenbetreiber alle Kurse und Notierungen vorübergehend ein. - 7. Neuer Hochgeschwindigkeitszug kommt zwei Jahre verspätet aufs Gleis
Ein großer europäischer Bahnbetreiber musste auf 16 neue Hochgeschwindigkeitszüge rund zwei Jahre länger warten als ursprünglich mit dem Hersteller vereinbart. Die bestellten Hightech-Züge einer neuen Baureihe verspäteten sich unter anderem dadurch, dass ein Software-Fehler die fristgemäße Abnahme durch die Behörden verzögerte. Der Fehler in der Zugsteuerung sorgte dafür, dass sich die Bremsen nur mit einer Verspätung von einer Sekunde aktivieren ließen. Zuvor hatten bereits andere Probleme mit den Bremsen oder zum Beispiel der Klimaanlage den ursprünglich geplanten Liefertermin platzen lassen. - 8. Hunderte Flugausfälle und -verspätungen durch Telefon-Crash
Nachdem ein Software-Fehler das interne Telefonsystem einer großen europäischen Luftsicherheitszentrale lahmlegte, kämpften Passagiere und Fluggesellschaften mit erheblichen Verspätungen. Hunderte Flüge mussten ganz ausfallen. 1.300 Flüge und damit acht Prozent des europäischen Luftverkehrs wiesen zum Teil mehrstündige Verspätungen auf. Durch den Telefon-Crash, der zwölf Stunden lang anhielt, konnte die Behörde die Flüge dieses Tages nur verzögert oder gar nicht bearbeiten. Der Fehler trat auf, als die Systeme am frühen Morgen vom Nacht- auf den Tagbetrieb umgestellt wurden. - 10. Neue Logistik-Software bremst Ersatzteile fürs Auto aus
Die Werkstattkunden eines großen deutschen Autoherstellers mussten sich im vergangenen Jahr zum Teil wochenlang gedulden, bis sie benötigte Ersatzteile erhielten. Grund war eine Software-Umstellung im zentralen Logistiksystem des Autounternehmens. In den Tagen und Wochen nach der Umstellung baute sich ein Lieferrückstand von bis zu 200.000 Einzelteilen auf. Weltweit waren rund 5.000 Händler und Niederlassungen betroffen.
Kostensicherheit durch Servicekataloge
Die Anbieter von IT-Dienstleistungen und Beratungshäuser erstellen im Rahmen von industrialisierten Rollouts einen so genannten Servicekatalog, in dem alle Dienstleistungen aufgelistet sind. Dabei werden nicht nur komplette Rollouts, klassifiziert nach Komplexität, in diesen Katalog aufgenommen, sondern auch einzelne Teilelemente wie das Erstellen eines zusätzlichen Programms. Dies bietet dem Kunden nicht nur größtmögliche Flexibilität sondern auch Kostensicherheit und Effizienz bei der Durchführung.
Im Prinzip lassen sich Rollouts nach diesem Prinzip beliebig skalieren. Allerdings ergeben sich in der Praxis immer wieder Einschränkungen, die dem guten Ansatz zuwider laufen. So fehlen oft Mitarbeiter, die über das entsprechende Hintergrundwissen verfügen, um einen Rollout tatsächlich "industrialisiert" auszuführen. Zum anderen sind Geschäftsmodelle von Land zu Land häufig heterogener, als es zunächst den Eindruck macht. Dann aber sind weitaus mehr Templates nötig, als ursprünglich geplant.
Das ideale Beratungshaus sollte deshalb nicht nur in Sachen IT und Implementierung über die entsprechende Erfahrung verfügen, sondern auch mit Branchen-Know-how die Prozesse des Unternehmens optimieren können. (bw)