Bei Smart Contracts handelt es sich um automatisierte, digitale Darstellungen von Verträgen. Die in einem Vertrag enthaltenen Regelungen, wie beispielsweise "Wenn die Lieferung ordnungsgemäß erfolgt ist, wird der Betrag XYZ überwiesen" werden in einem Smart Contract direkt ausgeführt. Es ist also keine gesonderte Umsetzung in ein Software-System oder das manuelle Eingreifen des Menschen notwendig. Die französische AXA Versicherung setzt Smart Contracts beispielsweise seit einiger Zeit im Reisebereich ein. So erhalten Reisende, die über Fizzy eine Reisepolice abgeschlossen haben, automatisch eine Ausgleichszahlung, sobald ihr Flug mehr als zwei Stunden verspätet ist.
Dieses Beispiel zeigt die wachsende Bedeutung von Smart Contracts für Unternehmen und Organisationen. Daher haben Wissenschaftler der Hochschulen München und Würzburg-Schweinfurt in einer Studie untersucht, was für Erwartungen und Nutzungsmöglichkeiten europäische Unternehmen mit Smart Contracts verbinden. Die Wissenschaftler haben dazu verschiedene europäische Experten befragt, die Smart Contracts einsetzen und bereits Erfahrungen mit ihnen gesammelt haben. Die Ergebnisse der Forscher wurden auf der renommierten Wirtschaftsinformatikkonferenz PACIS in Japan vorgestellt.
Die Industrieexperten erwarten, dass Smart Contracts viele traditionelle Geschäftsmodelle tiefgreifend verändern werden. Daher ist es für Unternehmen unerlässlich ist, sich mit Smart Contracts zu beschäftigen. Smart Contracts sind dabei keine Frage der Branche (wie beispielsweise nur für Versicherungen oder Kreditinstitute). Vielmehr können Smart Contracts in vielen verschiedenen Branchen sowie branchenübergreifend eingesetzt werden.
Die Experten sehen den Hauptnutzen von Smart Contracts darin, dass Verträge und deren Abwicklung standardisiert und automatisiert ausgeführt werden können. Auf diese Weise sollen erhebliche Effizienzvorteile realisiert werden.
Geringere Kosten bei höherer Geschwindigkeit und Qualität
Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet ist nach Einschätzung der Experten Industrie 4.0. Hier helfen Smart Contracts, Vereinbarungen zu automatisieren, die Geräte des Internet-of-Things verwenden. Auf diese Weise lassen sich Wertschöpfungsketten im Internet of Things deutlich schneller und kostengünstiger etablieren.
Generell sehen die Experten, dass durch den Einsatz von Smart Contracts massiv Kosten gespart sowie Vertragsprozesse hinsichtlich Geschwindigkeit und Qualität verbessert werden. Bisher problematische Dokumentationslücken im Vertragsprozess können geschlossen werden.
Auf der Grundlage von Smart Contracts können daher neue Geschäftsmodelle entwickelt werden, insbesondere dann, wenn zu hohe Transaktionskosten bisher die Ausbildung von unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsketten unwirtschaftlich gemacht hatten.
Mangel an Fachkräften und ausgereiften Technologien
Die Smart-Contracts-Studie hat aber auch die Herausforderungen bei der Implementierung von Smart Contracts untersucht. Hier kann als ein Beispiel der Implementierungsaufwand angeführt werden. Dieser ist nicht zu unterschätzen, obwohl bereits Frameworks beziehungsweise Open-Source-Projekte verfügbar sind. Oftmals fehlen auch Fachkräfte in diesem Bereich. Weiterhin sind aus Sicht der befragten Experten die Technologien noch nicht komplett ausgereift.
Ebenfalls ermittelten das Wissenschaftlerteam um Rainer Schmidt, Barbara Keller und Michael Möhring, welche Vorgehensweisen sich als vorteilhaft bei der Einführung von Smart Contracts herausgestellt haben. So ist es wichtig, mit Test-Cases zu beginnen. Im Anschluss daran sollten die Erfahrungen aus diesen kleineren Projekten aktiv genutzt werden und dieses Wissen in größere Projekte miteinfließen. "Instant"-Lösungen sind angesichts des frühen Entwicklungsstandes von Smart Contracts praktisch nicht vorhanden. Kritische Punkte sind Fragen der Compliance und die Schwierigkeit, Änderungen durchzuführen. Beide Aspekte sind noch zu klären. Hier herrscht großer Nachholbedarf in der Praxis.
Zusammenfassend bieten Smart Contracts eine große Chance für Unternehmen, Vertragsprozesse nachhaltig zu verbessern und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Der Aufwand und das benötigte Wissen zur Umsetzung ist dabei nicht zu unterschätzen. Die Einführung sollte sorgfältig geplant werden, um nicht umkehrbare Fehler zu vermeiden.