Ignite 2016

Microsofts Produktstrategie - es muss nicht immer disruptiv sein

22.09.2016
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Eric Schott ist Mitgründer und Geschäftsführer bei Campana & Schott. Er besitzt über 20 Jahre Erfahrung in der Projektmanagement-Beratung. Seine Schwerpunkte umfassen strategisches Projekt- und Portfoliomanagement sowie neue Formen der Zusammenarbeit mit besonderem Fokus auf Social Collaboration. Schott will aufzeigen, welche Anforderungen Unternehmen hinsichtlich der neuen Formen der Zusammenarbeit erfüllen müssen und wie dies zu realisieren ist, um die digitalen Transformation zu meistern.
Neue Produkte von Microsoft werfen ihren Schatten voraus. Ende September stehen auf der Ignite in Atlanta unter anderem der Windows Server 2016 und Systems Center 2016 auf der Startrampe - ein Vorausblick auf die Konferenz.

Vom 26. bis 30. September 2016 lädt Microsoft zur Ignite nach Atlanta ein. CEO Satya Nadella hat bereits angekündigt, in seiner Eröffnungsrede einen Einblick in die Technologie-Trends und die Gestaltung der Zukunft geben zu wollen. Anlass genug, vorab einen Blick auf die aktuelle Produktstrategie des Softwareriesen zu werfen.

Erste Informationen dazu hatte der weltgrößte Softwarehersteller bereits im August in Toronto durchblicken lassen. Dort haben die Microsoft-Verantwortlichen im Rahmen der Worldwide Partner Conference (WPC) ihre Produktstrategie vorgestellt und diskutiert. "Mobile First, Cloud First" - dieses Credo wird auch weiterhin die Geschäftsausrichtung und vor allem die (Bereitstellungs-) Prioritäten von Microsoft prägen, hatte Microsoft-CEO Nadella in Toronto bekräftigt. Dieser Vorsatz ist dabei kein Selbstzweck, sondern soll die Produktivität des Einzelnen und die vernetzte Zusammenarbeit gezielt verbessern.

"Mobile first, Cloud first", lautet das Credo von Microsoft-CEO Satya Nadella.
"Mobile first, Cloud first", lautet das Credo von Microsoft-CEO Satya Nadella.
Foto: Microsoft

Im Fokus steht der Anspruch von Microsoft, Produktivität und Geschäftsprozesse neu zu erfinden, um so die digitale Transformation voranzutreiben. Dafür hat der US-Konzern vier Unterziele formuliert. Demnach möchte Microsoft Unternehmen dabei helfen,

  1. die Kundeninteraktion zu verstärken,

  2. die Produktivität und Selbständigkeit der Mitarbeiter zu erhöhen,

  3. die Betriebsprozesse zu optimieren und

  4. Produkte zu digitalisieren beziehungsweise zu transformieren.

Betrachtet man diese Formulierungen, lassen sich die folgenden Thesen zu künftigen Microsoft-Produkten ableiten:

1. Verbesserte Kundeninteraktion

Die neue Produktbezeichnung Microsoft Dynamics 365 formuliert den Anspruch, eine komplette Unternehmenslösung (ERP + CRM + Office 365) bereitzustellen. Technisch handelt es sich allerdings eher um einen ersten Integrationsschritt von bis dato eigenständigen Produkten. CRM wird dabei sicherlich eine zentrale Rolle spielen, um zu gewährleisten, dass Microsoft-Nutzer ihre Kunden umfassender organisieren, analysieren und somit besser betreuen können.

2. Selbständigere Mitarbeiter

Traditionell wird der Schwerpunkt auf neuen Services liegen, die Produktivität und Organisation der Mitarbeiter steigern sollen. Das Ziel ist dabei, Mitarbeiter so stark wie möglich von Routineaufgaben zu befreien oder zumindest zu entlasten. Ein personen- und rollenorientiertes Design gilt hierbei als Schlüsselkomponente. Früher waren dies beispielsweise eigene Makros in Excel. Künftig sollen diese vermehrt von "Composable Business Apps" abgelöst werden. Diese können schnell und verhältnismäßig leicht zusammengestellt werden. Sie kombinieren unterschiedlichste Services wie "PowerBI" und sogar einfache Integrationsmöglichkeiten auf Basis der neuen Komponente "Flow" (Integration praktisch per Self Service). Mitarbeiter können zudem das eigene Arbeitsverhalten über "Delve Analytics" auswerten und optimieren.

Ein weiteres Augenmerk von Microsoft liegt auf der effektiven Vernetzung von Mitarbeitern und Arbeitsgruppen. Der "Office Graph" soll dafür als zentraler Navigationspunkt dienen. Zur Entlastung gehört auch die zunehmende Bedeutung des persönlichen Assistenten Cortana und der Sprachsteuerung. Hier möchte Microsoft so viele Standarddialoge wie möglich - insbesondere zur Steuerung von Anwendungen - automatisieren. Die Sprachsteuerung bildet dennoch nur den Einstieg, denn das Machine Learning im Hintergrund ist der eigentliche Zukunftsmotor (Cortana Intelligence Suite). So werden bereits heute mehr als 30 Schnittstellen/APIs zu Cortana bereitgestellt.

3. Optimierte Betriebsprozesse

Die Optimierung von Geschäftsprozessen erfährt zurzeit eine regelrechte Renaissance. Microsoft verfolgt dafür sowohl einen Anwender- wie auch einen Plattform-zentrischen Ansatz. So ist auch die Strategie zur Straffung von Betriebsprozessen eng mit den genannten Collaboration-Lösungen verbunden. Auch hier dürfte der Integration eine zentrale Rolle zukommen. Durch einfach realisierte Verknüpfungen, über verschiedenste Anwendungen und Plattformen hinweg, soll für den Anwender eine möglichst durchgängige Umgebung zur Bearbeitung seiner Geschäftsprozesse geschaffen werden. Auch dabei soll die Automatisierung von Standarddialogen einen wesentlichen Beitrag leisten.

4. Transformierte Produkte

Es bleibt abzuwarten, bis zu welchem Grad es gelingen kann, physische Produkte zu digitalisieren. Diese Herausforderung will Microsoft gezielt mit der "Azure IoT Suite" bewältigen. Neben der Vernetzung der Produkte geht es hierbei um Möglichkeiten der Predictive Maintenance, gerne unterstützt beziehungsweise virtualisiert durch die von Microsoft entwickelte Datenbrille Holo Lens - der Hersteller spricht in diesem Zusammenhang von "Mixed Reality".

Jeffrey R. Immelt, der CEO von General Electric (GE), fasste diese Pläne auf der WPC vor wenigen Wochen sehr passend zusammen: "Eine Heirat von Analytics und physischer Welt - jedes unserer Produkte wird einen digitalen Zwilling bekommen."

Fazit

Viele der beschriebenen Lösungen sind natürlich noch in einem frühen Stadium und zahlreiche Fragen bleiben vorerst unbeantwortet: Wie werden Großunternehmen mit den Szenarien umgehen? Wird es wirklich, wie von Microsoft gewünscht, signifikante Branchenlösungen geben? Und was bedeutet es, wenn Microsoft von "Conversation as a platform" spricht?

Klar scheint indes: Microsoft setzt mit der aktuellen Produktstrategie auf Beständigkeit und Konsequenz. Kombiniert mit der Vision der umfassenden Entlastung schafft dies für Kunden und Anwender eine solide Grundlage, mit der sie langfristig planen können. Microsoft verhält sich in dieser Hinsicht definitiv nicht disruptiv, aber das muss nichts Schlechtes heißen.