Die schon seit Jahren beschworene "Konsumerisierung der IT" hält mit Macht jetzt auch in Microsofts Office Einzug, genauer in deren Abonnement-Variante Office 365. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Ende 2012 zugekaufte Enterprise-Social-Plattform Yammer (siehe dazu auch unser Interview mit Yammer-CTO Adam Pisoni). Mit neuen und integrierten Technologien aus den Bereichen Social, Collaboration und Kommunikation solle in Unternehmen die gleiche Vernetzung Einzug halten, die man durch Facebook, Twitter, LinkedIn und Co im Privatleben längst gewohnt ist, schreibt Microsofts General Manager für Enterprise Social, Jared Spataro, in einem Blogpost - mit dem Ziel natürlich, Unternehmen agiler und produktiver zu machen.
Die Grundlagen dafür habe Microsoft in den vergangenen zwei Jahren gelegt mit unter anderem der Integration von Yammer in Microsoft Dynamics CRM (das im Spring 2014 Release neue Fähigkeiten in Sachen Social Listening, Marketing und Service Desk bekommt), der Aufnahme von Yammer Enterprise in alle Enterprise-Abos von Office 365 im vergangenen November (in diesem Frühjahr wird das auf die Mittelstands- und Bildungs-Subskriptionen ausgedehnt) sowie dem vereinfachten Yammer-Login aus Office 365 heraus - vice versa geht das dann auch ab Sommer dieses Jahres. In der vergangenen Woche wurde außerdem das Service Pack 1 für SharePoint 2013 veröffentlicht, bei dem sich ein Yammer-Netzwerk in der Cloud einfach in eine SharePoint on-premises integrieren lässt.
Auf dieser Basis kündigt Microsoft jetzt drei neue "Social Experiences" an, mit denen Unternehmen besser wie ein Netzwerk arbeiten können sollen.
Der "Office Graph" baut auf dem von Yammer ersonnenen "Enterprise Graph" auf. Microsoft will Signale aus unter anderem E-Mail, sozialen Konversationen, Dokumenten, Sites, Instant Messages und Meetings nutzen, um Beziehungen zwischen Menschen und Informationen herzustellen, die das Geschäft vorantreiben. Unter dem Codenamen "Oslo" entwickelt Microsoft eine erste Anwendung, die den Office Graph visualisiert und ausnutzt, um das Netzwerk aus Kollegen und Daten im Unternehmen zu navigieren, zu entdecken und zu durchsuchen. "Oslo"-Versionen für Windows 8.x, den Browser und mobile Endgeräte soll laut Branchendienst "The Register" ab dem zweiten Halbjahr 2014 erscheinen.
Das Gruppen-Konzept aus Yammer hält Einzug in die restliche Office-365-Welt. Wo immer künftig in Office 365 eine Gruppe angelegt wird, erzeugt das System automatisch eine korrespondierende Sammel-Inbox samt Social Feed, Kalender und Dokumenten-Bibliothek. Die Gruppen-Inhalte lassen sich wahlweise über Yammer oder E-Mail einsehen und bearbeiten. Standardmäßig sind Gruppen offen für neue Mitglieder, sie lassen bei Bedarf aber auch schließen und privat betreiben.
Neben Office 365 und Dynamics will Microsoft alle für das Tagesgeschäft wichtigen Anwendungen mit "Inline Social Experiences" versehen. Yammer-Unterhaltungen gibt es künftig zum Beispiel zu Dokumenten in SharePoint Online und OneDrive for Business (das man künftig auch standalone beziehen kann), SharePoint Online und Outlook erlauben das Hochladen von Updates, Dokumenten und E-Mails zu Yammer und auch die Social-Möglichkeiten in Dynamics CRM werden erweitert. Yammer wird zukünftig außerdem mit Lync und Skype integriert, um das volle Interaktionsspektrum von asynchronen Posts bis hin zu Audio und Video abzudecken.
Die eher simplen Social-Möglichkeiten, die Microsoft in SharePoint Server 2013 eingebaut hatte, bleiben zwar, werden aber nicht mehr weiterentwickelt. "Unsere Investitionen in Social werden auf Yammer und Office 365 fokussiert sein", betont Spataro - denn nur mit den Cloud-Plattformen seien schnelle Innovation und virale Verbreitung möglich. Natürlich wisse man sehr wohl, dass viele SharePoint-Kunden noch viele Jahre lang große On-premises-Deployments betreiben würden; diesen werde Microsoft aber dabei unterstützen, durch hybride Umgebungen ebenfalls von der Weiterentwicklung in der Cloud zu profitieren. Microsofts Enterprise-Social-Strategie gehe sehr viel weiter als das Hinzfügen von Yammer-Feeds zu SharePoint oder das Zusammenführen von Identitäten und Profilen über beide Plattformen. Die ganze Welt sei ein gigantisches Netzwerk, Firmen sollten nun auch anfangen, als ein Netzwerk zu arbeiten.
Jeff Teper, Corporate Vice President der Sparte Office Service and Servers, vervollständigt das Bild in einem weiteren Blogpost. Darin verspricht er unter anderem für den weiteren Jahresverlauf größere Neuerungen im Bereich dynamische Portale, Webseiten und mobiler Apps, ohne dazu schon näher ins Detail zu gehen. Als ersten Vorgeschmack zeigte Teper immerhin ein neues Social-Video-Portal, das Microsoft mit SharePoint, Yammer, dem neuen Office Graph aus Office 365 und Azure Media Services gebaut hat.
Der Microsoft-Manager betonte außerdem, wie wichtig Microsoft die Zusammenarbeit mit seiner Entwicklergemeinde und die Sicherheit, der Datenschutz und die Compliance seiner Cloud-Kunden sind. Natürlich wisse man aber in Redmond auch, dass nicht jeder Kunde bereit oder willens sei, seine Investitionen auf einen Schlag komplett in die Cloud zu verlagern. Deshalb werde man Anwender bei der Nutzung hybrider Szenarien unterstützen und 2015 auch neue On-premises-Versionen von SharePoint und Exchange herausbringen - diese würden "einige, aber nicht alle Möglichkeiten" der Cloud-Varianten mit ihrer Rechenleistung und Integration bieten. "Ich sage das ganz klar: Wir wissen, dass wir Ihnen über die Cloud mehr Nutzen bieten können", so Teper. "Genauso klar verspreche ich aber auch, dass wir Ihnen dabei helfen werden, in der Konfiguration und Geschwindigkeit dorthin zu kommen, die Ihnen taugt."
In der offiziellen Pressemitteilung von Microsoft zur Eröffnung der SharePoint-Konferenz in Las Vegas finden sich noch weitere Ankündigungen. Für Mobile-Entwickler gibt es neue SDKs (Software Development Kits) für Windows 8 und Android, die den Zugriff auf Daten und Dienste von Office 365 ermöglichen. Weitere Neuerungen für Developer sind neue und verbesserte Office-365-APIs für unter anderem PowerPoint, Outlook und OneDrive for Business sowie die Möglichkeit, Apps mit Office-365-Dokumenten weiterzugeben (zunächst für PowerPoint, später in diesem Jahr auch für Excel). Last, but not least gibt es auch neue Data-Loss-Prevention-Möglichkeiten für Office-365-Inhalte.
"Viele Firmen kämpfen damit, die Erstellung von Inhalten, die Zusammenarbeit und ihre zentrale Geschäftsanwendungen unter einen Hut zu bringen", zitiert Microsoft den Constellation-Research-Analysten Alan Lepofsky. "Die Ankündigungen von Office Graph und ‚Oslo‘ beschreiben eine integrierte Zukunft, in der Office-365-Nutzer ihre Arbeit sehr viel besser erledigen könnten, indem sie Einsicht in wichtige Aktivitäten in ihrem Unternehmen erhalten, die sie persönlich betreffen oder möglicherweise interessant für sie sind."