Eine ehemalige Freiberuflerin berichtet

Mein Weg zurück in den festen Job

09.09.2015
Birgit Jordan, Marketing-Expertin bei Integration Matters, gibt im Interview einen Einblick, wie ihr Wechsel von der freiberuflichen Tätigkeit zurück in eine Festanstellung verlaufen ist. Sie hat Tipps für IT-Freelancer parat, die über denselben Schritt nachdenken.

Nach langer Freelancer-Tätigkeit zurück in eine feste Anstellung - mit diesem Gedanken spielen sicherlich manche Freiberufler. Wer das Szenario analytisch betrachtet, landet automatisch bei immer kürzer werdenden Beauftragungszeiten für Projekte, der Endlos-Diskussion um Scheinselbständigkeit und, last but not least beim hohen zeitlichen Aufwand für Akquise und Administration. Bestimmte Umsatzgrößen müssen erzielt werden. Andererseits schätzen Freelancer das Gefühl, ihr eigener Chef zu sein und sich nicht in eine feste Hierarchie einfügen zu müssen. Viele mögen auch die Herausforderung immer neuer Projekte an verschiedenen Standorten in diversen Unternehmen.

Kann ein solcher Wechsel gut gehen? Das IT-Job-Magazin hat Birgit Jordan gefragt, die diesen Sprung im letzten Jahr gewagt hat.

Birgit Jordan, Integration Matters: "Jeder sollte sich zunächst über die eigenen Prioritäten klar werden und danach die Vor- und Nachteile einer Selbständigkeit beziehungsweise Festanstellung bewerten."
Birgit Jordan, Integration Matters: "Jeder sollte sich zunächst über die eigenen Prioritäten klar werden und danach die Vor- und Nachteile einer Selbständigkeit beziehungsweise Festanstellung bewerten."
Foto: Birgit Jordan

Frau Jordan, Sie waren über einen langen Zeitraum als selbständige Marketing-Expertin für IT-Unternehmen am Markt präsent. Wie ist ihr Background und welche Position bekleiden Sie heute?

Birgit Jordan: Nach 20 Jahren Tätigkeit in Konzernen und 13 Jahren Selbständigkeit als Marketingberaterin für IT-Unternehmen bin ich 2014 wieder in eine feste Anstellung gewechselt. Heute bin ich für das Marketing des Software- und Consulting-Unternehmens Integration Matters verantwortlich, das weltweit Tools und Beratungsdienstleistungen zur Entwicklung, Implementierung und Überwachung von Integrationsprojekten anbietet.

Wie kam es zu dem Wechsel?

Birgit Jordan: In meinem Fall eher durch Zufall. Ich mag die Vielfalt der Aufgaben, das Networking und die freie Zeiteinteilung der Selbständigkeit sehr und hatte bisher nicht über einen Wechsel zurück ins Angestelltenverhältnis nachgedacht. Die Firma Integration Matters kannte ich unter anderem von einem kleinen Beratungsauftrag kurz nach der Gründung 2005. Die ersten Jahre nach der Gründung arbeitete das Team eng mit dem Integrationsspezialisten TIBCO zusammen und es bestand keine Notwendigkeit, ein eigenes Marketing- und Vertriebsteam aufzubauen. Neun Jahre nach der Gründung wollte Integration Matters sich aber mit einem erweiterten Beratungs- und Softwareangebot von TIBCO emanzipieren und die Herausforderung annehmen, unter eigenem Namen am Markt zu agieren. Diesen Prozess wollte ich gerne als Beraterin unterstützen, aber die Geschäftsleitung hatte sich entschieden, eine Marketingspezialistin fest ins Team zu holen. Nachdem meine Akquise nicht erfolgreich, die Aufgabe aber so reizvoll war, habe ich mich gefragt: Warum eigentlich nicht?

War der Wechsel eine große Umstellung für Sie?

Birgit Jordan: Nicht wirklich. Während meiner Zeit als Freelancer habe ich bereits in zwei Projekten die Seiten gewechselt und als Interim Manager das Marketing der Kunden über mehrere Monate im Rahmen einer Elternzeitvertretung übernommen. Gefreut hat mich auch das geregelte Einkommen und dass ich jetzt administrative Tätigkeiten abgeben und mich auf meine eigentlichen Aufgaben konzentrieren kann. Dadurch reduziert sich auch meine Arbeitszeit und ich kann das Wochenende sowie Urlaubszeiten genießen.

Warum waren Sie für das Unternehmen als Mitarbeiterin interessant?

Birgit Jordan: Ich denke einerseits, weil mir das Thema Enterprise Integration vertraut war und ich über langjährige internationale Erfahrung verfüge. Andererseits, weil ich mich nach der Selbständigkeit als "Unternehmer im Unternehmen" verstehe, also meine Arbeit als ganzheitlich ansehe, und auch für Integration Matters mein großes Netzwerk in der Branche nutze.

Wie war denn Ihre persönliche Integration ins Unternehmen?

Birgit Jordan: Sehr gut. Meine Vorgesetzten ließen mir von Anfang an viel Gestaltungs- und Handlungsspielraum, waren für meine Ideen offen und schenkten mir großes Vertrauen. Die Firma entwickelt sich strategisch kontinuierlich weiter. Es ist sehr spannend, in diesem Prozess aktiv mitzuwirken. Außerdem gefällt mir das Arbeitsklima, denn es herrscht eine offene und lockere Atmosphäre. Neben dem Entwicklerteam am Firmenstandort sind viele Kollegen als Berater in Projekten bei unseren Kunden. Um den Zusammenhalt zu stärken, organisiert Integration Matters von Zeit zu Zeit eine Veranstaltung für alle Mitarbeiter mit ihren Familien. Bisherige Ziele dafür waren zum Beispiel Tirol und Marrakesch. Eine meiner ersten Aufgaben war die Organisation einer Firmenfahrt nach Paris letztes Jahr im Sommer. Es war ein großer Erfolg - und wir hatten richtig viel Spaß.

Wie haben Sie sich auf den Wechsel vorbereitet?

Birgit Jordan: Da bei mir die eigentliche Bewerbungsphase entfiel, habe ich nur einen Termin mit Finanz- und Steuerberater vereinbart, um beispielsweise meine Altersversorgung an die neue Situation anzupassen.

Haben Sie Ihre Selbständigkeit eigentlich ganz aufgegeben?

Birgit Jordan: Meine Marketingberatung jordanize! pausiert, alle Kanäle sind aber noch online und ich veröffentliche regelmäßig Beiträge zu aktuellen Marketingthemen in meinem Netzwerk, da ich mich natürlich auch in meiner neuen Rolle über Trendthemen informiere und nach Best Practices Ausschau halte. So ganz kann ich mich - noch - nicht trennen. Es steckt ja viel Know-how und Herzblut in meinem Unternehmen.

Was raten Sie IT-Freelancern, die über eine Rückkehr ins Angestelltenverhältnis nachdenken?

Birgit Jordan: Ich empfehle jedem, sich zunächst über die eigenen Prioritäten klar zu werden und danach die Vor- und Nachteile einer Selbständigkeit beziehungsweise Festanstellung zu bewerten (siehe Tabelle unten). Dabei muss es nicht eine Entscheidung für das eine oder das andere sein. Freelancer, die sich beispielsweise mehr Planungssicherheit und weniger Akquise wünschen, könnten sich nach Interims-Management- Positionen erkundigen. Angestellte Mitarbeiter, die sich mehr Freiraum wünschen, könnten vielleicht zunächst über eine Arbeitszeitverkürzung nachdenken.

Selbständigkeit: Vor- und Nachteile

  • Flexible Zeiteinteilung

  • Freie Wahl von Themen und Projekten

  • Abwechslung

  • Persönliche Freiheit

  • Aministrative Tätigkeiten, Akquise

  • Höhere private Vorsorge

  • Selbstverwirklichung

  • Einzelkämpfer

  • Unsicherheit

  • Schwankendes Einkommen, Gefahr von Zahlungsausfällen

  • Häufig hohe Arbeitsbelastung

Festanstellung: Vor- und Nachteile

  • Geregelte Arbeitszeiten

  • Bezahlter Urlaub

  • Zuverlässiges, geregeltes Einkommen

  • Kontinuität

  • Planungssicherheit

  • Versicherungsschutz

  • Work-Life-Balance

  • Teamarbeit

  • Vorgegebene Aufgabenbeschreibung

  • Abstimmung mit Vorgesetzten / Investoren

  • Fokussierung auf Expertise