Mangelhafte Stammdaten können erhebliche Kosten und Imageschäden verursachen, etwa wenn Marketing-Aktionen die Zielgruppe verfehlen, Rechnungen nicht zugestellt werden können oder das Management strategische Fehlentscheidungen fällt und gegen Compliance-Regeln verstößt. Deshalb sind im Management der Stammdaten Konzepte gefragt, die neben einer geeigneten IT-Lösung auch unternehmensweite Prozess- und Organisationsstrukturen mit klaren Verantwortlichkeiten integrieren.
Mit dem neuen Release 7.0 von SAP MDG (Master Data Governance) ist seit Oktober 2014 eine Lösung auf dem Markt, die Unternehmen diese Funktionen auf Basis vordefinierter Workflows bereitstellen soll. Die Kunden können damit Abläufe modellieren und individuelle Freigabe- und Genehmigungsprozesse definieren. Sie sollen zudem über eine zentrale Plattform zum Konsolidieren, Validieren und Verteilen ihrer Stammdaten verfügen und können Compliance-Anforderungen wie den SarbanesOxley Act oder GxP-Richtlinien in der Prozessindustrie einhalten.
Stärken und Schwächen
SAP MDG 7.0 bietet eine Reihe von Standardfunktionen, die kundenindividuell erweiterbar sind. Wie leistungsfähig die Funktionen sind, machen die ersten Praxiserfahrungen deutlich.
1. Datenmodelle für Material, Lieferant, Kunde und Financials: Mit MDG Custom Objects besteht die Möglichkeit, eigene Objekte zu modellieren. Da die Datenmodellierung flexibel ist, lässt sich das Datenmodell individuell anpassen. Die Anlehnung der Standardobjekte an das ERP bewirkt, dass sich SAP-erfahrene Anwender schnell zurechtfinden. Der Standard umfasst zudem die Mappings zwischen MDG und ERP, die den Transfer zwischen den Ebenen regeln. Doch die Datenmodellierung ist nicht intuitiv und erfordert einen erfahrenen Experten, vor allem wenn es um komplexere Datenmodelle mit verschiedenen Entitätstypen und Relationen geht.
2. Pflege der Stammdaten-Objekte über Change Requests: Ein Change Request bildet das zentrale Element des SAP MDG. Mit ihm werden Änderungen an Stammdatenobjekten anhand definierter Workflows vorgenommen. Dabei werden die Daten, die sich in Änderung oder in der Anlage befinden, in einem speziellen inaktiven Bereich verwaltet. Erst wenn der Workflow beendet ist und die Daten freigegeben sind, werden sie in den aktiven Bereich übertragen.
3. Workflow-Modellierung, die alternativ mit dem Rule-based Workflow oder einem klassischen SAP Business Workflow realisiert werden kann. Im Rule-based Workflow vereint SAP die beiden gut funktionierenden Komponenten Business Rules Framework plus (BRF+) und SAP Business Workflow. Die Prozessmodellierung ist stabil und flexibel. So arbeitet der Rule-based Workflow mit Entscheidungstabellen, die sich schnell und einfach über einen Excel-Export oder -Import anpassen lassen. Somit können einzelne Workflow- und Bearbeitungsschritte schnell ergänzt oder auch gelöscht werden, ohne dass Anpassungen am SAP Business Workflow Template notwendig sind. Bei komplexeren Szenarien kann der Rule-based Workflow jedoch an seine Grenzen stoßen, und es sollte auf ein eigenes Workflow Template zurückgegriffen werden.
4. User Interfaces mit dynamischer Feldsteuerung: Damit können - abhängig von Workflow-Schritten - Oberflächen dargestellt werden, um Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten festzulegen (Governance) sowie Sichten auf bestimmte Stammdatenfelder einzuschränken (Compliance). SAP MDG 7.0 bietet variable Oberflächen, die per Customizing, Enhancement oder Deep Copy der gesamten Anwendungskonfiguration Workflow-Schritt-spezifisch zur Verfügung gestellt werden können. Damit Kunden bei der Fülle an Möglichkeiten nicht den Überblick verlieren, sollten sie sich auf eine Option zur Bearbeitung beschränken, die sämtliche Anforderungen erfüllt.
5. Validierungen der Dateneingabe im Pflegeprozess durch automatische Prüfungen mit Warn- und Fehlermeldungen: Da SAP MDG ein ERP-Add-on ist, werden sämtliche Prüfungen aus dem Backend automatisch wiederverwendet. Darüber hinaus können kundenspezifische Validierungen per BRF+ oder BAdI-Implementierung hinzugefügt werden.
6. Ableitungen und Standardwerte in Feldern: Diese Funktion unterstützt die Automatisierung der Pflege, indem einerseits Standardwerte gesetzt und andererseits Felder auf Basis anderer Felder gefüllt werden können. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, Wertehilfen einzuschränken, um eine Vorselektion erlaubter Werte anzubieten. Diese Methode hat den Vorteil, dass direkt bei der Dateneingabe eine aktive Datenqualitätsprüfung oder -vorselektion zur Vermeidung falscher Eingaben oder Feldkombinationen von den Antragstellern erfolgen kann.
7. Zugangskontrollen über Berechtigungskonzepte: Da die Berechtigungsrollen auf Objektebene (Material, Kunde, Lieferant etc.) auf der vorhandenen ERP-Technologie basieren, sind sie einfach wiederverwendbar. SAP MDG bringt zusätzlich Menürollen mit, mit denen der Zugang zum System und die Aktivität (Erstellen, Ändern, ...) geregelt werden. Mit der Produktivsetzung lassen sich ERP-seitig sämtliche Pflegetransaktionen abschalten, so dass sich Änderungen an den Stammdatenobjekten, die unter Governance stehen, nur noch innerhalb von SAP MDG vornehmen lassen (Single Source of Truth).
8. Verteilung der Stammdaten mit Data Replication Framework - Bewertung: Mit dieser Funktion können Daten direkt aus dem Stammdaten-Hub in die Zielsysteme verteilt werden. Für den Verteilungsmechanismus stehen die bewährte ALE/IDoc-Technologie, WebServices und RFC zur Verfügung. Selbstverständlich lässt sich auch ein SAP PI zwischen SAP MDG und den Empfängersystemen einsetzen, vor allem dann, wenn die Verteilung in Nicht-SAP-Systeme erfolgen soll.
9. Nachverfolgbarkeit (Change Documents) der Änderungen sowohl am Stammsatz als auch im Pflegeprozess: Diese Funktion ermöglicht eine hohe Transparenz, die auch für Compliance-Anforderungen bedeutsam ist. So kann jederzeit auf Feldebene nachvollzogen werden, welcher Mitarbeiter ein Stammdatum wann und warum geändert hat.
10. Suche und Dublettenprüfungen - Bewertung: Um nach Stammdaten im SAP MDG zu suchen, können DB Search, TREX oder HANA Search genutzt werden. Die Suchfunktionen sind im Allgemeinen ausreichend, Erweiterungen möglich. Integriert in SAP MDG ist eine konfigurierbare Dublettenprüfung, die auf potenzielle Duplikate hinweist.
SAP MDG 7.0: Fahrplan für die Implementierung
Rollenkonzept und Verantwortlichkeiten (Governance) müssen abgestimmt sein, bevor es an die Definition und das Design der Business-Prozesse (Workflows) geht.
An der Definition der Prozess- und Organisationskonzepte müssen die Fach- bereiche beteiligt werden.
Ein gezieltes Change-Management empfiehlt sich, um die Mitarbeiter von Anfang an auf die Änderungen in den Abläufen vorzubereiten.
Besondere Aufmerksamkeit ist der Definition und Formulierung der Business- Regeln zu widmen, da dem Endanwender mittels Feldsteuerung, Ableitungen und Validierungen so viel Arbeit wie möglich abgenommen werden sollte. Eine möglichst weitreichende Automatisierung zahlt sich auch unter Datenqualitäts-Aspekten aus.
Der Einführungsaufwand schwankt je nachdem, wie nah der Kunde am Standard bleiben kann. Deshalb ist ein integrierter Business- und IT-Ansatz beim Design der Prozesse notwendig, um die Vorteile einer effektiven, schlanken Lösung mit SAP MDG zu gestalten – ohne große Zusatzaufwände für unnötige Entwicklungsarbeiten.
Fazit
Wie die ersten Praxiserfahrungen zeigen, steht mit SAP MDG 7.0 ein System zur Verfügung, das den Anwendern eine hohe Flexibilität bietet und in starkem Maße auch die Stammdatenobjekte abdeckt. Gerade für SAP-Kunden ist die hohe Wiederverwendbarkeit der Komponenten vorteilhaft. Ebenso wird durch das im Unternehmen vorhandene ABAP-Know-how die Wartung von SAP MDG 7.0 vereinfacht. Zudem gibt es neben dem Hub-Szenario die Möglichkeit, die SAP-Stammdaten-Governance-Plattform im Rahmen eines Co-Deployment-Szenarios ins vorhandene ERP-System zu integrieren. So können Unternehmen die Gesamtbetriebskosten reduzieren. SAP setzt bei der MDG-Lösung auf bewährte Technologien und Produkte wie den SAP Business Workflow oder das SAP-Berechtigungskonzept, aber auch die Integrations- und Validierungstechnologien. (ba)