Die Walzenpaare in Zeitungsdruckmaschinen müssen sich gegenläufig in exakt derselben Geschwindigkeit drehen. Früher sorgten Zahnradpaare für den Gleichlauf, heute werden die Walzen elektronisch gesteuert. Übrig geblieben von der Mechanik ist die Rotation. "Im Maschinenbau ist es Trend, Kräfte und Informationen zu trennen", sagt Harald Bösche, Professor im Studiengang Maschinenbauinformatik an der Fachhochschule Münster. Das Studium besteht zu 40 Prozent aus Informatik und zu 60 Prozent aus Maschinenbau. "Ohne Informatik kommt der Maschinenbau bald nicht mehr aus", prognostiziert Bösche. Die 20 Absolventen jährlich sind dabei nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Denn der Maschinenbau sucht intensiv nach Fachkräften, die sich in der Informatik auskennen.
Vollautomatische Qualitätsprüfung
Rund 10.000 Informatiker arbeiten heute im Maschinenbau, schätzt Stephan Pfisterer, Arbeitsmarktexperte im IT-Branchenverband Bitkom. "In jedem Jahr kommen etwa 1000 dazu." Bei einer Million Beschäftigten im Maschinenbau ist ein Prozent nicht viel. "IT im Maschinenbau ist aber durchaus stärker ausgeprägt, als die Zahl 10.000 ausdrückt." Zum einen gebe es den Trend zu digitaler Vernetzung im Maschinenbau erst seit wenigen Jahren. Zum anderen verfügten auch Maschinenbau- und Elektroingenieure über immer breiter angelegte IT-Kompetenzen. "Diese beiden Berufsgruppen sind viel häufiger in der Branche vertreten als Informatiker." Aber die IT-Profis holen auf. Im Unterschied zu Maschinenbau-Ingenieuren sind Informatiker nicht branchenbezogen ausgebildet. "Deshalb müssen sie sich einarbeiten, das ist bei Informatikern aber immer so", sagt Pfisterer. IT-Spezialisten im Maschinenbau müssen sich mit den Prozessen der industriellen Fertigung und der Funktionsweise von Maschinen auskennen.
- Bitkom-Umfrage zur CeBIT
Deutsche ITK-Anbieter arbeiten mit Hochdruck an Industrie-4.0-Lösungen und setzen große Hoffnungen in den neuen Geschäftszweig, hat eine Umfrage des Bitkom ergeben. Allerdings klagt die Branche auch über noch zögerliche Anwender und mangelnde öffentliche Förderung. - Industrie und Gewerbe zentrale Kunden von ITK-Unternehmen
- Industrie 4.0 birgt großes volkswirtschaftliches Potenzial
- Industrie 4.0 ist bereits ein wichtiges Geschäftsfeld
- 6 von 10 ITK-Unternehmen arbeiten an Industrie-4.0-Lösungen
- Jedes dritte Unternehmen erwartet steigende Umsätze
- Mehrheit sieht deutsche Industrie international vorne
- 9 von 10 Betrieben halten öffentliche Förderung für zu gering
Manuel Ahrens (28) ist Informatiker. Seit fünf Jahren arbeitet er als Softwareentwickler bei Dürr, einem Maschinen- und Anlagenbauer in Bietigheim-Bissingen. Anlagen des Unternehmens sorgen für effiziente Fertigungsprozesse etwa in der Lackiererei oder der Endmontage im Automobilbau. In Ahrens` Team sind 13 weitere IT-Experten beschäftigt, die die Software für die Produktionssteuerung weiterentwickeln und neue Funktionen ergänzen, pflegen und warten. Die Produktionssteuerungssoftware organisiert unter anderem Produktionsabläufe und -logistik. Ahrens ist für die Arbeitszeiten zuständig. Das System kann für verschiedene Schichtdienste konfiguriert werden, beispielsweise Montag bis Freitag Dreischicht-, Samstag und Sonntag Zweischichtbetrieb. "Ich sorge dafür, dass das System das automatisch tut."
In einem aktuellen Projekt arbeitet er für einen Autohersteller in Mexiko: "Der Kunde will, dass die Qualitätsprüfung im Fahrzeugbau vollautomatisch läuft." Sensoren messen die Lackdicke, und Kameras fahren das Fahrzeug ab, um zu prüfen, ob Kratzer im Lack sind. Diese Daten wertet die PPS-Software aus. "Software im Maschinenbau ist sehr technisch, und die Anwender sind Fachleute. Mit ihnen müssen wir uns verstehen", sagt Ahrens. Die Software muss stabil laufen, an sieben Tagen pro Woche. "Funktioniert etwas nicht richtig, müssen wir sofort reagieren, damit die Produktion nicht stillsteht." Deshalb arbeiten Ahrens und seine Kollegen manchmal auch an Wochenenden.
Festo braucht doppelt so viele Entwickler
Entwickler Ahrens muss Java beherrschen und braucht Datenbankkenntnisse. "Meine Arbeit mache ich selbständig und terminorientiert, häufig projektgetrieben." Die meiste Zeit sitzt er vor dem PC, zur Inbetriebnahme reist er zum Kunden. Kollegen in anderen Abteilungen programmieren Software für die Bewegungssteuerung von Lackierrobotern. Zukunftsthemen sind Anwendungen für Smartphones und Tablets sowie die Zustandserfassung von Maschinen und Anlagen.
Diese Software überwacht oder analysiert online Werte wie Getriebetemperatur, Drehmomente oder Geräusche, die in Produktionsanlagen mit Sensoren gemessen wurden. Anhand dieser Daten werden präventive Instandhaltungsmaßnahmen vorgeschlagen. IT-Spezialisten bei Dürr müssen das komplexe technische Umfeld verstehen, in dem ihre Software läuft.
Das gilt auch für die IT-Experten bei Festo in Esslingen. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Automatisierungstechnik für die Fabrik- und Prozessautomation. "Unsere Produkte werden immer intelligenter und komplexer. Damit steigt der Softwareanteil", sagt Boris Wörter, Senior Vice President Human Resources. Zurzeit arbeiten für das Unternehmen etwa 90 Informatiker als Software- und Hardwareentwickler in Deutschland - "diese Zahl soll in absehbarer Zeit nahezu verdoppelt werden". 2014 hat Festo 25 Softwareentwickler eingestellt, 2015 sollen weitere 30 folgen. Ziel des Unternehmens ist es, Softwarekomponenten mehr und mehr in durchgängiger Architektur anzulegen, so dass die Systeme besser harmonieren: "Das Erarbeiten von Programmiersprachkonzepten ist eine der Aufgaben unserer IT-Experten." Andere sind das Entwerfen und Programmieren von Embedded Software auf Basis von Realtime-Betriebssystemen sowie das Entwickeln und Verifizieren von Konzepten oder Technologien zum Aufbau von Robotiksystemen.
Eileen Bunke programmiert seit Herbst bei Festo Embedded Software für neue Produkte. Aktuell ist sie für die Implementierung einer Busanbindung verantwortlich. "In anderen Projekten sorge ich dafür, dass unsere Produkte in Automatisierungssysteme unterschiedlicher Hersteller integriert werden können. Dabei setzen wir auf Standards." Die Software dafür spezifiziert Bunke, teilweise programmiert und testet sie auch.
Der Fachverband Software im VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) geht davon aus, dass in den nächsten drei Jahren vor allem in der Entwicklung von IT und Automatisierungstechnik neue Stellen geschaffen werden. Erwartet wird ein Zuwachs um 32 Prozent. (am)