Ein Plädoyer für die Nachwuchsförderung

Mainframe 2020 - Chance für die Generation Y

09.08.2016
Von 
Bernhard Prüger ist Wirtschaftsinformatiker und passionierter Marketeer mit über 15 Jahren Erfahrung in der Vermarktung beratungsintensiver Lösungen im B2B-Umfeld. In Blogposts, Fachbeiträgen oder Expertenstatements widmet er sich den Themen Infrastruktur-Software für Rechenzentren, Output-Management & Archivierung sowie Compliance.
Bereits seit 25 Jahren wird der Mainframe immer wieder für tot erklärt. Ein Blick in die Praxis zeigt jedoch, dass die Technologie durchaus genutzt und sogar weiterentwickelt wird.

Vor allem Großunternehmen setzen in ihren Rechenzentren auf die Host-Technologie als wichtigstes Arbeitsmittel ihrer IT. In den nächsten Jahren wird nun ein Großteil der altgedienten Mainframe-Experten in den Ruhestand gehen. In diesem Zusammenhang stellt sich die drängende Frage: Was dann?

Unbekanntes Terrain für den Nachwuchs

Was den Mainframe-Markt in den kommenden Jahren vor allem prägen wird, ist vor allem die Big-Data-Thematik. Bildlich gesprochen ist der Mainframe der Sattelschlepper unter den Großrechnern, der immense Mengen an Daten verarbeiten kann. Im Zeitalter von Big Data unverzichtbar. Verbunden mit Big Data wird es notwendig, Funktionen für intelligente Suche und die Analyse sehr großer Datenmengen zu integrieren. Im Mainframe steckt nach wie vor die neueste und beste Technologie, nur viele wissen dies überhaupt nicht. Vor allem viele junge Manager schreiben dem Mainframe ein Dinosaurier-Image zu.

Um diesem antiquierten Image zu begegnen, besteht zum einen Handlungsbedarf bei der User Experience, die es an die modernen Anforderungen anzupassen gilt. Die klassischen grün-schwarzen Bildschirme schrecken jeden Neuling ab, der im Privatbereich in Sachen ansprechender GUIs und intuitiver Bedienung inzwischen ganz andere Standards gewöhnt ist. IBM kooperiert im Rahmen seiner "Design Thinking"-Initiative deshalb seit einiger Zeit mit Apple. Big Blue bringt in die Ehe sein Wissen im Enterprise-Geschäft und beim Betrieb großer Data Center mit, Apple seine Erfahrungen mit User Experience im Consumer Markt. In weltweiten "Design-Centern" rollen Industrie-Designer das Problem IBM-untypisch von einer anderen Seite auf und stellen die User-Sicht in den Vordergrund. Über 1000 neue Mitarbeiter/innen wurden nur hierfür laut IBM neu eingestellt, was sich mittelfristig in ganz neuen Oberflächen ausdrücken wird.

Mainframe an die Hochschulen

Das Hauptproblem besteht jedoch darin, dass die jüngere Generation die Mainframe-Technologie oft nicht kennt, weil dies an anderen Hochschulen oder Berufsakademien zu stiefmütterlich behandelt wird. Hier muss ein viel breiteres Interesse geweckt werden. Auch aus Sicht der U30-Community innerhalb der IBM-Benutzervereinigung "Guide Share Europe" wird bemängelt, dass junge Leute keine Möglichkeit hätten, außerhalb ihres Unternehmens mit dem Mainframe in Berührung zu kommen. In der Tat: Wer Linux kennenlernen will, kann dies einfach per Web-Download, mit dem Mainframe ist dies deutlich schwieriger. Hier gilt es folglich, die bestehenden vereinzelten Initiativen von IBM und Hochschulen besser zu koordinieren und zu publizieren.

Nachholbedarf in Eigen-PR

Forscher wie Martin Bogdan vom Lehrstuhl für Technische Informatik der Universität Leipzig packen das Problem an der Wurzel: Die Ausbildung ist schlichtweg nicht weiträumig genug aufgestellt und auf zu wenig Hochschulen verteilt. "Der Mainframe ist eine hochinteressante Rechnerarchitektur, die eine technologische Spitzenposition einnimmt", weiß der Leipziger. Dass dies viele nicht so wahrnähmen, sei ein Versäumnis in der Selbstdarstellung und damit zusammenhängend der bislang mangelnden Ausbildung. An der Universität Leipzig gibt es nicht nur Informatiker, sondern auch Wirtschaftsinformatiker, also künftige potenzielle Manager. Auch diese besuchen Bogdans Vorlesungen und damit ist die Mainframe-Technologie für sie keine Unbekannte.

An der Uni Leipzig plant man, gemeinsam mit der European Mainframe Academy und einigen akademischen Partnern ein "Academic Mainframe Consortium" (AMC) zu gründen. Durch zusätzliche Unterstützung aus der Wirtschaft soll dieses Lehrmaterialien für den leichten Einstieg auf allen Bildungsebenen erarbeiten, um sie akademischen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen und beispielsweise Systemspezialisten auszubilden.

Die European Mainframe Academy sucht ihrerseits den Kontakt zu den Universitäten und anderen akademischen Einrichtungen, um in Kontakt mit jungen Menschen zu kommen, die Interesse für den Mainframe zeigen. Auf der anderen Seite pflegt sie Kontakte mit vielen Unternehmen, die Nachwuchs brauchen und sieht sich hier in einer Art Vermittlerrolle. Problem beim geplanten Academic Mainframe Konsortium könnte sein, dass die Mainframes an deutschsprachigen Hochschulen noch an einer Hand abzuzählen sind: Leipzig, Tübingen, Frankfurt/Main, Karlsruhe und Luzern. Die Maschinen dort stehen bereit und können genutzt werden. Nur müssen eben die Zugänge für junge Studierende anderer Hochschulen ermöglicht werden. Bislang geschieht das noch zu wenig, weil es kaum Fachpersonal gibt, welches die Administration, die Einrichtung von Benutzerkennungen etc. übernimmt. Die European Mainframe Academy arbeitet daran, dies zu ändern.

Der bereits so oft totgesagte Mainframe wird technologisch auch künftig gerade im Big-Data-Zeitalter seine Berechtigung haben, vorausgesetzt die Nachwuchsförderung ist gesichert. Die bereits gestarteten Initiativen sind ein erster Schritt in die Zukunft des Mainframes für und mit der nächsten Generation. (fm)