Schon Anfang des Monats hat Lufthansa Systems bekannt gegeben, man wolle den " IT-Bereich neu ausrichten und damit die Weichen für die Zukunft stellen". Menschen, die öfter Pressemitteilungen großer Konzerne studieren, war angesichts dieser Wortwahl schon zu Beginn des Textes klar, was das bedeuten würde. Nämlich, dass weniger rentable, respektive kapitalintensive Teile abgespalten und veräußert werden sollen. Bieter für die Rechenzentren und den Infrastrukturbetrieb gibt es bereits, es sind die üblichen Verdächtigen wie Atos, HP und IBM.
Lufthansa Systems selbst möchte den Schritt als strategischen Geniestreich verstanden wissen, immer wieder ist von Kerngeschäft, Innovation und Zukunftsfähigkeit die Rede. Die Wahrheit aber ist wohl viel banaler und basiert auf zwei Faktoren:
1. Die Konzernmutter Lufthansa setzt ein rigides Sparprogramm um.
2. Die Investitionen in Cloud Computing haben sich nicht gelohnt
Und so ist es aus Sicht von Crisp Research ein strategischer Fehler diesen Schritt zu gehen. Denn zu argumentieren, dass hohe Investitionen in die Infrastruktur vonnöten seien, das ist zwar richtig, nur muss auch ein externer Partner diese Investitionen erbringen. Und auch diese müssen bezahlt werden. So ist davon auszugehen, dass sich zwar die Bilanz kurzfristig verschönern lässt, da die hohen Abschreibungen für die Infrastrukturinvestitionen wegfallen. Auf längere Sicht allerdings wird sich Lufthansa Systems damit keinen Gefallen tun, denn der Konzern gibt ohne Not große Teile seiner Kernkompetenz, Skills und damit Innovationsfähigkeit auf. Stattdessen gerät er in die Abhängigkeit eines globalen IT-Partners. Und ob damit Geld gespart werden kann, das wird die Zukunft zeigen. Zweifel daran sind jedenfalls angebracht.
Lufthansa Systems scheitert an der Wolke
Der zweite Grund für diesen Schritt ist wohl auch die falsche Portfoliostrategie rund um das Cloud Computing. Lufthansa Systems hat sich für den einfachsten aller Wege entschieden und eine Public Cloud Plattform auf VMware-Basis gesetzt. Rein ins Rechenzentrum, Self-Service Portal frei geschaltet und die Werbeagentur den tollen Namen "CloudLounge" kreieren lassen. Und, oh Wunder, kaum ein Kunde hat sich bis heute auf die Plattform verirrt. Warum? Ganz einfach: Jede simple Marktanalyse hätte es gezeigt, weil die Kunden von Lufthansa Systems keinen Bedarf an dieser Deployment-Variante haben, und der Anbieter mit diesem Angebot keinerlei Alleinstellungsmerkmal besitzt.
Dabei hätte Lufthansa Systems durchaus Assets, die im Umfeld von Cloud Computing hätten helfen können. Global verteilte, hochsichere Rechenzentren mit einem deutschen Konzern im Hintergrund, zum Beispiel. Im noch aktuellen Bericht zu den Kennzahlen der Konzerntochter sah man sich "hervorragend positioniert" und kündigte an "kontinuierlich in die Rechenzentren zu investieren".
Neuausrichtung birgt hohes Risiko
So schnell kann sich der Wind drehen, beziehungsweise das Fähnchen im selbigen, wenn es darum geht Sparziele zu erreichen um Kapitalmarktpflege zu betreiben.
Für die Konzerntochter ist die Entscheidung jedenfalls eine mittlere Katastrophe. Im globalen Wettbewerb um Kunden zählen eben nicht nur Skaleneffekte und Kosten, sondern vor allem Innovationen und Skills. Zum Thema Cloud Computing muss der Markt von Lufthansa Systems in naher Zukunft nicht mehr viel erwarten, allenfalls Durchschnittskost. Lufthansa Systems fährt jetzt also maximales Risiko zugunsten von kurzfristigen Kostensenkungen. Die hohe Abhängigkeit vom zukünftigen IT-Partner und den ausgeprägten Zyklen der Luftfahrtindustrie verheißen jedenfalls nichts Gutes, falls die Zeiten mal stürmisch werden. (jha)
siehe auch:
Atos, HP und IBM interessiert: Lufthansa treibt Verkauf von Rechenzentren voran
LH Systems muss auslagern: Lufthansa verschärft Sparkurs in der IT