Was für den deutschen Mittelstand vermutlich noch nach Fiktion klingt, ist bei 95 Prozent aller US-Konzerne schon Realität: Nicht Personaler, sondern Maschinen besetzen offene Stellen in Unternehmen. Ein Algorithmus findet den Kandidaten, der am besten passt.
Als Inhaberin einer privaten Weiterbildungsakademie treffe ich häufig Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Dass jeder zweite über einen Berufswechsel nachdenkt, zeigt die diesjährige Studie "Jobzufriedenheit" der Manpower Group. Weil neben Weiterbildung, Beruf und Familie oft die Zeit fehlt, bleibt die aktive Suche nach einem neuen Arbeitsplatz häufig auf der Strecke. Online-Portale schaffen Abhilfe. Wer über ein gut gepflegtes Profil bei Xing oder LinkedIn verfügt, kann dies zusätzlich online mit einem Karriere- und Jobservice wie Instaffo verknüpfen. Potentielle Arbeitgeber pflegen auf der anderen Seite ausgeschriebene Stellen ein. Ein Algorithmus analysiert dann, wer zu wem passt und schlägt dem Kandidaten das passende Unternehmen vor. Dabei bleiben die Bewerberprofile so lange anonym, bis der Suchende sein Profil frei gibt.
Lange war Headhunting ein Geschäft, das auf persönlichen Kontakten basierte. Heute wird die Branche von der digitalen Welle überrollt: Datenmengen aus den sozialen Netzen, detaillierte Profile, Spuren im Netz - all das ist von Wert für Personalsuchende. Lernende Software analysiert dieses Wissen und wirft passende Talente aus. Dass dieser Trend unaufhaltbar ist, bestätigt eine Studienreihe der Universität Bamberg: Befragt wurden die 1.000 größten deutschen Unternehmen. Mehr als die Hälfte davon ist der Meinung, dass eine computergestützte Selektion von Bewerbern die Auswahl beschleunigt.
Wenn in Firmen auf 15 freie Stellen 500 Bewerbungen einlaufen, ist das ohne Online-Vorauswahl nicht effektiv zu stemmen. Dennoch sehe ich eine Einschränkung: Wer fachlich nicht optimal auf eine Stelle passt, fällt durchs Raster - auch, wenn er vielleicht die Werte einer Firma teilt und gut ins Unternehmen passen würde. Ein großer deutscher Filialist nutzt deshalb auf seiner Homepage ein sogenanntes Job-Matching. Das Programm prüft, ob ein Interessent ähnlich tickt, wie die Mitarbeiter des Unternehmens.
Portale wie Instaffo greifen diese Idee auf: Nutzer können sich durch einen visuellen Persönlichkeitstest klicken. Bewerber und Betrieb sehen bei Übereinstimmung wie neben harten, die weichen Faktoren zusammenpassen. Erst dann kommt es zu einem persönlichen Kontakt. Vorstellungsgespräche, egal ob telefonisch oder von Angesicht zu Angesicht, ersetzen solche Portale nicht. Allerdings verschlanken sie den administrativen Vorgang bis zum Termin. Geld wird erst fällig, wenn beide Seiten Erfolg melden. Für Bewerber sind die Portale in der Regel kostenlos.
Konzerne arbeiten mit Kandidatenpools
Während kleine und mittelständische Unternehmen um Fachkräfte kämpfen, haben viele international agierende Konzerne keine Probleme, als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Deshalb gibt es bei Firmen wie Bosch eigene Kandidatenpools. Bewerber werden durch ein Online-System geführt, hinterlegen Lebenslauf und Zeugnisse. Einmal registriert, kann ein Interessent sich auf verschiedene Stellen bewerben, ohne jedes Mal alles neu eingeben zu müssen. Zusätzlich kann er sein Profil immer wieder aktualisieren und für den Kandidatenpool freigeben. Damit haben etwa alle Personalabteilungen weltweit Zugriff darauf und können den Bewerber bei der Besetzung freier Stellen in Betracht ziehen.
Auf Robot Recruiting spezialisierte Karriereportale bieten Jobwechsel-Willigen mehr Chancen als der klassische Bewerbungsprozess. Einmal ein gutes Profil angelegt, kann ein Kandidat bei Übereinstimmung von Nachfrage und Angebot direkt mehreren, möglichen Arbeitgebern vorgeschlagen werden. Dabei bleibt die Anonymität gewahrt, weil ein Bewerber der Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten erst zustimmen muss. Auch Unternehmen profitieren von dem Online-Karriereservice: Sie fischen in einem Pool interessierter Fachkräfte. Die Software-Programme arbeiten meist sehr präzise und sortieren aus, wer zu einer vakanten Stelle passen könnte. Und wer wegen fehlender Qualifikation durchfällt.
Erledigt ein Analyse-Programm die Kandidatenauswahl, hat der Personaler mehr Zeit für andere Themen. Möglicherweise entfällt so auch die Beauftragung eines teuren Headhunters. Jobsuchende müssen sich nicht mehr mit kreativem Formfeinschliff beschäftigen, weil für die Auswertung per Computer nur Zahlen, Daten, Fakten zählen. Dazu kommt: Computer selektieren nicht nach Herkunft, Hautfarbe oder Religion, sie fokussieren sich auf vorher eingegebene Eigenschaften und neutrale Kriterien. Weder Emotionen, Rollenklischees, Optik oder Sympathien fließen in die Auswahl mit ein.
Persönlichkeit bleibt außen vor
Mit einer ausgefallenen Bewerbung zum Traumjob - beim Robot Recruiting eher unwahrscheinlich. Vielmehr besteht das Risiko, dass ein Top-Kandidat untergeht, weil er in seinem Lebenslauf nicht die gesuchten Fachbegriffe verwendet, sondern seine Aufgaben gut umschreibt. So kann es passieren, dass seine Bewerbung - trotz hervorragender Qualifikation - nicht weiter berücksichtigt wird. Gerade Quereinsteiger sind häufig sehr motiviert, holen eventuell vorhandene, fachliche Defizite rasch auf und verfügen oft über eine hohe, soziale Kompetenz. Bekommt jedoch der Roboter ihre Bewerbung in die Finger, stehen die Chancen auf eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch sehr schlecht. Dem Unternehmen entgeht so vielleicht ein guter, loyaler Mitarbeiter.