Neues E-Learning schult Smart Talents

Lernen-to-go hilft Fachkräften

22.08.2017
Von 
Leila Haidar ist freie Wirtschaftsjournalistin. Sie ist für verschiedene überregionale Tageszeitungen tätig, schreibt für Fachmagazine und beschäftigt sich mit den verschiedensten Themen, darunter Personal, Industrie und Logistik.
Die Digitalisierung wirkt sich auch auf die Bildung aus. Zwar gibt es E-Learning seit 40 Jahren, aber das elektronische Lernen mutiert vom Vorratswissen zum Lernen in konkreten Situationen. Das heißt: Wissensvermittlung findet mehr und mehr in der Werkshalle und weniger am Büro-PC statt.
  • Heute wird weniger auf Vorrat gelernt, sondern mehr in der konkreten Arbeitssituation.
  • Lernen on demand führt zu einer besseren Verzahnung zwischen Theorie und Praxis.
  • Automatisierung mit Robotern lohnt sich nicht, wenn Vorgänge häufig verändert werden.

In Zeiten moderner Produktion wird es für Mitarbeiter immer schwieriger, ihre Arbeit wirklich in- und auswendig zu beherrschen. Der Grund: Die Stückzahlen sind klein, die Maschinen unterschiedlich, die Prozesse veränderlich. Deshalb muss sich auch die Ausbildung verändern. Und das tut sie, indem heute weniger auf Vorrat gelernt wird, sondern mehr in der konkreten Arbeitssituation.

Praktisches Lernen direkt in der Fertigung mit einer Schulungs-App auf dem Tablet.
Praktisches Lernen direkt in der Fertigung mit einer Schulungs-App auf dem Tablet.
Foto: Zapp2Photo - shutterstock.com

Ein Beispiel für diesen Trend aus der Industrie: Die Ingenieure und Werker der Carl Zeiss AG gehen mit einem Tablet in der Hand die Fertigungsstraße entlang. Dabei filmt der Mini-PC die Maschine. Eine Schulungs-App blendet auf dem Bildschirm zusätzlich Animationen, Erklärtexte und Beschriftungen ein - etwa zu Verarbeitungsstationen wie einem Vereinzeler oder dem Transportband. Interaktiv kann der Nutzer dann Bereiche auswählen, die ihn interessieren und sich animierte Sequenzen oder weitere Informationen anzeigen lassen. "Damit schulen wir Servicetechniker. Oder ein leitender Ingenieur kann sich Abläufe bei der Herstellung anschauen", sagt Dirk Kubitschek, Verantwortlicher für Bildung und digitales Lernen bei Zeiss. Entwickelt hat er das System mit IMC, einem Spezialisten für digitales Lernen. Ein zusätzlicher Bonus für die tägliche Arbeit: Die Maschine kann auf diesem Weg auch mit ihren Nutzern kommunizieren. "Überprüfe den Füllstand" lautet zum Beispiel eine Meldung oder "Ein Werkstück hat sich an Stelle XY verklemmt".

Der Mensch lernt schneller als der Roboter

Möglich wird dies mit Augmented Reality, 3D-Szenenanalyse und intuitiver Mensch-Technik-Kommunikation, die auch in komplexen Montageprozessen angewendet wird. Werden Vorgänge nämlich häufig verändert, lohnt sich eine Automatisierung nicht mehr. Roboter und Maschinen lernen nicht so schnell wie der Mensch, und ein ständiges Umstellen lohnt sich nicht. Der Mensch ersetzt die Maschine. Der Montageassistent MonSiKo, entwickelt vom FraunhoferInstitut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart, unterstützt den Werker dabei, neue Arbeitsabläufe einzulernen und Fehler zu vermeiden beziehungsweise frühzeitig zu erkennen. Dabei reagiert er darauf, was der Mitarbeiter tut, auch wenn sich der Ablageplatz oder die Reihenfolge verändert. So bekommt der Angestellte eine direkte Rückmeldung auf gemachte Fehler und kann sie beim nächsten Mal vermeiden. Häufig eingesetzt werden auch Systeme, die Techniker Schritt für Schritt durch ihre Prozesse leiten, beispielsweise mit Lichtsignalen oder auf die Arbeitsfläche projizierten Anweisungen.

Christian Wachter: Digitales Lernen findet immer weniger im stillen Kämmerlein statt, sondern immer häufiger in einer konkreten Arbeitssituation.
Christian Wachter: Digitales Lernen findet immer weniger im stillen Kämmerlein statt, sondern immer häufiger in einer konkreten Arbeitssituation.
Foto: Wachter - IMC AG

"Was einmal mit E-Learning als Alternative zu Präsenztrainings begann, ist heute immer häufiger Bildung in einer konkreten Arbeitssituation", erläutert IMC-Vorstand Christian Wachter. Es werde immer weniger auf Vorrat gelernt, sondern vielmehr "on demand" - also genau dann, wenn die Information gebraucht und direkt angewendet wird. "Dadurch verzahnen sich Lernen und Praxis mehr und mehr." Für Mitarbeiter in der Praxis ein echter Vorteil. Denn wissenschaftliche Studien belegen, dass der Mensch im Tun am besten lernt. Das Gehirn nimmt bis zu 70 Prozent seines Wissens beim konkreten Handeln auf. Ein Fünftel des Wissens erwirbt man, indem man anderen über die Schulter schaut. Bleiben zehn Prozent für klassische Schulungen.

Wachter glaubt, dass Unternehmen mit den smarten Methoden Lernzeiten um etwa die Hälfte verkürzen und Schulungskosten um ein Drittel reduzieren können.

Modern aufgemachte Inhalte gibt es viele. Ob Ingenieure mit Augmented Reality, Online-Kursen oder Mischungen mit Präsenzseminaren am besten lernen, ist nicht eindeutig nachgewiesen. Oft ist es ein Mix, der Erfolge liefert. Firmen wie Zeiss, aber auch der Hersteller von Medizingeräten PFM Medical, setzen daher mehr und mehr auf offene Lernmanagement-Systeme. Plattformen wie die IMC Learning Suite, auf der sich von Compliance über Technik, Vertriebsschulungen und Big Data alles einstellen lässt. Und Systeme, die Inhalte aller Hersteller übersichtlich und ansprechend darstellen. "Wir haben tollen Content produziert und Kurse professionell erstellen lassen. Aber es hat Zeit und internes Marketing gebraucht, damit sich die Menschen mit dem neuen Angebot befassen", sagt Hans-Heiko Müller, Geschäftsführer bei PFM Medical. Eine flotte Gestaltung und ein didaktisch sinnvolles Konzept seien immer noch der beste Weg, Menschen zum Lernen zu motivieren.