In Zeiten moderner Produktion wird es für Mitarbeiter immer schwieriger, ihre Arbeit wirklich in- und auswendig zu beherrschen. Der Grund: Die Stückzahlen sind klein, die Maschinen unterschiedlich, die Prozesse veränderlich. Deshalb muss sich auch die Ausbildung verändern. Und das tut sie, indem heute weniger auf Vorrat gelernt wird, sondern mehr in der konkreten Arbeitssituation.
Ein Beispiel für diesen Trend aus der Industrie: Die Ingenieure und Werker der Carl Zeiss AG gehen mit einem Tablet in der Hand die Fertigungsstraße entlang. Dabei filmt der Mini-PC die Maschine. Eine Schulungs-App blendet auf dem Bildschirm zusätzlich Animationen, Erklärtexte und Beschriftungen ein - etwa zu Verarbeitungsstationen wie einem Vereinzeler oder dem Transportband. Interaktiv kann der Nutzer dann Bereiche auswählen, die ihn interessieren und sich animierte Sequenzen oder weitere Informationen anzeigen lassen. "Damit schulen wir Servicetechniker. Oder ein leitender Ingenieur kann sich Abläufe bei der Herstellung anschauen", sagt Dirk Kubitschek, Verantwortlicher für Bildung und digitales Lernen bei Zeiss. Entwickelt hat er das System mit IMC, einem Spezialisten für digitales Lernen. Ein zusätzlicher Bonus für die tägliche Arbeit: Die Maschine kann auf diesem Weg auch mit ihren Nutzern kommunizieren. "Überprüfe den Füllstand" lautet zum Beispiel eine Meldung oder "Ein Werkstück hat sich an Stelle XY verklemmt".
Der Mensch lernt schneller als der Roboter
Möglich wird dies mit Augmented Reality, 3D-Szenenanalyse und intuitiver Mensch-Technik-Kommunikation, die auch in komplexen Montageprozessen angewendet wird. Werden Vorgänge nämlich häufig verändert, lohnt sich eine Automatisierung nicht mehr. Roboter und Maschinen lernen nicht so schnell wie der Mensch, und ein ständiges Umstellen lohnt sich nicht. Der Mensch ersetzt die Maschine. Der Montageassistent MonSiKo, entwickelt vom FraunhoferInstitut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart, unterstützt den Werker dabei, neue Arbeitsabläufe einzulernen und Fehler zu vermeiden beziehungsweise frühzeitig zu erkennen. Dabei reagiert er darauf, was der Mitarbeiter tut, auch wenn sich der Ablageplatz oder die Reihenfolge verändert. So bekommt der Angestellte eine direkte Rückmeldung auf gemachte Fehler und kann sie beim nächsten Mal vermeiden. Häufig eingesetzt werden auch Systeme, die Techniker Schritt für Schritt durch ihre Prozesse leiten, beispielsweise mit Lichtsignalen oder auf die Arbeitsfläche projizierten Anweisungen.
"Was einmal mit E-Learning als Alternative zu Präsenztrainings begann, ist heute immer häufiger Bildung in einer konkreten Arbeitssituation", erläutert IMC-Vorstand Christian Wachter. Es werde immer weniger auf Vorrat gelernt, sondern vielmehr "on demand" - also genau dann, wenn die Information gebraucht und direkt angewendet wird. "Dadurch verzahnen sich Lernen und Praxis mehr und mehr." Für Mitarbeiter in der Praxis ein echter Vorteil. Denn wissenschaftliche Studien belegen, dass der Mensch im Tun am besten lernt. Das Gehirn nimmt bis zu 70 Prozent seines Wissens beim konkreten Handeln auf. Ein Fünftel des Wissens erwirbt man, indem man anderen über die Schulter schaut. Bleiben zehn Prozent für klassische Schulungen.
Wachter glaubt, dass Unternehmen mit den smarten Methoden Lernzeiten um etwa die Hälfte verkürzen und Schulungskosten um ein Drittel reduzieren können.
- Sie müssen nicht umziehen!
Das versprach ein IT-Beratungshaus den neuen Mitarbeitern. Schließlich würden Hotel- und Reisekosten von den Projekten getragen. Schnell stellte sich heraus, dass das nicht für Projekte am Stammsitz des Unternehmens galt, so dass die angeworbenen Berater doch die Kisten packen mussten. - Leere Schreibtische ...
... können darauf hinweisen, dass Unternehmen bereits entlassen mussten. Doch bei Restrukturierungen schummeln Firmen oft: Einer Bewerberin fielen die leeren Schreibtische bei einem Rundgang durch die Büroräume auf. Sie wurde mit dem Kommentar "Die Kollegen sind in der ganzen Welt auf Projekten unterwegs" abgespeist. Am ersten Arbeitstag stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter schon lange entlassen worden waren. - Wir legen großen Wert auf Weiterbildung
Das sagt sich schnell und kommt im Vorstellungsgespräch bei den umworbenen Kandidaten gut an. Wenn der Satz aber nur für bestimmte Mitarbeiter gilt und nicht für erfahrene Projekt-Manager, die nur als "Cash Cow" beim Kunden eingesetzt werden, ist der Schaden groß. - Ein Arbeitsvisum für die USA ...
... versprach ein Unternehmen einem IT-Marketingprofi und ließ ihn ohne Visum solange in die USA immer wieder ein- und ausreisen, bis er das Visum nicht mehr beantragen konnte. - Firmenwagen: Polo statt BMW
Was Firmen Bewerbern im Vorstellungsgespräch versprechen, sollten sie auch halten. Sonst ist der Frust groß. Etwa wenn einer IT-Vertriebsexpertin ein 3er BMW versprochen wird, sie aber dann am ersten Tag den Schlüssel für einen VW Polo in die Hand gedrückt bekommt.
Modern aufgemachte Inhalte gibt es viele. Ob Ingenieure mit Augmented Reality, Online-Kursen oder Mischungen mit Präsenzseminaren am besten lernen, ist nicht eindeutig nachgewiesen. Oft ist es ein Mix, der Erfolge liefert. Firmen wie Zeiss, aber auch der Hersteller von Medizingeräten PFM Medical, setzen daher mehr und mehr auf offene Lernmanagement-Systeme. Plattformen wie die IMC Learning Suite, auf der sich von Compliance über Technik, Vertriebsschulungen und Big Data alles einstellen lässt. Und Systeme, die Inhalte aller Hersteller übersichtlich und ansprechend darstellen. "Wir haben tollen Content produziert und Kurse professionell erstellen lassen. Aber es hat Zeit und internes Marketing gebraucht, damit sich die Menschen mit dem neuen Angebot befassen", sagt Hans-Heiko Müller, Geschäftsführer bei PFM Medical. Eine flotte Gestaltung und ein didaktisch sinnvolles Konzept seien immer noch der beste Weg, Menschen zum Lernen zu motivieren.