Projektorientiertes Arbeiten nimmt stetig zu und ist in den Unternehmen für einen immer größeren Teil des wirtschaftlichen Erfolgs verantwortlich. Die Vielzahl der Projekte zu überwachen, zu steuern und sich überhaupt für die richtigen Projekte zu entscheiden, ist damit für den Unternehmenserfolg zu einer wichtigen Managementkompetenz geworden, dem sogenannten Multiprojektmanagement (siehe Abbildung 1).
Vor dem Hintergrund knapper Ressourcen gewinnt vor allem das systematische Management des Projektportfolios als Teilbereich des Multiprojektmanagements (MPM) zunehmend an Bedeutung. Denn das Projektportfoliomanagement (PPM) beendet Projektwildwuchs und gibt der Geschäftsführung Entscheidungskriterien an die Hand, um nur die Projekte auszuwählen und voranzutreiben, die ihre Unternehmensstrategie stützen. Es liefert damit eine entscheidende Grundlage, um die Unternehmensvisionen mit Überzeugung und Augenmaß umzusetzen.
Tool für die Geschäftsführung
Häufig findet sich das PPM in direkter Berichtslinie zur Unternehmensleitung aufgehängt. Sie hat üblicherweise das größte Interesse an der Einführung, bietet das PPM ihr doch ein starkes Tool, um die Projekte in ihrem Unternehmen auf Kurs der Strategie zu bringen. Doch bei der Einführung eines PPM-Prozesses ist Sensibilität gefragt.
Denn trotz der starken Potenziale gestaltet sich die Umsetzung eines Projektportfolio-Managements in der Praxis häufig schwieriger, als es die hohe Projektorientierung in den Unternehmen vermuten lässt. Grund hierfür sind insbesondere im Mittelstand oft fehlende Ressourcen für die Einführung der Prozesse. Die Umsetzung muss hier oftmals neben dem Tagesgeschäft erfolgen.
Eine zusätzliche Schwierigkeit bei der Umsetzung von PPM kann sich daraus ergeben, dass das PPM als reiner Top-Down-Ansatz der Führungsetage erlebt wird; die Unternehmensvision gibt die Projekte vor. Projektmanager fühlen sich möglicherweise in ihrer Selbstständigkeit und in ihren Interessen verletzt, wenn die Geschäftsführung von oben in ihre Projekte eingreift. Umgekehrt bietet das PPM jedoch auch die Möglichkeit, Bottom-up Projektideen zu entwickeln und diese mit der Strategie abzustimmen.
Pragmatische Gestaltung der Prozesse fördert Akzeptanz
Um die oft ohnehin enge Ressourcenlage nicht weiter zu strapazieren, sollte es bei der Einführung von PPM-Prozessen Ziel sein, diese möglichst pragmatisch zu gestalten. Bereits mit wenigen einfachen Werkzeugen und Prozessschritten lässt sich eine wirkungsvolle Filter- und Steuerungsmethodik für das Projektportfolio etablieren. Lässt man den Projektmanagern zudem die nötigen Freiheiten, gibt ihnen jedoch das PPM als Steuerungsinstrument an die Hand, trägt dies zur Förderung der Akzeptanz der Beteiligten bei. Eine Grundvoraussetzung hierfür ist ein etabliertes Projektmanagement mit einem adäquaten Reifegrad, um das Ressourcenmanagement erfolgreich durchzuführen.
Der PPM-Prozess gliedert sich in mehrere Prozessschritte. Vom ersten bis zum letzten Schritt nimmt dabei die Reife des Projekts von einer grob spezifizierten Projektidee bis zu einem vollständig geplanten Projekt zu. Die Freigaben für die Projekte erfolgen in den sogenannten Quality Gates. Wie, wann und mit welcher Priorität sie umgesetzt werden sollen, wird hier durch das sogenannte Project Board entschieden.
Um den Prozess nicht unnötig aufzublähen, ist die Zahl der Gates möglichst gering zu halten. Die Praxis zeigt, dass drei Gates bereits ausreichend sind, um die Spreu vom Weizen zu trennen.
Am ersten Gate werden alle Vorhaben anhand eines strukturierten Ideenantrags klassifiziert. Dies können zum Beispiel sein: Tagesgeschäft/Nicht-Projekt, Kleinprojekt, Großprojekt. Anschließend werde diese Ideen auf Basis eines Sets an K.O.-Kriterien wie zum Beispiel gesetzliche Vorgaben oder strategischer Nutzen dahingehend bewertet, ob die Idee den weiteren Einsatz von Arbeitszeit rechtfertigt.
Hat das Vorhaben dieses Gate erfolgreich passiert, wird ein erstes Budget für die Ausarbeitung eines groben Projektplans zur Verfeinerung der Idee bereitgestellt. Anhand der Grobplanung wird am nächsten Gate ein Ranking des Projektvorhabens durchgeführt. Dazu eignet sich eine standardisierte Skala, die auf Basis von vordefinierten Kriterien wie Image, Wirtschaftlichkeit oder Innovationsgrad einen aus der Geschäftsstrategie abgeleiteten gewichteten "Scoringwert" liefert (siehe Abbildung 2). Passiert das Projektvorhaben auch dieses Gate, so ist für die nächste Entscheidungsstufe eine detaillierte Analyse erforderlich. Hierfür wird bereits ein Teil des Projektbudgets freigegeben.
Am dritten Gate wird schließlich anhand einer Kosten-Nutzen-Betrachtung entschieden, ob das Projekt umgesetzt wird. Dazu gehört, für jedes Projekt konsequent Business Cases zu entwickeln. Diese Entscheidungsmatrizen führen im Detail Projektinhalte und -ziele auf und zeigen so, welche Projekte der Unternehmensstrategie nutzen. Anhand der strategischen Ziele werden Fragen formuliert, welche die Business Cases beantworten müssen. Mögliche Inhalte sind zum Beispiel:
In welchem Umfang spart das jeweilige Projekt dem Unternehmen Kosten?
Wie schnell ist es umsetzbar?
Welche Risiken beinhaltet es?
Welchen Innovationsgrad besitzt es?
Erfüllt es die gesetzlichen Pflichten?
Stützt das Projekt die Ziele der Unternehmensführung?
In welchem Maß trägt das Projekt zur Umsatzsteigerung bei?
Auswahl der Projekte kann zu Konflikten führen
Die Business Cases liefern die Grundlage für die Bewertung und Priorisierung der Projekte. Und sie stellen die Unternehmen bei der Implementierung der PPM-Strukturen vor eine erste große Herausforderung, denn die Business Cases setzen häufig ein tiefergehendes betriebswirtschaftliches Verständnis seitens der Projektleiter voraus. Diese haben in der Regel aufgrund des bereits aufgebrachten Aufwands ein Interesse daran, ihre Projekte zu verwirklichen. Dieses persönliche Interesse kann Schönungen Vorschub leisten oder dazu führen, dass Projektvorhaben in anderen Projekten "versteckt" werden.
Solche U-Boot-Projekte sind häufig Indikatoren dafür, dass der Kommunikationsprozess zwischen Projektleitern und Management gestört ist oder der aufgesetzte PPM-Prozess zu akademisch ist. Wichtig ist also, dass die im Entscheidungsprozess notwendigen Dokumente mit möglichst wenig Zusatzaufwand beigebracht werden können. Dafür ist es sinnvoll, Art und Umfang der für das nächste Gate notwendigen Dokumente an die Komplexitätsklasse des Projekts zu knüpfen. Außerdem ist es förderlich, die geforderten Kriterien praxisnah zu definieren und durch ein zentrales Project Office eine Hilfestellung für den Prozess zu geben.
Bindet man darüber hinaus die verantwortlichen Projektleiter in die Entscheidungsprozesse an den Gates mit ein, so wird die Objektivität der Entscheidungsfindung für alle Beteiligten transparent und ermöglicht ein aktives Mitgestalten. Die Ablehnung von neuen Projektideen oder Stopps von nicht mehr strategierelevanten Projekten kann so selbst von den betroffenen Projektleitern nachvollzogen und akzeptiert werden.
Die Arbeit des Projekt-Portfolio-Managements hört mit der Auswahl und Priorisierung der Projekte nicht auf. Im Gegenteil, es begleitet die Projekte von der Freigabe zur Realisierung bis hin zur Zielerreichung. Um hier als Steuerungselement erfolgreich zu sein, bedarf das PPM in der Praxis regelmäßiger Reportings der Projektleiter. Dies kann von den Projektmanagern schnell als zusätzliche Belastung wahrgenommen werden. Ein Umstand, dem das PPM Rechnung tragen muss. Effizienz geht hier vor Papierkrieg. Ein gutes PPM muss zwar Wert auf das Einfordern der Berichte legen, diese Reportings sollen aber möglichst knapp und auf den Punkt formuliert sein. Im Fokus stehen dabei die Parameter Qualität, Budget und Zeit. Alle anderen Informationen können im Zuge des Monitorings direkt beim Projektleiter abgefragt werden.
Fazit
Trotz der allgemein anerkannten Wirksamkeit von PPM gibt es noch in vielen Unternehmen Nachholbedarf bei der Umsetzung. Gerade in mittelständischen Unternehmen mit ohnehin schon knapper Ressourcenlage existieren aufgrund der damit verbundenen zusätzlichen Aufwände Vorbehalte. Daher gilt es, in höchstem Maße Praxisnähe und Effizienz bei der Einführung von PPM zu berücksichtigen.
Oft sperren sich Mitarbeiter auch gegen die Einführung, weil im Unternehmen verankerte Vorgänge hinterfragt und Projektvorhaben oder bereits laufende Projekte gegebenenfalls abgesetzt werden. Andererseits ist gerade die Nachvollziehbarkeit der Auswahl ein Faktor, den viele Projektmanager, Manager und Auftraggeber zu schätzen lernen. Der Nutzen des PPM ist es in jedem Fall, bei der Auswahl der Projekte höchstmögliche Transparenz und Objektivität herzustellen. Das PPM verhindert, dass Projekte nach Sympathie und Durchsetzungskraft der Projektleiter, Manager oder Vorgesetzten bei der Geschäftsführung ausgewählt werden und stützt durch klare Prozessumsetzung die Strategieverfolgung. Mit der Umsetzung der richtigen Projekte kann so die Schlagkraft in Richtung der unternehmerischen Zielerreichung erhöht werden. (bw)