Vor allem junge Unternehmen schaffen sich im Zuge eines ICO ihre eigene Kryptowährung, sogenannte Tokens, um sie an Investoren zu verkaufen und dadurch Wagniskapital zu erhalten. Mit den Einnahmen finanzieren sie dann den Aufbau ihres Unternehmens oder konkrete Projekte. Das Prinzip ähnelt also durchaus dem eines Börsengangs oder Initial Public Offerings (IPO).
Der Erfolg solcher ICOs überraschte selbst Brancheninsider. So wurden in den Jahren 2016 und 2017 weltweit knapp vier Milliarden Dollar mit dem Verkauf von Tokens eingenommen. Bei den beiden größten ICOs Filecoin Filecoin und Tezos wurden jeweils Tokens im Wert von rund 250 Millionen Dollar verkauft. Dabei variieren die Zeiträume, in denen Tokens erworben werden können von wenigen Sekunden bis hin zu mehreren Wochen. Üblicherweise wird der Verkauf eingestellt, wenn eine vorbestimmte Menge an Tokens abgesetzt wurde.
Warnung vor Risiken und Nebenwirkungen
Die Euphorie zu verstehen, ist nicht ganz einfach, steht der Investition abgesehen von einem eher abstrakten Token doch häufig keine Gegenleistung gegenüber. Die Investoren erhalten in der Regel weder Unternehmensanteile noch Dividendenansprüche. Wäre das der Fall, müssten die strengen Wertpapiervorschriften Anwendung finden, was zu hohen Hürden beim Betreiben von ICOs führen würde. Also beziehen die Investoren meistens nur Tokens, die anschließend häufig auf einer Plattform gehandelt werden können - ohne weitergehende Rechte, und oft ist diese Plattform zum Emissionszeitpunkt noch gar nicht entwickelt.
Trotzdem sind kurioserweise Kurssteigerungen um das Zehnfache innerhalb von wenigen Wochen keine Seltenheit, was außerhalb der Kryptowelt meist auf Unverständnis stößt und Erinnerungen an Blasen weckt. Allerdings dürfen solche Ausreißer nicht darüber hinwegtäuschen, dass Tokens nach dem Ende eines ICOs häufig stark an Wert verlieren und immer auch ein Totalverlust möglich ist. Gibt es keine Käufer mehr für die Tokens, ist das Investment verloren. Hierauf wiesen zuletzt auch die BaFin und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA deutlich hin: Insbesondere Verbrauchern ohne Branchenkenntnis raten die Behörden von der Investition in ICOs dringend ab.
Auf Risiken muss hingewiesen werden
Investoren werden von den Emittenten meistens nur unzureichend über die Risiken aufgeklärt. Zwar finden die strengen gesetzlichen Regeln zur Prospektpflicht bei vielen ICOs keine Anwendung, da die entsprechenden Tokens derzeit nicht als Wertpapiere qualifiziert werden können. Aufklärungspflichten gibt es aber trotzdem, konkretisiert durch die BGH-Rechtsprechung zur Prospekthaftung.
Emittenten dürfen demnach keine unwahren Informationen verbreiten oder beim Investor einen falschen Eindruck über die Chancen und Risiken der Investition wecken. Pflichtverletzungen führen zu Schadensersatzansprüchen in Höhe der getätigten Investitionen. Betroffene Startups stünden dann schnell vor dem Ruin.
Regulatorische Maßnahmen sind nicht ausgeschlossen
Die Angst vor solchen Szenarien führt dazu, dass mehr und mehr Unternehmen anwaltlichen Rat suchen, bevor sie sich an einen ICO wagen und Tokens verkaufen. Gerade weil sich die BaFin - im Gegensatz beispielsweise zu ihrem Äquivalent in Singapur - mit konkreten Empfehlungen zurückhält, ist es wichtig, die Risiken zu kennen und zu bewerten. Brisant ist dieser Aspekt vor dem Hintergrund, dass ICOs nur teilweise reguliert sind. Soweit mit den Tokens Unternehmensanteile oder Dividendenansprüche veräußert werden, sind diese in der Regel als Wertpapier einzuordnen.
Bei anderen ICOs ist die Rechtslage nicht so eindeutig. Mit Blick auf die Handelbarkeit von Tokens an sogenannten Kryptobörsen ist es aber nicht völlig ausgeschlossen, dass hier künftig ein Paradigmenwechsel stattfindet. Der könnte dann dazu führen, dass ein ICO als Wertpapieremission angesehen würde. Das käme keinem Verbot gleich, würde aber die Hürde der regulatorischen Compliance erhöhen.
Schlecht vorbereitete ICOs schrecken Investoren ab
Ein Blick in die Praxis unter heute geltendem Recht zeigt, dass viele der seriösen ICOs hierzulande und in anderen europäischen Ländern für die Emittenten hochriskant sind, weil sie die Tür für Schadensersatzansprüche durch Investoren weit öffnen. In den Risikohinweisen etwa finden sich mitunter gravierende Lücken. Widerrufsrechte des Verbrauchers werden häufig gar nicht berücksichtigt. Manche Werbeaussagen verpflichten den Emittenten außerdem zu Leistungen, die er oft gar nicht erbringen kann.
Setzt man dies in Verbindung mit auffällig häufig anzutreffenden Haftungsklauseln, die oft aus Verträgen anderer Rechtsordnungen kopiert werden und nach deutschem Recht schlicht unwirksam sind, so wird offensichtlich, dass die Emittenten auch nach dem Ende eines ICOs noch mit erheblichen Rückforderungen rechnen müssen. Potenzielle Investoren sollten also nicht nur das Geschäftsmodells, sondern auch das ICO selbst bewerten (ICO Due Diligence). Wer hier oberflächlich vorgeht, riskiert seinen Einsatz.
Tokens können noch viel mehr
Mit der zunehmenden Verbreitung derBlockchain-Technologie dürfte auch die Anzahl der ICOs weiter steigen. Auch die regulatorischen Auflagen dürften zunehmen, was aus Gründen des Investoren- und Verbraucherschutzes auf breite Akzeptanz stoßen dürfte. Das wird die ICO-Welle aber kaum bremsen, am Ende wird sich nur das einzusetzende Kapital des Emittenten erhöhen. Attraktiv wird diese neue Art der Unternehmensfinanzierung auch dadurch, dass Tokens ohne Bank- und Börsenbeteiligung rund um die Uhr gehandelt werden können. Deshalb dürfte die Beliebtheit weiter steigen.
Tokens verfügen aber auch noch über eine weitere Funktion, deren Potenzial derzeit kaum abzuschätzen ist: Emittenten können den Investoren damit Rechte übertragen - von der Nutzung bestimmter Dienstleistungen oder Produkte über Stimmrechte oder Lizenzen bis hin zu Ansprüchen auf Dividendenausschüttungen. Vergleichbar mit einer Urkunde könnten Rechte in Verbindung mit einem Token gehandelt werden.
Auf Grund ihrer Fälschungssicherheit und der Ausschaltung von Intermediären wie Banken schlummert hier noch viel unerkanntes Potenzial. Um es voll auszuschöpfen, bedarf es hier und da einiger gesetzgeberischer Eingriffe. Auch von der Rechtsprechung müssten Klarstellungen und Konkretisierungen kommen.
- Ethereum
Eine weitere Kryptowährung, die auf dem Blockchain-Prinzip basiert. Bietet eine Plattform für programmierbare Smart Contracts. Die "Ether" werden von Fans als legitime Nachfolger der Bitcoins angesehen (siehe auch obiges Bild). - Cryptlet
Von Microsoft für die Azure-Cloud entwickelter Service, mit dessen Hilfe Anwender externe Daten in eine Blockchain einpflegen können, ohne ihre Sicherheit und Integrität zu zerstören. Cryptlets können als indvidualisierte Middleware auch von Azure-Anwendern selbst entwickelt werden - in jeder beliebigen Programmiersprache - und sollen die Brücke von der Blockchain hin zu neuen Business-Services in der Cloud schlagen. - Kryptowährung
Digitales Geld, ohne Münzen und Scheine. Mithilfe von Kryptografie wird ein verteiltes, sicheres und dezentralisiertes Zahlungssystem aufgebaut. Benötigt keine Banken, sondern Rechenpower und technische Hilfsmittel wie die Blockchain. - Blockchain
Eine Blockchain ist eine dezentrale Datenbank, die eine stetig wachsende Liste von Transaktionsdatensätzen vorhält. Die Datenbank wird chronologisch linear erweitert, vergleichbar einer Kette, der am unteren Ende ständig neue Elemente hinzugefügt werden (daher auch der Begriff "Blockchain" = "Blockkette"). Ist ein Block vollständig, wird der nächste erzeugt. Jeder Block enthält eine Prüfsumme des vorhergehenden Blocks. <br /><br /> Entwickelt wurde das technische Modell der Blockchain im Rahmen der Kryptowährung Bitcoin - als webbasiertes, dezentralisiertes, öffentliches Buchhaltungssystem aller Bitcoin-Transaktionen, die jemals getätigt wurden. - Bitcoin Core
Die Open-Source-Software validiert die gesamte Blockchain und wurde Anfang 2009 von einem gewissen <a href="http://www.computerwoche.de/a/neue-hinweise-auf-moeglichen-urheber-von-digitalwaehrung-bitcoin,3220391" target="_blank">"Satoshi Nakamoto"</a> unter dem Namen "Bitcoin" veröffentlicht. Bitcoin Core war in C++ zuächst vor allem für Windows-Systeme programmiert worden. Wenig später folgte die Portierung auf GNU/Linux. Weil die Entwickler sich zerstritten, existieren mittlerweile einige Derivate der Bitcoin-Software, unter anderem Bitcoin XT, Bitcoin Unlimited oder Bitcoin Classic. - BigchainDB
Die "skalierbale Blockchain-Datenbank" kann bis zu einer Millionen Schreibvorgänge pro Sekunde verwalten, Petabytes an Daten speichern und wartet trotzdem mit einer Latenzzeit von unter einer Sekunde auf - das alles dezentralisiert verwaltet und bei höchster Datenintegrität. Technische Grundlage ist die Blockchain-Technologie. - Distributed Ledger
Finanz-Fachbegriff für "verteilte Kontoführung". Bitcoin ist ein komplett neuer technischer Ansatz, um Informationen über bestimmte Zuordnungen zu verteilen. Es gibt hier kein klassisches Konto mehr, das zentral bei einer Bank geführt wird, sondern die "Kontoführung" basiert auf einem Netzwerk von kommunizierenden Systemen. - Smart Contract
Ein Computerprotokoll, das Verträge abbilden oder überprüfen oder die Verhandlung eines Vertrags technisch unterstützten kann. Könnte künftig den schriftlichen Vertragsabschluss ersetzen. - R3CEV
Das Startup R3 CEV baut die blockchainbasierte "Global Fabric for Finance". Mit rund 50 Finanzpartnern soll die größte Blockchain der Welt entwickelt werden - ein erster Testlauf mit elf Großbanken, darunter Barclays, Credit Suisse, HSBC, UBS und UniCredit wurde bereits erfolgreich absolviert. R3CEV ist eine strategische Partnerschaft mit Microsoft eingegangen, um Blockchain-Infrastruktur und -Technologie in der Azure Cloud entwickeln zu können. - Ripple
Ein Open-Source-Protokoll für ein Zahlungsnetzwerk - derzeit noch in der Entwicklung. P2P-Zahlverfahren und Devisenmarkt in einem, basiert auf der Kryptowährung "XRP". Ripple-Nutzer sind jedoch nicht auf diese eine Währung festgelegt, sondern können jede beliebige Währung verwenden - also beispielsweise auch Euro, Dollar oder Yen.