"Als die internen Prozesse mit dem Beginn von Remote Work plötzlich wegbrachen, wurde klar, wie schlecht die meisten Meetings gestaltet sind, wie intransparent der Großteil unserer Arbeit ist und dass wir bessere Mittel brauchen, um miteinander in Kontakt zu bleiben", bringt es Kimo Quaintance in der Podcast-Episode von "IDG Tech Talk", "What's wrong with the New Normal?", auf den Punkt:
"Es braucht einen massiven Mentalitätswandel"
Kimo Quaintance hat sich als Education Strategist darauf spezialisiert, Bildungs- und Lernerlebnisse zu konzipieren, die eine langfristige Veränderung erzielen. Mit seiner Firma IQ Gemini hilft er Unternehmen wie Audi, BMW oder Siemens dabei, die kreative Energie von Teams freizusetzen. Dabei dürfte es kaum überraschen, dass die Pandemie-bedingt deutlich angestiegene Arbeit im Homeoffice eine besondere Herausforderung darstellt.
"Um Remote Work wirklich gut zu machen, braucht es einen massiven Mentalitätswandel", erklärt der in München ansässige Amerikaner. Die Arbeit im Homeoffice erfordere von den Mitarbeitern viel mehr Autonomie, was die Nutzung von Zeit und Aufmerksamkeit angeht. Und auf Manager-Seite viel mehr Vertrauen als Kontrolle. "Für viele Manager bedeutet Remote Work es eine schwierige Umstellung", so Quaintance, "weil sie dachten, es sei ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit erledigen, also sie im Grunde beaufsichtigen."
Vertrauen ist aus seiner Sicht das Einzige, was ein höheres Maß an verteilter Arbeit möglich macht. Dazu sei es aber nötig, die Arbeit jedes Einzelnen viel sichtbarer zu machen, und ihnen gleichzeitig psychologisch Sicherheit zu geben, indem man sie ihre Herausforderungen und Gefühle über die Arbeit teilen lässt. "Es ist enorm wichtig, die Arbeit transparenter zu gestalten", so Quaintance. Auf diese Weise könne man auch vermeiden, den ganzen Tag Videokonferenzen abzuhalten, nur um auf dem gleichen Wissensstand zu bleiben. Viele Unternehmen verstünden das aber immer noch nicht wirklich und hätten selbst nach fast einem Jahr noch keine klare Vorstellung davon, was sie damit bezwecken.
Falsch eingesetzt, könnten Videokonferenzen sogar mehr Stress und ein Gefühl der Unverbundenheit zwischen den Mitarbeitern erzeugen, meint er. Sich den ganzen Tag über selbst anschauen zu müssen, all die kleinen Lücken zwischen dem, was man sagt und wie die Leute reagieren, sei schließlich extrem anstrengend.
Remote Work braucht die richtigen Tools
Aus seiner Sicht sind Messenger-Apps, die Nutzung von asynchronen Audio- und Videonachrichten oder virtuellen Whiteboards häufig die besseren Tools, um sich verbunden zu fühlen und die Arbeit zu erledigen. Eine Videokonferenz sollte dagegen etwas ganz Besonderes sein, auf das man sich speziell vorbereitet, damit jeder einen reflektierten Beitrag leisten kann - und nicht der Standard.
Apropos Standard: Dass mit dem Ende der Pandemie allmählich wieder der Normalzustand in die Büros zurückkehrt, hält der Sozialwissenschaftler für unwahrscheinlich. "Ich sehe das als ähnliche Entwicklung wie das Ende der Sowjetunion. Sobald die Leute anfingen, einen Vorgeschmack auf die Freiheit bekommen und sahen, wie andere Menschen leben, gab es kein Zurück mehr". Denn, so ist sich Quaintance sicher: "Die Zukunft ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Hybridmodell, es gibt kein Zurück, weil die Mitarbeiter das nicht mehr wollen." (mb)