Amazon arbeitet an nächster KI-Generation

Kommt nach GenAI die Agentic AI?

17.07.2024
Von 
Mike Elgan schreibt als Kolumnist für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld und weitere Tech-Portale.
Eine KI, die eigenständig Entscheidungen trifft? Was für viele eine Horrorvorstellung ist, wird derzeit von Amazon entwickelt.
Agentic AI - technologisch faszinierend aber eventuell gefährlich. Wie verhält sich eine KI, die kreativ und autonom agiert, in Sachen Ethik?
Agentic AI - technologisch faszinierend aber eventuell gefährlich. Wie verhält sich eine KI, die kreativ und autonom agiert, in Sachen Ethik?
Foto: Lightspring - shutterstock.com

Im weltweiten News-Rauschen war der Deal nur eine Randnotiz: Amazon lizenziert die Technik von Adept und wirbt Mitarbeiter des Unternehmens ab. Dabei birgt die kurze Meldung genügend Sprengstoff, um die ganze KI-Branche auf den Kopf zu stellen.

Sind ChatGPT und Co. bereits überholt?

Mit dem Know-how von Adept will Amazon die nächste Stufe der KI-Entwicklung starten und endlich der Konkurrenz von Microsoft, Google, Meta und Co. den Schneid abkaufen. Ermöglichen soll dies eine agentenbasierte KI - kurz Agentic AI.

Im Gegensatz zu herkömmlichen KI-Lösungen sollen Agentic-Systeme künftig kontextbezogen argumentieren und eigenständig entscheiden können. Zudem seien sie in der Lage zu planen sowie Absichten zu verstehen. Fähigkeiten mit denen sie dann wirklich die Rolle eines persönlichen Assistenten übernehmen könnten.

Gehört Agentic AI die Zukunft?

Dabei basieren agentenbasierte KI-Systeme auf der gleichen Art von LLMs wie die bekannten Chatbots a la ChatGPT. Allerdings mit einem wichtigen Unterschied. LLM-basierte Chatbots reagieren auf spezifische Aufforderungen und versuchen, das Gewünschte wortwörtlich zu liefern.

Agentic-Systeme gehen dagegen noch einen Schritt weiter. Sie beziehen eine autonome Zielsetzung, logisches Denken und eine dynamische Planung mit ein. Außerdem sind sie darauf ausgelegt, sich in Anwendungen, Systeme und Plattformen zu integrieren.

Autonom agierende KI

Während LLMs wie ChatGPT auf riesige Datenmengen zurückgreifen und hybride Systeme wie Perplexity AI diese mit Echtzeit-Websuchen kombinieren, verfolgt Agentic AI eine andere, breitere Form der Informationsbeschaffung. Diese Systeme beziehen darüber hinaus sich ändernde Umstände und Kontexte mit ein, um Ziele zu verfolgen. Das führt wiederum dazu, dass sie Aufgaben neu priorisieren und Methoden ändern, um diese Ziele zu erreichen.

Damit wäre Agentic AI für die Verwendung als persönlicher Assistent prädestiniert. Ein solcher digitaler Butler könnte - auf Grundlage von Anfragen in natürlicher Sprache - Besprechungen planen und einen Kalender verwalten, Zeiten auf Basis der Verfügbarkeit anderer und der eigenen ändern.

Das kann Agentic KI

Und der Butler könnte bei den Besprechungen selbst nützlich sein, indem er im Vorfeld Daten sammelt, eine Tagesordnung erstellt, Notizen macht und Aufgaben zuweist und anschließend Erinnerungsschreiben versendet. All dies könnte mit einer einzigen einfachen, aber vagen Anfrage beginnen.

Ebenso ist vorstellbar, dass Agentic AI die E-Mails des Nutzers liest, kategorisiert und beantwortet. Wobei die KI selbst entscheidet, welche sie beantwortet und welche sie dem Menschen zur Beantwortung überlässt.

Agentic AI als digitaler Sachbearbeiter

Mit Agentic AI könnte KI zum befürchteten Job-Killer werden.
Mit Agentic AI könnte KI zum befürchteten Job-Killer werden.
Foto: Lightspring - shutterstock.com

Eine weitere offensichtliche Anwendung für agentenbasierte KI ist der Kundenservice. Im Gegensatz zu heutigen interaktiven Sprachdialogsystemen (Interactive Voice Response, IVR), bei denen sich der Kunde durch komplexe Entscheidungsbäume hangeln muss, könnte eine Agentic KI nicht nur die Worte, sondern auch die Probleme und Ziele eines Kunden am Telefon verstehen. Im Anschluss könnte sie dann mehrstufige Aktionen ausführen, um eine Lösung zu finden.

Andere Aufgaben, für die sich solche Systeme eigenen, sind etwa Verkaufskontakte zu qualifizieren, die erste Kontaktaufnahme für Verkaufsanrufe durchzuführen, die Betrugserkennung und die Bearbeitung von Kreditanträgen bei einer Bank, die Überprüfung, ob sich Bewerber für eine Stelle eignen etc. Letztlich würde Agentic AI also Tätigkeiten übernehmen, die heute ein Angestellter auf Sachbearbeiterebene erledigt.

Diese Gefahren drohen

Dementsprechend groß sind angesichts dieser Fähigkeiten auch die Ängste vor Agentic AI. Zwar bewahrheiteten sich die Befürchtungen nicht, dass mit dem Aufstieg der LLMs - beginnend mit ChatGPT - die KI den Menschen die Arbeitsplätze wegnimmt. Doch mit der agentenbasierten KI-Technologie könnte das nun geschehen.

Die Entwicklung birgt noch eine weitere Gefahr. Wie verhält sich eine KI, die kreativ und autonom agiert, in Sachen Ethik. Stellt sie die eigene Zielerfüllung über Ethik und Governance-Regeln? Kann man eine solche neue Technologie wie Agentic AI aggressiven Playern wie Amazon überlassen, ohne entsprechende Regeln vorzugeben?