Nachhaltigkeits-Spagat

Können Telcos innovativ und zugleich grün sein?

15.03.2023
Von 
Joe Baguley ist Vice President und Chief Technology Officer EMEA bei VMware
TK-Unternehmen müssen mit weniger CO2-Ausstoß mehr Daten-Traffic unterstützen. Innovationen wie erneuerbare Energien, 5G und Virtualisierung helfen ihnen dabei.
5G und andere Technologien ermöglichen es Telcos, den Datenhunger der Nutzer zu stillen, ohne dass der Energieverbrauch extrem ansteigt.
5G und andere Technologien ermöglichen es Telcos, den Datenhunger der Nutzer zu stillen, ohne dass der Energieverbrauch extrem ansteigt.
Foto: metamorworks - shutterstock.com

Auf die eine oder andere Weise sind die meisten Menschen auf der ganzen Welt "süchtig" nach Online-Verbindungen und -Erlebnissen. Ob sie nun einen Film streamen oder eine Datei auf einen Laptop herunterladen - die geringste Verzögerung bei der Verbindung führt zu Frustration. Daher suchen Verbraucher nach einem Netzbetreiber, der die neuesten Produkte und Dienste zu einem erschwinglichen Preis anbietet. Allerdings wird die Öffentlichkeit auch immer umweltbewusster, und einige werden Marken meiden, die nicht über ein starkes grünes Profil verfügen.

Damit befindet sich die Telekommunikationsbranche an einem Wendepunkt. Die TK-Anbieter müssen weiterhin technologisch vorne mit dabei sein, um den "vernetzten Verbraucher" zufriedenzustellen. Sie müssen jedoch auch den beträchtlichen Energieverbrauch berücksichtigen, für den sie verantwortlich sind, und die Auswirkungen, die dies angesichts der in ganz Europa in die Höhe schießenden Energiepreise auf das Ergebnis hat. Derzeit ist die Telco-Branche einer der größten Energieverbraucher der Welt mit laut Future of Commerce vier Prozent des weltweiten Bedarfs. Dieser enorme Stromverbrauch vergrößert den CO2-Footprint der Branche dramatisch. Angesichts steigender Energiepreise können es sich die TK-Anbieter nicht leisten, in diesem Tempo weiterzumachen.

Glücklicherweise ist dies kein Problem, das die Branche auf die leichte Schulter nimmt. Der Energieverbrauch der Telcos ist am Sinken. Trotz wachsender Anforderungen haben drei der größten europäischen Telekommunikationsbetreiber, BT, Orange und Telefonica, im Jahr 2021 weniger Energie verbraucht als noch fünf Jahre zuvor.

Modernisieren, priorisieren, kapitalisieren

In der Telekommunikation verbrauchen die Netze selbst den größten Teil der Energie. Die meisten Energiesparinitiativen konzentrieren sich daher auf die Modernisierung dieser Netze von Anfang bis Ende. Ich glaube, dass die übergreifende Lösung zur Senkung des Energieverbrauchs in der Modernisierung liegt, bei der die betriebliche Effizienz und die Kostensenkung im Vordergrund stehen - was die Branche bereits in unterschiedlichem Maße tut.

So erlebte Orange zwischen 2014 und 2018 einen enormen Anstieg des Datenverkehrs, konnte aber den "Daten-Tsunami" unter anderem durch die Nutzung neuer Kühltechnologien für Rechenzentren, moderne Energieoptimierungsfunktionen sowie durch die Umstellung auf 5G reduzieren. Durch leistungsoptimierte Core-, RAN- und Edge-Lösungen lässt sich zudem die Spektrumeffizienz verdoppeln und der Energieverbrauch des RAN halbieren.

Telekommunikationsprovider können ihre eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen durch drei grundlegende Maßnahmen vorantreiben.

1. Umstellung auf erneuerbare Energiequellen

Kohlenstoffdioxid-Emissionen entstehen schon bei den kleinsten Aufgaben, wie dem Versenden von E-Mails oder der Suche nach etwas im Internet. Bei 4,1 Milliarden Menschen, die mit dem Internet verbunden sind, summiert sich diese kleine Menge CO2 schnell.

Da die Strompreise in ganz Europa steigen, ist die Beschaffung strategisch nachhaltiger Energie ein Muss. Die Umstellung auf eine erneuerbare Energieversorgung wird die Kosten senken und die Abhängigkeit von Energiequellen verringern, die von globalen Ereignissen abhängigen Preisschwankungen unterliegen. Auch Orange denkt in diese Richtung und hat kürzlich angekündigt, einen Solarpark zu bauen, um den Zugang zu erneuerbarer Energie zu verbessern.

2. Aufrüsten auf 5G-Netze

In den letzten zehn Jahren haben wir aber auch bei anderen TK-Unternehmen viele erfolgreiche 5G-Implementierungen erlebt, darunter bei Vodafone und Telia. Die Aufrüstung auf 5G-Netze ermöglicht es Telcos, den Kunden eine bessere Konnektivität zu bieten und gleichzeitig den Netzverbrauch zu senken. Da 5G-Netzwerke softwaredefiniert sind, wird eine effiziente Ressourcenzuweisung und eine Senkung des Energieverbrauchs ermöglicht.

Dank des 3. Generation Partnership Projekts (3GPP), einer Gruppe von Organisationen, die die Normen und Spezifikationen für 5G festlegen, verfügen diese Netze zudem über Energiesparfunktionen, die durch das Abschalten von Zellen oder Funktionen den Verbrauch innerhalb eines Netzes reduzieren. Ein Beispiel hierfür ist die "Zellenumschaltung", die es 5G-Geräten ermöglicht, Zellen je nach Signalstärke und -qualität zu wechseln. Mit Lösungen wie einem RAN Intelligent Controller werden die 5G-Funktionen des 3GPP unterstützt, unter anderem ermöglicht er die Programmierbarkeit des RAN, um den Stromverbrauch zu bestimmten Tageszeiten zu reduzieren.

5G-Netze unterstützen auch Edge Computing, wodurch die Datenmenge, die über große Entfernungen übertragen werden muss, reduziert wird. Aufgrund der Geschwindigkeit und Effizienz von 5G werden die Datenströme am Rande des Netzes jedoch immer größer. Hier helfen Edge-Lösungen, um näher an den Ort heranzukommen, an dem diese Dienste in Anspruch genommen werden, und um die Netzwerke effizienter zu machen. Der Aufbau, die Ausführung, die Verwaltung und die Verbindung über Edge-native Anwendungen werden für TK-Anbieter entscheidend sein, um ihre Herausforderungen zu meistern.

Edge Computing in Verbindung mit 5G hat zudem zu einer rasanten Verbesserung von Virtual und Augmented Reality (AR/VR) geführt, da es die Möglichkeit bietet, eine Umgebung in Echtzeit darzustellen. Dadurch konnten verschiedene Branchen ihre Services verbessern, wovon letztendlich auch die Verbraucher profitieren.

3. Einsatz modernster Virtualisierung

Auch Virtualisierungstechnologie trägt dazu bei, die Auswirkungen auf den Betrieb zu verringern und gleichzeitig die Produktivität zu steigern. Für Telekommunikationsunternehmen kann Virtualisierung am effektivsten sein, wenn sie ein physisches Netzwerk reproduzieren und die virtuelle Ausführung von Anwendungen ermöglichen. Das Resultat sind eine höhere Effizienz, geringere Betriebskosten, schnellere Arbeitslasten, eine bessere Anwendungsleistung und eine höhere Serververfügbarkeit. Falls noch nicht geschehen, müssen Telcos Virtualisierung in ihren Stack integrieren, um Nachhaltigkeit und Produktivität zu steigern.

TK-Firmen als Vorreiter für mehr Nachhaltigkeit

Die Modernisierung der Netze von Anfang bis Ende, um mit den Anforderungen heutiger Verbraucher Schritt zu halten und gleichzeitig der Nachhaltigkeit Vorrang zu geben, ist eine Herausforderung, der man sich am besten frontal stellt. Sobald die Telcos einen oder alle der oben genannten Schritte in Angriff nehmen, werden sich die Nachhaltigkeitsaussichten der Branche schnell zum Positiven wenden, und andere Branchen werden nachziehen.

Warum? Die TK-Firmen leisten großartige Arbeit bei der Umgestaltung ihrer Abläufe, um eine bessere, umweltfreundlichere Branche zu schaffen. Trotz explodierender Energiepreise und Spekulationen über eine Rezession sehen wir nicht, dass sie ihre Investitionen in Erfindungsreichtum und Nachhaltigkeit kürzen. Stattdessen beobachten wir eine Verlagerung der Investitionsgründe: Innovation und Nachhaltigkeit haben jetzt oberste Priorität. (mb)