Arm gegen Qualcomm

Klage gefährdet Windows-on-Arm-Zukunft

14.09.2022
Von 
Mark Hachmann ist Senior Editor bei PC World.com und beschäftigt sich hauptsächlich mit Microsoft und Mikrochips. Zuvor schrieb er unter anderem für die Portale PCMag, BYTE, eWeek und ReadWrite.
Windows-on-Arm basiert auf einem Chip, der unter schlechter Performance, Kompatibilitätsproblemen und Verzögerungen leidet. Nun kommt ein Rechtsstreit hinzu.
Der drohende Rechtsstreit zwischen Qualcomm und Arm könnte nicht nur Windows on Arm ausbremsen.
Der drohende Rechtsstreit zwischen Qualcomm und Arm könnte nicht nur Windows on Arm ausbremsen.
Foto: Tada Images - shutterstock.com

Niemand sollte wollen, dass Arm Qualcomm verklagt:

  • Qualcomm will das offensichtlich nicht, denn in der von Arm eingereichten Klage geht es nicht nur um Schadenersatz. Auch die bisherige Arbeit, die die Tochtergesellschaft Nuvia - einst die große Hoffnung für Arms Desktop-Prozessor-Ambitionen - geleistet hat, steht auf dem Spiel.

  • Microsoft sollte das nicht wollen - vorausgesetzt, der Konzern glaubt noch an ein wettbewerbsfähiges Hardware-Ökosystem für Windows on Arm. Das wird von Qualcomm und seinen Snapdragon-Prozessoren angeführt.

  • Und Arm sollte das ebenfalls nicht wollen, denn Qualcomm hat die Chance, den PC-Markt aufzumischen, der sich derzeit zwischen den rivalisierenden X86-Architekturen von AMD und Intel aufteilt. (Zugegeben, diese beiden Unternehmen würden vom verstärkten Wettbewerb wohl nicht profitieren).

Dennoch strengt Arm eine Klage gegen Qualcomm, einen seiner Hauptlizenznehmer, an. Unterdessen dümpelt das gesamte Snapdragon-PC-Ökosystem vor sich hin - und bei Nuvia arbeitet man hinter den Kulissen daran, alles zum Guten zu wenden. Natürlich sind nun weder Qualcomm noch Windows on Arm direkt am Ende. Dennoch: Ein Rechtsstreit ist das Letzte, was Qualcomm jetzt gebrauchen kann.

Nuvia-CPUs unter keinem guten Stern

Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge strebt Arm eine einstweilige Verfügung an, um Qualcomm dazu zu verpflichten, die Designs zu zerstören, an denen es gemeinsam mit Nuvia arbeitet. Im Jahr 2021 hatte Qualcomm das Nuvia-Designteam und sein geistiges Eigentum gekauft. Bislang hat das Unternehmen noch kein Produkt angekündigt, Berichten zufolge soll Nuvia allerdings an einem Arm-Prozessor arbeiten, der sowohl für Server als auch für mobile PCs und möglicherweise auch Desktops verwendet werden kann.

Arm behauptet im Rahmen seiner Klage, getrennte Geschäfts- und Lizenzvereinbarungen mit Nuvia und Qualcomm getroffen zu haben. Qualcomm sei nach dem Kauf von Nuvia verpflichtet gewesen, die Vereinbarungen neu auszuhandeln. Da das nicht geschehen sei, nutze Nuvia unrechtmäßig geistiges Eigentum von Arm.

Windows on Arm mit Qualcomms Snapdragon-Prozessor hatte bereits unter zwei Problemen zu leiden: einem Mangel an Leistung und Kompatibilitätsproblemen. Zumindest letzteres ist inzwischen weitgehend gelöst. Dennoch hinken Qualcomms Snapdragon-Prozessoren dem Konkurrenten Intel in Sachen Performance bereits deutlich hinterher. Es wurde erwartet, dass die neuen Nuvia-Designs dieses Problem lösen würden. Doch der Zeitplan hat sich verschoben und die ursprünglich für das Jahr 2023 geplanten Prozessoren, Anfang 2022 auf Ende 2023 verschoben.

Im günstigsten Fall wird Qualcomm mit seinen Nuvia-CPUs der nächsten Generation also gegen Intels Chip-Familie der vierzehnten Generation ("Meteor Lake") und AMDs Dragon Range antreten. Das wäre ein sehr ambitioniertes Unterfangen.

Nuvia-Hype vor dem Ende?

Qualcomm bestreitet die Behauptungen von Arm. Die Klage von Arm stelle eine unglückliche Abweichung von der langjährigen, erfolgreichen Beziehung zu Qualcomm dar, ließ Ann Chaplin, General Counsel von Qualcomm, in einer Erklärung wissen: "Arm hat weder vertraglich noch anderweitig das Recht, zu versuchen, die Innovationen von Qualcomm oder Nuvia zu beeinträchtigen. Die Klage von Arm ignoriert die Tatsache, dass Qualcomm über weitreichende, gut etablierte Lizenzrechte verfügt, die seine speziell entwickelten CPUs abdecken. Wir sind zuversichtlich, dass diese Rechte bestätigt werden."

Bob O'Donnell, Gründer von TECHnalysis Research, hält es für wahrscheinlich, dass sich die Konfliktparteien im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs einigen werden - eine etwas groteske Situation, die der Analyst (offensichtlich untertreibend) als "seltsam" bezeichnet: "Ich denke, dann werden sie so tun müssen, als sei nichts passiert. Etwas Geld wird den Besitzer wechseln - hoffentlich eher früher als später - und es wird eine Lösung gefunden werden. Denn je länger sich das hinzieht, umso drängender werden die Fragen, die sich daraus ergeben."

Eine dieser Fragen ist dabei natürlich, ob Nuvia seine Arbeit legal fortsetzen kann. Fraglich ist aber auch, ob das Unternehmen seine ursprünglichen Zeitpläne einhalten kann, während die Klage anhängig ist - oder ob die Nuvia-Chips auf Anfang 2024 verschoben werden. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Qualcomm damit beginnen kann, seine kommenden Chips auf Nuvia-Basis zu bewerben - etwas, das das Unternehmen normalerweise für seinen Snapdragon Technology Summit (15. November 2022) einplant.

Das wäre wichtig, denn selbst wenn Nuvia dann kein Silizium vorweisen kann, könnten Führungskräfte (die nicht durch rechtliche Bedenken behindert werden), über die Spezifikationen, potenzielle Märkte oder andere Dinge sprechen und Nuvia im Gespräch halten. Das würde dem gesamten Windows-on-Arm-Ökosystem ehrlicherweise nicht schaden. Die Chancen, dass es dazu kommt, sind allerdings gering, wenn Qualcomm jedes Gespräch zu diesem Thema vorher mit seiner Rechtsabteilung durchsprechen muss. Doch auch hier bleibt Qualcomm vorerst positiv: Laut einem Unternehmensvertreter sollen auf dem Technology Summit Updates für alle Geschäftsbereiche, einschließlich Compute, präsentiert werden.

Doch O'Donnell ist nicht der einzige Analyst, der der Meinung ist, dass sich das Ganze in Luft auflösen wird: "Ich glaube nicht, dass die Klage die internen Entwicklungsbemühungen von Qualcomm oder seine OEM- und ODM-Partner bremsen wird", meint Patrick Moorhead, Chefanalyst bei Moor Insights. "Einige dieser Partner haben mir gegenüber zwar ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht, sind aber auch zuversichtlich, dass die Angelegenheit geklärt wird. Sowohl Qualcomm als auch Arm haben die unglaubliche Chance, 93 Prozent des PC-Marktes für sich zu gewinnen. Es liegt im Interesse der Branche, eine Lösung zu finden. Davon abgesehen bin ich mir sicher, dass Apple, AMD und Intel die aktuelle Situation genießen."

Allerdings dürften Qualcomm-Vertreter nicht erst im November unangenehme Fragen erwarten, sondern bereits Ende September, wenn das Unternehmen in New York City seinen "Automotive Investor Day" abhält. Denn raten Sie mal, was die Grundlage für die Automotive-Plattform von Qualcomm liefert? Richtig - Snapdragon und Arm. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation PC World.