IBM-Chef Krishna

KI braucht noch zehn Jahre

28.04.2022
Von Redaktion Computerwoche
Nachdenklich äußerte sich IBMs CEO Arvind Krishna zum Thema KI. Hier werde noch einige Zeit ins Land gehen, ehe Unternehmen im größeren Maßstab profitieren könnten.
Die Umsätze bei IBM steigen wieder. CEO Arvind Krishna setzt auf KI und Hybrid Cloud.
Die Umsätze bei IBM steigen wieder. CEO Arvind Krishna setzt auf KI und Hybrid Cloud.
Foto: drserg - shutterstock.com

In einem Interview mit dem Wall Street Journal (WSJ) zeigte sich Krishna skeptisch, was schnelle Fortschritte in Sachen künstlicher Intelligenz angeht. Neben dem Megatrend Hybrid Cloud bleibe KI zwar das zweite zentrale Thema, aber hier stünden die Unternehmen noch ziemlich am Anfang und hätten bisher nicht mehr als zehn Prozent der Wegstrecke zurückgelegt.

Nach seiner Ernennung zum CEO im Jahre 2020 hatte der langjährige IBMer am Kurs von seiner Vorgängerin Virginia Rometty festgehalten und neben KI auch die Hybrid Cloud zur Schlüsseltechnologie erklärt. Die 34 Milliarden Dollar schwere Übernahme von Red Hat mit dessen Kubernetes-Plattform OpenShift dient laut IBM nicht zuletzt dazu, die Hybrid-Cloud-Geschäfte anzuschieben und Unternehmen die Möglichkeit zu bieten, Softwarecontainer in hybriden Cloud- und On-premises-Landschaften zu orchestrieren. Der Kauf im Jahr 2018 war unter der Regie des damaligen Kronprinzen Krishna eingefädelt worden.

Auslagerung des IT-Services-Business half IBM

Weitere Themen, auf die der CEO setzt, sind Quanten Computing, die Blockchain und IT-Sicherheit. Um diese wachsenden Geschäftsfelder voranzubringen, entschied sich der IBM-Chef im vergangenen Jahr, stärker zu fokussieren und das rund 19 Milliarden Dollar schwere IT-Services-Business - damals genannt Managed Infrastructure Services - in die neu gegründete, selbständig agierende Kyndryl Holdings Inc. auszulagern.

Im Gespräch mit dem WSJ betonte Krishna, dass Technologie heute der entscheidende Hebel für Unternehmen sei, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Dabei komme der KI eine besondere Rolle zu. Sie sei die einzige Technik, mit der sich aus Daten automatisiert verwertbare Erkenntnisse gewinnen ließen. "Wir haben hier aber noch einige Probleme", sagte der IBM-Chef, "wir müssen ethische Fragen lösen und dafür sorgen, dass sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen."

KI müsse beherrscht werden, damit am Ende keine "Monster" erschaffen würden. "Ich bin aber wirklich optimistisch, dass wir alle Probleme lösen können." Auf die Frage, wann das der Fall sei, gab Krishna einen unerwartet langen Zeitraum von zehn Jahren aus.

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Der IBM-Chef ging auch auf die gewachsene Bedeutung der CIO-Rolle ein: "Vor zehn Jahren fühlten sich viele Vorstandschefs in der Lage, Entscheidungen allein zu treffen, der CIO musste sie dann ausführen. Heute würde ich selbst, auch wenn ich mich ganz gut mit Technologie auskenne, nichts Wichtiges entscheiden, ohne meinen CIO zu fragen: 'Was denkt er? Was denkt sein Team? Was halten er und sein Team für die beste Lösung?'"

"Mir ist egal, ob wir mehr für IT ausgeben"

Früher sei es vor allem um IT-Kosten gegangen. Wer das Budget einhalten oder, besser noch, kürzen konnte, war der Star. "Heute ist mir eigentlich egal, ob mehr ausgegeben wird, solange wir dadurch produktiver werden", sagte Krishna. Wenn etwas unternommen werde, das zu einer schnellen Umsatzsteigerung führe, ohne dass mehr Mitarbeiter eingestellt werden müssten - die stünden einfach nicht zur Verfügung - dann sei das nützlich und wertvoll.

Der IBM-Chef sagte: "Ich glaube, dass der CIO in vielen Spitzenunternehmen inzwischen einen umfassenden Zuständigkeitsbereich hat." Aber er müsse als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Er müsse stets informiert und beim Festlegen der wichtigsten Prioritäten involviert sein. "Der CIO leitet dann die Implementierung, die Technologieshow", so Krishna. Er kenne die Technologien und verstehe die Unternehmensarchitektur.

Wie schon seine Vorgängerin Rometty unterstrich auch der IBM-Boss die wachsende Bedeutung der Cybersicherheit - es sei das "Thema des Jahrzehnts". Unternehmen müssten einen konzernweiten Ansatz wählen und auf einen umfassenden Schutz über verschiedene Ebenen hinweg setzen. Datenverschlüsselung, Zugangskontrolle und das schnelle Erkennen und Beheben von Vorfällen seien besonders wichtig. Unternehmen müssten mit Backup- und Recovery-Maßnahmen dafür sorgen, dass kritische Systeme schnell wieder aktiviert werden könnten.

Neue IBM-Strategie trägt erste Früchte

Die jüngsten Geschäftserfolge geben dem IBM-Chef mit seiner Strategie recht: Im Ende März 2022 abgeschlossenen ersten Geschäftsquartal stiegen die Einnahmen um acht Prozent auf 14,2 Milliarden Dollar, im vorhergehenden vierten Quartal des Vorjahres waren die Umsätze ebenfalls um 6,5 Prozent gewachsen. Davor hatten die Erlöse seit 2012 - mit leichten Schwankungen - mehr oder weniger stagniert.

Dabei zeigte sich, dass die Übernahme von Red Hat ein Volltreffer war, der Umsatz stieg im ersten Quartal gegenüber der Vorjahresperiode um 18 Prozent. IBM hatte damals entschieden, Red hat als weitgehend unabhängige Geschäftseinheit agieren zu lassen, dabei aber von der Kultur und den sich neu eröffnenden Geschäftsperspektiven in Bereichen wie Hybrid-Cloud-Infrastrukturen und Legacy-Modernisierung zu profitieren. Diese Rechnung scheint nun aufzugehen.

Das Webzine Nextplatform analysiert durchaus gewagt, IBM habe es mit der Red-Hat-Übernahme geschafft, eine lebendige Alternative zu den schwächelnden Plattformen System Z und Power Systems zu schaffen - eine "dritte Plattform" gewissermaßen. Dabei sei es gelungen, die alten Plattformen zu transformieren und mittels Integration in eine hybride IT-Infrastrukturwelt wieder mit Leben zu füllen. Je besser sich Red Hat entwickele, desto stärker profitierten heute das Mainframe- und Server-Business. Dank der starken Gewinnmargen in diesen Bereichen habe Big Blue dann das nötige Kleingeld, um wiederum die Red-Hat-Plattform weiter auszubauen.

14 Prozent Plus im Hybrid-Cloud-Business

IBM berichtet von einem um 14 Prozent gestiegenen Hybrid-Cloud-Umsatz von fünf Milliarden Dollar in den vergangenen drei Monaten, im gesamten Geschäftsjahr 2021 seien die Erlöse hier sogar um 17 Prozent auf 20,8 Milliarden Dollar geklettert. Allerdings muss sich das Unternehmen derzeit auch des Vorwurfs erwehren, seine Cloud-Umsätze künstlich aufgepumpt zu haben. IBMs Nettogewinn im ersten Quartal belief sich auf 733 Millionen Dollar (1. Quartal 2021: 955 Millionen Dollar).