3 Anwendungsfälle

KI als Gamechanger für die Industrie

04.05.2023
Von 
Christian Korff ist Mitglied der Geschäftsführung bei Cisco Deutschland und Leiter der Bundesfachkommission „Künstliche Intelligenz und Wertschöpfung 4.0“ vom Wirtschaftsrat der CDU
Die Hannover Messe hat gezeigt: Künstliche Intelligenz wird die Leistungsfähigkeit und Effizienz vieler Fertigungsprozesse erhöhen. Drei Anwendungsfälle helfen, das Potenzial frühest- und bestmöglich zu nutzen.
Zahlreiches Showcases auf der HMI demonstrierten: KI wird die Industrie revolutionieren.
Zahlreiches Showcases auf der HMI demonstrierten: KI wird die Industrie revolutionieren.
Foto: Deutsche Messe

Eines der Top-Themen auf der Hannover Messe Industrie 2023 war Künstliche Intelligenz - egal ob in Produktion, Logistik, für IT-Security oder Hybrid Work. Damit wird klar: KI wird die Industrie revolutionieren, denn bald werden Systeme selbst lernen, welche Abläufe am effizientesten sind - das reicht von der Fahrstuhlsteuerung bis hin zur Verpackung von Schokoriegeln.

Doch um die KI in der Fläche zu nutzen, muss zunächst die bestehende Infrastruktur auf den neuesten Stand gebracht werden. Die Automobilindustrie übernimmt dabei eine führende Rolle. So entsteht derzeit in einem Konsortium rund um Audi eine Lösung, um virtualisierte speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) zu vernetzen. Dadurch lassen sich die Steuerungselemente vom Roboter-Arm oder der Hutschiene in der Produktion auf virtuelle Maschinen übertragen, die auf Standard-Hardware in einem Mikro-Rechenzentrum laufen.

Im Vergleich zum manuellen Update über USB-Stick können somit Aktualisierungen für alle Systeme in einem Schritt durchgeführt werden. Der Zeitgewinn: Statt Tagen sind nur noch wenige Minuten nötig. Mit dem dann möglichen Einsatz von KI lassen sich die Fertigungsabläufe zusätzlich optimieren. Durch das automatische Sammeln und Analysieren der nötigen Daten in Kombination mit maschinellem Lernen werden die Abläufe innerhalb weniger Stunden und laufend verbessert. Solche und ähnliche Lösungen geben einen Vorgeschmack darauf, was auf die deutsche Industrie in den kommenden Monaten und Jahren zukommt.

Mehr als Chatbots und Hausaufgabenhilfe

KI ist weit mehr, als es die aufgeregte Debatte in Deutschland rund um Chatbots, Suchfunktionen und Hausaufgaben vermuten lässt. Diese Perspektive ist zu kurzsichtig für den deutschen Industrie-Standort. KI wird die Industrie revolutionieren, denn bald werden Systeme selbst lernen, welche Abläufe am effizientesten sind. Dazu werden sich Produktionsstraßen selbst konfigurieren und zeitaufwändige manuelle Prozesse ablösen. Jedes System, das in der Lage ist zu lernen, wird nicht lernende Systeme überholen. Die dadurch erreichten Effizienzgewinne werden enorm sein.

Das bedeutet: Mittelfristig wird KI die Industrie so stark verändern wie "Fuzzy Logic" die Elektrotechnik. Ohne Fuzzy Logic würde heute weder ein Fahrzeug-Assistenzsystem noch eine Getränkeabfüllung oder die Produktion funktionieren. Entsprechend wird auch die KI in den kommenden Jahren ein echter Gamechanger sein. Dies gilt natürlich für viele Bereiche. Speziell in der Fertigung wird sie die Leistungsfähigkeit zahlreicher Prozesse erhöhen. Daher muss sich Deutschland schon jetzt auf den künftigen Einsatz von KI vorbereiten.

Dabei sollte sich der Wirtschaftsstandort derzeit auf die folgenden Anwendungsfälle konzentrieren.

Anwendungsfall 1: Fachkräfte

Zur Digitalisierung und Automatisierung der Produktion sind neben OT- auch IT-Expertinnen und -Experten (im weiteren Verlauf des Textes wird zur besseren Lesbarkeit die männliche Form verwendet) notwendig. Insbesondere der IT-Fachkräftemangel behindert jedoch die Weiterentwicklung und wurde auch auf der diesjährigen Hannover Messe heiß diskutiert.

Heute sind viele Programmierer erforderlich, um digitale Fertigungslösungen zu konzipieren, anzupassen und zu betreiben. Doch mit den enormen Sprüngen der generativen KI werden sogenannte "No Code/Low Code"-Tools immer leistungsfähiger. Diese ermöglichen es auch fachfremden Mitarbeitern, mit Hilfe einfach nutzbarer grafischer Oberflächen geeignete Programme für die Digitalisierung und Automatisierung der Produktionsabläufe zu erstellen.

KI wird aber nicht nur dem IT-Fachkräftemangel in der Produktion massiv entgegenwirken, sondern auch die Rollen in der Fertigung verändern. So werden Mitarbeiter zu einer Art Maschinenführer der KI - so wie es heute Zug- oder Kranführer gibt. Gemeinsam kann der Wirtschaftsstandort Deutschland KI zu einem zentralen Vehikel entwickeln, um das bestehende Industrie-Know-how in die digitale Welt zu überführen.

Anwendungsfall 2: Effizienzsteigerung

Schon heute läuft eine moderne Fertigungsstraße weitgehend automatisiert. Doch die hochgradig festgelegten, standardisierten Prozesse sind zuletzt an Grenzen gestoßen. So konnten wir in den letzten Jahren Probleme bei den Lieferketten und der Erfüllung kurzfristiger Nachfrageänderungen sehen. Auch die Energieeffizienz wird angesichts von Energie- und Klimakrise sowie Inflation zu einer immer dringlicheren Herausforderung.

Eine Lösungsmöglichkeit bietet KI, die sich derzeit am Beginn einer exponentiellen Entwicklung befindet. In naher Zukunft sorgen voll digitalisierte Systeme in den Produktionsstraßen für eine deutlich höhere Ausfallsicherheit und Flexibilität. Denn sie sammeln alle nötigen Informationen und werten diese in Echtzeit aus. In Kombination mit intuitiven Schnittstellen können Mitarbeitende die von der KI vorgeschlagenen Maßnahmen prüfen und per Spracheingabe umsetzen.

So lässt sich von der Fahrstuhlsteuerung bis zur Verpackung von Schokoriegeln eine deutliche Effizienzsteigerung erzielen. KI wird auch hier zum Gamechanger, der eine automatisierte Ressourcenverwaltung und Produktionsoptimierung in Echtzeit ermöglicht.

Anwendungsfall 3: Nachhaltigkeit

Eine durch KI-Unterstützung effizientere Produktion zur Vermeidung von Energieverbrauch und CO2-Emissionen ist nur ein Aspekt von Nachhaltigkeit. Auch das unterstützende Unternehmensnetz und der Betrieb des Gebäudes müssen umweltschonend sein.

Zum Beispiel sind Geräte mit neuen Chipsätzen von Cisco oft 80 bis 90 Prozent energieeffizienter beim Datentransport als das Vorgängermodell. Zudem können Fertiger durch die Verwendung von Gleichstrom statt Wechselstrom rund die Hälfte an Energie und ein Drittel an Elektromaterialien sparen. Neben IT-Geräten sollten auch Licht, Heizung oder Klimaanlage nur dann aktiv sein, wenn sie wirklich benötigt werden. Hier können etwa Sensoren registrieren, ob die aktuellen Bedingungen eine Aktivierung erfordern. KI-Lösungen für Smart Buildings ermöglichen weitergehende Analysen für schnelle Anpassungen. (mb)