Wäre man ironisch, könnte man Hasso Plattner ein paar Probleme andichten. Der Mann ist 58 und Multimilliardär - eine Situation, in der andere sich längst von ihrem Lebenswerk insofern verabschiedet haben, als das profane Tagesgeschäft für sie keine Rolle mehr spielt. Dietmar Hopp zum Beispiel, mit Plattner einer von fünf ehemaligen IBM-Mitarbeitern, die SAP am 1. April 1972 gegründet und in den folgenden 30 Jahren zu einem weltweit agierenden Softwarekonzern gemacht haben, tummelt sich heute auf Golfplätzen und in Sponsorengremien. Man könnte zudem darüber philosophieren, dass Plattner den Zeitpunkt für seinen Abgang verpasst hat - nämlich im Mai 1998, als sich Vorgänger Hopp vom Amt des Vorstandssprechers zurückzog und Plattner (bis dato Entwicklungsvorstand) mit
Henning Kagermann die Führung übernahm.
Mit R/2 und R/3 kam der Erfolg
Schließlich galt damals das Feld als bestellt. Mit ihren ERP-Suites R/2 und R/3 hatten sich die Walldorfer in den 90er Jahren nach oben katapultiert; das geflügelte Wort vom „German Engineering“ machte die Runde - innerhalb der IT und an der Börse. Der Wert der SAP-Aktie war binnen fünf Jahren um 1000 Prozent gestiegen. In drei weiteren Jahren wolle und könne man den Umsatz verdoppeln, hieß es seinerzeit.
Es kam etwas anders. Die Entscheidung Plattners, damals nicht zu gehen, war für die SAP nicht von Nachteil. Vielmehr war er in der Folge der richtige Mann zur richtigen Zeit. Ende der 90er Jahre schien die IT-Industrie endgültig gesellschaftsfähig geworden zu sein. Das Internet sollte Business und Society revolutionieren, der Hype an der Börse tat dazu sein Übriges. Statt technisch orientierter Blaupausen-Freaks waren jetzt charismatische Persönlichkeiten wie Plattner oder Oracle-Chef Larry Ellison gefragt. Fast schon legendär sind die zahlreichen öffentlichausgetragenen Wortge-fechte der beiden, die mit Plattners Amtsantritt als Boss der SAP noch an Schärfe gewannen. Plattner wie Ellison pfleg(t)en dabei mit Inbrunst ihr zer-rüttetes Verhältnis sowie ihr Image als Software-Machos. Beide segeln mit eleganten Hochseejachten auf den Weltmeeren, lieben schnelle Autos und vieles mehr - Stoff, den auch Fach- und Wirt-schaftsgazetten gerne aufnahmen.
Solch eine Vita kommt an - nicht nur bei den Analysten, die der umtriebige SAP-Chef auch schon mal beschimpft hat. Die Journalisten übrigens auch. Wie kaum ein anderer Topmanager der IT kann Plattner jovial, gewinnend und dann auch wieder abschreckend, regelrecht brutal wirken. Auch andere seiner Auftritte haben sich in das Gedächtnis vie-ler Zeitgenossen eingeprägt, etwa der auf offener Bühne rockende Gitarrist bei der Anwenderkonferenz Sapphire in Las Vegas im Juni 2000, wo der „Visionär“ kräftig die Werbetrommel für Mysap.com rührte.
Mysap.com ist ein gutes Stichwort, um den Un-ternehmer Plattner zu beschreiben. Denn sein Ver-dienst dürfte es gewesen sein, SAP 1999 mit geradezu brachialer Gewalt in Sachen Produktstrategie auf Internet-Kurs gebracht zu haben. Heute steht die SAP - gemessen an der branchenweiten Krisenstimmung - alles andere als schlecht da. Mit Plattner wie eh und je auf der Brücke, auch wenn sich zuletzt die Gerüchte um seinen Abgang verdichtet haben. Plattner hat seinen 2004 auslaufenden Vertrag als Vorstandssprecher bis dato nicht verlängert, könnte also durchaus im zarten Alter von 60 mit der Morning Glory in den Ruhestand segeln und das Kommando in Walldorf an Co-Vorstandssprecher Hen-ning Kagermann übergeben. Warten wir es ab.
Zur Person
• Geboren am 21. Januar 1944 in Berlin.
• Studium der Nachrichtentechnik an der TU Karlsruhe.
• 1968 bis 1972 Mitarbeiter der IBM Deutschland.
• 1. April 1972: Gründung der SAP zusammen mit Dietmar Hopp, Klaus Tschira, Hans-Werner Hector und Claus Wellenreuter.
• 1998 Führungswechsel: Hopp und Tschira scheiden aus dem Vorstand aus. Plattner wird Vorstandssprecher, Henning Kagermann „zweiter“ Vorstandssprecher.