Die Globalisierung ist für Kärcher keine Unbekannte, die anthrazitfarbenen Reinigungsmaschinen des schwäbischen Maschinenbauers sind weltweit seit Jahren bei professionellen Anwendern begehrt und im Einsatz. Relativ neue Herausforderungen ergeben sich indes durch die weltweite Vernetzung und den Trend zum orts- und zeitunabhängigen Datenzugang. "Mit der Welt des Internet haben sich die Anforderungen an die Unternehmens-IT verändert und sich über das einstmals alles bestimmende Ziel, eine zentrale ERP-Umgebung einzuführen und zu betreiben, weiter entwickelt", schildert Matthias Mehrtens als Vice-President bei der Alfred Kärcher GmbH & Co. KG für die IT verantwortlich.
Reinigungsmaschinen mit Telematik-Box
Die Aufgabe für die Kärcher-IT besteht nun auch darin, die Maschinendaten von weltweit verteilten Geräten den Kunden visuell aufbereitet zur Verfügung zu stellen. Viele der Reinigungsmaschinen für professionelle Anwender von Kärcher werden heute schon mit einer Telematik-Box in Größe eines Smartphones ausgestattet. Diese sammelt zum einen Daten etwa über Füllstände von Batterien und Reinigungsmittel, über die Auslastungsrate, Nutzungsdauer und gereinigte Fläche oder den Wartungszustand. Zur Positionsbestimmung der Maschinen enthält die Box ein GPS-Modul, für den Datentransport ist eine Sim-Karte integriert. Die Funktionalität, Maschinenanbindung und Ausstattung der Box ist Aufgabe der Produktentwicklung bei Kärcher, sie hat rund um die Maschinenelektronik einen Service für das Flotten-Management aufgebaut. "Die IT kommt ins Spiel, sobald die Daten übertragen werden", klärt Mehrtens auf.
Amazon anfangs nur für den Datentransport
Und dabei setzt die interne IT auf Amazon Web Services (AWS). Schon im Jahr 2012 hat sie damit begonnen, erste Anwendungen in die Amazon-Cloud zu transportieren. Anfangs ging es vor allem darum, beispielsweise Katalog-Daten und Produktfotos für die weltweit verteilten Mitarbeiter besser verfügbar zu machen. Dabei nutzte Kärcher gerne den Content-Delivery-Service von Amazon, um Inhalte näher an die Nutzer zu bringen, so dass sich die Download-Zeiten etwa für Produktkataloge reduzierten.
Doch in Zeiten des Internet der Dinge oder - bezogen auf den deutschen Maschinenbau - von Industrie 4.0 haben sich weitere Einsatzfelder für die AWS-Dienste eingestellt. Die von den Telematik-Boxen erhobenen und verschickten Maschinendaten finden mittlerweile über die Amazon-Infrastruktur ihren Weg in die Kärcher-Obhut, so dass der schwäbische Maschinenbauer sie - wiederum mit Hilfe der Cloud-IT von Amazon - weiterverarbeiten und visuell aufbereitet den Kunden auf einem Portal zur Verfügung stellen kann. "Wir brauchen eine dezentrale Infrastruktur, damit die Portale mit hoher Geschwindigkeit funktionieren. Auch das Flotten-Management läuft am besten, wenn die Infrastruktur global verteilt ist", nennt Kärchers oberster IT-Manager die Gründe für die AWS-Nutzung.
Eine immer wiederkehrende Diskussion
Weil es sich in diesem Szenario nur um Maschinendaten, nicht aber um hochsensible und personenbezogene Informationen handelt, sind Datenschutz-Erwägungen in einer IT-Wolke eines US-Anbieters nicht so entscheidend. Amazons Rechenzentren sind sicherheitszertifiziert und vor diesem Hintergrund ist für Mehrtens auch die wiederkehrende Diskussion um Security-Bedenken von geringerer Bedeutung. "Es ist doch schon vieles in anderen Kundenprojekten durchdekliniert worden. Es gibt entsprechende Erfahrungen und Ergebnisse, so dass man die Überlegungen nicht ständig von Neuem beginnen muss", sagt der Manager.
Für interne Diskussionen, das räumt der Manager ein, hat die Datenhaltung aber dennoch gesorgt. Die Hausjuristen haben stets ein Auge darauf, wo - also in welchem Land - Informationen gespeichert werden.
AWS für die Cloud, Hewlett-Packard für den ERP-Betrieb
Für alle unternehmensrelevanten Daten, die in der hauseigenen SAP-Umgebung verarbeitet werden, nutzt Kärcher daher IT-Kapazitäten von Hewlett-Packard (HP) am Standort Frankfurt/Main. Vereinfacht beschrieben betreibt der schwäbische Maschinenbauer eine IT-Umgebung, in der alle dezentralen Web-Anwendungen in der Amazon-Cloud laufen, und alle zentralen, betriebsrelevanten SAP-Applikationen aus dem HP-Rechenzentrum bereitgestellt werden.
Doch diese Konstellation ist nicht in Stein gemeißelt. "Wir werden uns noch viel intensiver mit dem Cloud-Thema auseinandersetzen. Die verteilte und schnelle Bereitstellung von Kapazitäten eröffnet Wege zu innovativen Konzepten. Das passt zu Kärcher", betont der Manager.
Selbst die betriebswirtschaftlichen Anwendungen müssen auf Dauer nicht zwangsläufig im zentralen Data Center bleiben. Neue Optionen tun sich dabei unter anderem dadurch auf, dass Amazon ein eigenes Rechenzentrum in Frankfurt in der Nähe des deutschen Internet-Zugangsknotens errichtet hat. Möglicherweise lässt sich künftig das zentrale IT-Portfolio von Kärcher neu gestalten und anders zurechtschneiden, so dass auch hier ein Cloud-Betrieb möglich ist, immerhin bietet selbst SAP heute mit SuccessFactor eine SaaS-Option.
Künftig sieben oder acht Clouds?
Man werde die Entwicklung im Markt beobachten und sich alle Optionen genau ansehen, verspricht der IT-Manager. Wenn alle Softwarelieferanten künftig eigene Cloud-Angebote bereitstellen, sei beispielsweise auch ein "Sushi-Modell mit sieben oder acht Clouds denkbar", orakelt Mehrtens.
Unterm Strich ist die rasche technische Entwicklung im IT-Markt ein Segen für Kärcher. Sie eröffnet dem Maschinenbauer neue Wege, um innovative Dienste und Produkte zu entwickeln, und um der Produktpiraterie entgegen zu wirken, denn "komplexe und vernetzte Produkte, die genau auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden, sind viel schwerer zu kopieren, als einfache Produkte", betont Mehrtens.