Auch Gründer haben Personalsorgen

ITK-Startups fehlen starke Investoren

12.04.2017
Von 
Wolfram Groß ist seit 1990 Mitarbeiter der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH in Berlin und seit 1997 Projektleiter des Gründerwettbewerbs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen IKT sowie Gründungs- und Innovationsberatung. Seitdem wurde er zunehmend mit der Beratung und Begleitung von technologieorientierten Gründerteams beauftragt und leitet nun auch den 2016 aufgelegten "Gründerwettbewerb-Digitale Innovation."
Startups, die im Bereich ITK agieren, haben es in Deutschland besonders schwer. Der Grund: Sie benötigen für ihre Produktentwicklungen kostspielige Technik und Spezialisten, es fehlt aber oft an Investoren und an Geld. Der Mittelstand könnte mit einem Fonds helfen.
  • Der Finanzierungsbedarf von ITK-Startups ist in der Regel sehr hoch.
  • Die Industrie sollte Innovationen aufgrund von Industrie 4.0 stärker fördern.
  • Deutschland benötigt dringend eine bessere digitale Infrastruktur.

Die deutsche Wirtschaft nutzt einer Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey zufolge nur zehn Prozent ihres digitalen Potenzials. Die Consultants stellten fest, dass vor allem in der Industrie der Digitalisierungsgradüberraschend gering ist, und sehen darin eine große Gefahr: Deutschland könnte den digitalen Anschluss an die Spitze verlieren. Gegen diesen Negativtrend stemmen sich zahlreiche junge ITK-Unternehmen mit innovativen Ideen, Produkten und Dienstleistungen, doch sie stehen vor großen Herausforderungen.

Startups haben es in Deutschland schwer, Geldgeber für ihre Geschäftsideen zu finden.
Startups haben es in Deutschland schwer, Geldgeber für ihre Geschäftsideen zu finden.
Foto: Marta Design - shutterstock.com

Die Finanzierungshürden hängen hoch

Zunächst wäre hier der hohe Finanzierungsbedarf der IT-Startups bei gleichzeitiger Zurückhaltung der Investoren zu nennen. Gründungen im ITK-Bereich, die auf innovative Technologien wie 3D-Druck oder die berührungslose Steuerung von elektrischen Geräten mittels Gesten und Sprache setzen, die komplexe Big-Data- und Cloud-Lösungen entwickeln, und die mit ihren Produkten einen Beitrag zum autonomen Fahren leisten oder Innovationen für Diagnostik und Therapie in der Medizin realisieren, brauchen mehr Mittel als etwa reine Online-Plattformen. Die Anschaffung von Maschinen und Materialien, aber auch die Einbindung von Spezialisten für Technologie und Markt sowie die Herausforderungen bei der Erschließung des Zielmarkts fressen häufig das gesamte Startkapital der jungen Unternehmen auf. Ihre Geschäftsmodelle und Produktideen sind zudem oft komplex und nicht in erster Linie auf den Consumer-Markt zugeschnitten - sie richten sich stattdessen an Unternehmen und die Industrie.

Die Nachfrage ist durchaus gegeben: Mit Blick auf die Herausforderungen im Kontext von Industrie 4.0und der Verschmelzung von industrieller Produktion mit digitalen Dienstleistungen liegt sogar ein dringendes Interesse der deutschen Industrie darin, dass ITK-Startups ihre Ideen verfolgen können. So bietet zum Beispiel das Startup Dynamic Components, ehemaliger Preisträger des Gründerwettbewerbs, eine Plug-and-Play-Softwarelösung für Produktionsanlagen an. Die Software wird an die Sensoren der Maschinen angeschlossen und erkennt den Aufbau der Anlage und die einzelnen Produktionsschritte, so dass Prozesse automatisiert und Maschinendaten bereits bestehender Anlagen genutzt werden können. Das Startup kann Unternehmen in der Fertigung somit helfen, die Entwicklungskosten für die Steuerungssoftware bei Aufbau und Änderung von Fertigungsanlagen um die Hälfte zu senken.

Den Mittelstand mit ins Boot holen

Nur wenn es gelingt, mit den Entwicklungen der digitalen, automatisierten, intelligenten und vernetzten Produktion Schritt zu halten, kann die exponierte Stellung Deutschlands in der Weltwirtschaft gehalten werden. Nichtsdestotrotz haben wachstumsorientierte ITK-Unternehmen mit B2B-Kundenschwerpunkt immer wieder Schwierigkeiten, an Wachstumskapital in der benötigten Größenordnung zu gelangen. Das liegt vor allem daran, dass in Deutschland - im internationalen Vergleich - bisher lediglich geringe SummenWagniskapitalzur Verfügung gestellt werden. Daher werden neue Instrumente für eine wirkungsvolle Wachstumsfinanzierung junger ITK-Unternehmen benötigt, die sowohl ein umfassendes Monitoring als auch eine enge Kooperation mit Mittelstand und Industrie beinhalten. So wurde bereits im Jahr 2015 eine Machbarkeitsstudie zu einem "Mittelstands-Wachstumsfonds" für junge ITK-Unternehmen erstellt, die zu einem positiven Ergebnis kommt - die Umsetzung eines solchen Instruments hätte große Vorteile für beide Seiten.

Qualifizierte Mitarbeiter dringend gesucht

Doch nicht nur der größere Bedarf an finanziellen Mitteln ist eine Herausforderung für die ITK-Startups, auch der benötigte, höhere Spezialisierungs- undQualifizierungsgrad der Mitarbeitermacht manchem in Gründerfirmen zu schaffen. In Phasen des schnellen Wachstums können viele Startups hier auf Quereinsteiger zurückgreifen, häufig werden auch junge Uni-Absolventen eingestellt. Für ITK-Unternehmen, die an hochkomplexen Technologien arbeiten, ist das jedoch nicht so einfach möglich, da oft nicht nur ein Fachstudium, sondern auch eine konkrete Spezialisierung erforderlich ist - von nützlicher Arbeitserfahrung ganz zu schweigen. Für den aufzubauenden Vertrieb werden ferner branchenerfahrene Mitarbeiter mit exzellenten Kontakten benötigt. Solche sind rar und meist auch nicht (kurzfristig) verfügbar; außerdem liegen ihreGehälter weitaus höher als bei Berufseinsteigern.

Dies bestätigt auch das Trendbarometer "Junge ITK-Wirtschaft 2016": Mehr als die Hälfte, nämlich 53 Prozent der befragten Gründerinnen und Gründer gaben an, dass es schwierig sei, geeignete Mitarbeiter zu finden. Das sind sechs Prozent mehr als im Vorjahr, als sich die Situation leicht zu entspannen schien. Nun zeigt sich leider: DieMitarbeitersuchebleibt für ITK-Startups eine Herausforderung.

Von Datenautobahnen kann keine Rede sein

Zahlreiche Studien machen darüber hinaus deutlich, dass Deutschland in puncto Digitalisierung hinterherhinkt. Das legt nicht nur der aktuelle Jahresbericht der von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission Forschung und Innovation nahe, der dem deutschen Mittelstand mangelnde Innovationsbereitschaftattestiert. Geschäftsmodelle werden erst sehr spät, oft zu spät, an die sich verändernden Anforderungen der (internationalen) Märkte und der Kunden angepasst. Auch bei der Entwicklung der erforderlichen Infrastrukturen hinkt Deutschland immer wieder hinterher. So ist die Verfügbarkeit schneller Datennetze immer noch unbefriedigend, der Glasfaserausbau geht nur schleppend voran. Deutschland wurde zwar mittlerweile in die europäische Rangliste der Glasfaserversorgung aufgenommen, da mehr als ein Prozent aller Haushalte theoretisch an das Glasfasernetz angeschlossen werden können, liegt dort aber nur auf dem 28. Rang. In vielen Regionen des Landes ist die Leistungsfähigkeit der verfügbaren Datennetze für die Anforderungen von ITK-Unternehmen schlicht nicht ausreichend.

Es muss also ein Umdenken stattfinden. Deutschland braucht eine bessere digitale Infrastruktur. Der Mittelstand muss sich öffnen, und innovative ITK-Startups müssen stärker gefördert werden. Dafür brauchen die Gründerinnen und Gründer finanzielle Unterstützung, Beratung und Coachings sowie offene Ohren und starke Partner in der Industrie. (pg)