Die deutsche Wirtschaft nutzt einer Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey zufolge nur zehn Prozent ihres digitalen Potenzials. Die Consultants stellten fest, dass vor allem in der Industrie der Digitalisierungsgradüberraschend gering ist, und sehen darin eine große Gefahr: Deutschland könnte den digitalen Anschluss an die Spitze verlieren. Gegen diesen Negativtrend stemmen sich zahlreiche junge ITK-Unternehmen mit innovativen Ideen, Produkten und Dienstleistungen, doch sie stehen vor großen Herausforderungen.
Die Finanzierungshürden hängen hoch
Zunächst wäre hier der hohe Finanzierungsbedarf der IT-Startups bei gleichzeitiger Zurückhaltung der Investoren zu nennen. Gründungen im ITK-Bereich, die auf innovative Technologien wie 3D-Druck oder die berührungslose Steuerung von elektrischen Geräten mittels Gesten und Sprache setzen, die komplexe Big-Data- und Cloud-Lösungen entwickeln, und die mit ihren Produkten einen Beitrag zum autonomen Fahren leisten oder Innovationen für Diagnostik und Therapie in der Medizin realisieren, brauchen mehr Mittel als etwa reine Online-Plattformen. Die Anschaffung von Maschinen und Materialien, aber auch die Einbindung von Spezialisten für Technologie und Markt sowie die Herausforderungen bei der Erschließung des Zielmarkts fressen häufig das gesamte Startkapital der jungen Unternehmen auf. Ihre Geschäftsmodelle und Produktideen sind zudem oft komplex und nicht in erster Linie auf den Consumer-Markt zugeschnitten - sie richten sich stattdessen an Unternehmen und die Industrie.
Die Nachfrage ist durchaus gegeben: Mit Blick auf die Herausforderungen im Kontext von Industrie 4.0und der Verschmelzung von industrieller Produktion mit digitalen Dienstleistungen liegt sogar ein dringendes Interesse der deutschen Industrie darin, dass ITK-Startups ihre Ideen verfolgen können. So bietet zum Beispiel das Startup Dynamic Components, ehemaliger Preisträger des Gründerwettbewerbs, eine Plug-and-Play-Softwarelösung für Produktionsanlagen an. Die Software wird an die Sensoren der Maschinen angeschlossen und erkennt den Aufbau der Anlage und die einzelnen Produktionsschritte, so dass Prozesse automatisiert und Maschinendaten bereits bestehender Anlagen genutzt werden können. Das Startup kann Unternehmen in der Fertigung somit helfen, die Entwicklungskosten für die Steuerungssoftware bei Aufbau und Änderung von Fertigungsanlagen um die Hälfte zu senken.
- IT-Profis und Gründer brauchen CFO-Skills für Projekte
IT-Profis müssen auch ein bisschen CFO oder Controller sein. Zumindest sollten Grunddkenntnisse in Betriebswirtschaftslehre (BWL) zum Rüstzeug eines jeden CIO oder IT-Projektverantwortlichen gehören, wenn mit CFO und Controlling über den Nutzen eines Projekts sowie das Budget verhandelt wird. Gleiches gilt für Gründer und Startups, die zur Finanzierung einer Geschäftsidee Geld von einer Bank benötigen. Hier erklären wir die die wichtigsten Termini im Finanzwesen. - ABC Analyse
Verfahren, um betriebliche Vorgänge zu analysieren und ihre Wichtigkeit in eine Reihenfolge zu bringen. - Balanced Scorecard
Ein Konzept, dass ausgehend von einer Unternehmensvision Ziele, Kennziffern und Maßnahmen verdichtet. Neben der finanzwirtschaftlichen Perspektive (wie Umsatz, Gewinn, Eigenkapitalrendite) werden im Balanced-Scorecard-Ansatz Kunden, Prozesse und Mitarbeiter erfasst. Es werden Zusammenhänge hergestellt und mit Zielen und Kennzahlen beschrieben. Der Ansatz verspricht eine bessere Umsetzung der Strategie in die betriebliche Praxis. - Break even
Eine Analyse, die versucht die Gewinnschwelle zu ermitteln. Dabei wird das Umsatzvolumen ermittelt, bei dessen Überschreitung Geld verdient wird. - Cashflow
Der Cashflow stellt den finanziellen Überschuss einer Periode dar. Meist wird er wie folgt berechnet: Jahresüberschuss + Abschreibungen + Veränderungen der langfristigen Rückstellungen = Cashflow. - Deckungsbeitrag
Auch Bruttogewinn genannt, ist der Deckungsbeitrag die Differenz zwischen erzielten Erlösen und den variablen Kosten. Der Deckungsbeitrag stellt fest, in welchem Umfang ein Produkt zur Deckung der fixen Kosten, also zum Betriebserfolg beiträgt. - EBIT
EBIT bedeutet bereinigter Gewinn. Abkürzung für „Earnings before Interest and Taxes”. Es werden einmalige Aufwendungen ebenso ignoriert wie Zinsen und Steuern, weil alle diese Positionen nicht durch die eigentliche betriebliche Tätigkeit entstanden sind. - Finanzplan
Der Finanzplan berücksichtigt als dynamische Rechnung alle künftigen Ein- und Auszahlungen üblicherweise auf einen Zeitraum der nächsten zwölf Monate. Instrument zur Kontrolle und Steuerung der Zahlungsmittel. - Forecast
Der Forecast ist eine Hochrechnung von Ergebnispositionen im laufenden Geschäftsjahr. Dabei wird von den Ergebnissen der zurückliegenden Monate ausgegangen, die – abgeglichen mit aktuellen Informationen – für das übrige Geschäftsjahr fortgeschrieben werden. - Jahresabschluss
Der Jahresabschluss ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Instrument zur Information externer Personen und Institutionen. Er ist nach dem Handelsgesetzbuch und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) zum Ende jedes Geschäftsjahres aufzustellen. Der Jahresabschluss besteht aus der Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). - Return on Investment
Der RoI beschreibt die Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Eine Kennzahl, die das erzielte (operative) Ergebnis ins Verhältnis zum dafür eingesetzten Kapital (Investition) setzt. Der RoI kann auch durch Multiplikation der beiden Kennzahlen Umsatzrentabilität (EBIT/Umsatz) und Kapitalumschlaghäufigkeit (Umsatz/Gesamtkapital) berechnet werden. - Variable Kosten
Variable Kosten fallen nur an, wenn produziert wird. So braucht man bei der Produktion von Apfelkompott Äpfel. Ruht die Produktion, braucht man keine Äpfel. Die Äpfel stellen variable Kosten dar. Die Maschinen verursachen Kosten (zum Beispiel Abschreibung, Finanzierung) unabhängig davon, ob Apfelkompott produziert wird. Dies bezeichnet man als Fixkosten.
Den Mittelstand mit ins Boot holen
Nur wenn es gelingt, mit den Entwicklungen der digitalen, automatisierten, intelligenten und vernetzten Produktion Schritt zu halten, kann die exponierte Stellung Deutschlands in der Weltwirtschaft gehalten werden. Nichtsdestotrotz haben wachstumsorientierte ITK-Unternehmen mit B2B-Kundenschwerpunkt immer wieder Schwierigkeiten, an Wachstumskapital in der benötigten Größenordnung zu gelangen. Das liegt vor allem daran, dass in Deutschland - im internationalen Vergleich - bisher lediglich geringe SummenWagniskapitalzur Verfügung gestellt werden. Daher werden neue Instrumente für eine wirkungsvolle Wachstumsfinanzierung junger ITK-Unternehmen benötigt, die sowohl ein umfassendes Monitoring als auch eine enge Kooperation mit Mittelstand und Industrie beinhalten. So wurde bereits im Jahr 2015 eine Machbarkeitsstudie zu einem "Mittelstands-Wachstumsfonds" für junge ITK-Unternehmen erstellt, die zu einem positiven Ergebnis kommt - die Umsetzung eines solchen Instruments hätte große Vorteile für beide Seiten.
Qualifizierte Mitarbeiter dringend gesucht
Doch nicht nur der größere Bedarf an finanziellen Mitteln ist eine Herausforderung für die ITK-Startups, auch der benötigte, höhere Spezialisierungs- undQualifizierungsgrad der Mitarbeitermacht manchem in Gründerfirmen zu schaffen. In Phasen des schnellen Wachstums können viele Startups hier auf Quereinsteiger zurückgreifen, häufig werden auch junge Uni-Absolventen eingestellt. Für ITK-Unternehmen, die an hochkomplexen Technologien arbeiten, ist das jedoch nicht so einfach möglich, da oft nicht nur ein Fachstudium, sondern auch eine konkrete Spezialisierung erforderlich ist - von nützlicher Arbeitserfahrung ganz zu schweigen. Für den aufzubauenden Vertrieb werden ferner branchenerfahrene Mitarbeiter mit exzellenten Kontakten benötigt. Solche sind rar und meist auch nicht (kurzfristig) verfügbar; außerdem liegen ihreGehälter weitaus höher als bei Berufseinsteigern.
Dies bestätigt auch das Trendbarometer "Junge ITK-Wirtschaft 2016": Mehr als die Hälfte, nämlich 53 Prozent der befragten Gründerinnen und Gründer gaben an, dass es schwierig sei, geeignete Mitarbeiter zu finden. Das sind sechs Prozent mehr als im Vorjahr, als sich die Situation leicht zu entspannen schien. Nun zeigt sich leider: DieMitarbeitersuchebleibt für ITK-Startups eine Herausforderung.
Von Datenautobahnen kann keine Rede sein
Zahlreiche Studien machen darüber hinaus deutlich, dass Deutschland in puncto Digitalisierung hinterherhinkt. Das legt nicht nur der aktuelle Jahresbericht der von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission Forschung und Innovation nahe, der dem deutschen Mittelstand mangelnde Innovationsbereitschaftattestiert. Geschäftsmodelle werden erst sehr spät, oft zu spät, an die sich verändernden Anforderungen der (internationalen) Märkte und der Kunden angepasst. Auch bei der Entwicklung der erforderlichen Infrastrukturen hinkt Deutschland immer wieder hinterher. So ist die Verfügbarkeit schneller Datennetze immer noch unbefriedigend, der Glasfaserausbau geht nur schleppend voran. Deutschland wurde zwar mittlerweile in die europäische Rangliste der Glasfaserversorgung aufgenommen, da mehr als ein Prozent aller Haushalte theoretisch an das Glasfasernetz angeschlossen werden können, liegt dort aber nur auf dem 28. Rang. In vielen Regionen des Landes ist die Leistungsfähigkeit der verfügbaren Datennetze für die Anforderungen von ITK-Unternehmen schlicht nicht ausreichend.
- Startups zum Jahreswechsel 2016/2017
Startups wollen im kommenden Jahr wachsen. Fachlich nennen sehen sie 2017 so unterschiedliche Themen wie Künstliche Intelligenz und 3D Druck, Brand Experience und Mitarbeiter-Qualifizierung auf der Agenda. - Catharina van Delden, Innosabi
“2017 geht das Wachstum von Innosabi voraussichtlich weiter. Es soll aber weiterhin kontrolliert und aus eigener Kraft möglich sein. Dazu müssen wir im neuen Jahr auch Strukturen aufbauen, die nicht nur wie bisher mit 30 Mitarbeitern funktionieren, sondern zukünftig vielleicht auch mit 50", sagt die CEO des Crowdsourcing-Spezialisten Innosabi. - Manfred Tropper, Mantro
"Wir begleiten viele verschiedene Unternehmens-Inkubatoren und Innovationsprojekte in den unterschiedlichsten Industrien. Was sie 2016 alle beschäftigt hat, war die Frage wie sie ihre Teams aufbauen. Glücklicherweise sind fast alle mittlerweile an dem Punkt angekommen, dass Ideen an sich nichts wert sind - sondern das Teams, das die Idee zum Laufen bringen soll", so die Einschätzung des Mantro-Gründers Manfred Tropper. - Stephan Kühr, 3yourmind
Stephan Kühr von 3yourmind, einem Berliner Startup, das den passenden 3D Druck-Anbieter vermittelt, sagt: "In 2016, 3D Printing became an indispensable part of production cycles and major players are all planning for larger integrations of the technologies. In 2017, we will look to expand our offering to Asian and further develop our partnerships in the US. " - Nicolas Dittberner, Udacity
"Zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland nutzen nun digitale Lernmöglichkeiten für ihre Mitarbeiter, allerdings setzen erst 36 Prozent auf flexible, webbasierte Lernprogramme. Sobald Unternehmen die betriebliche Weiterbildung ihrer bestehenden Fachkräfte als Strategie zur Vermeidung von Fachkräftemangel erkennen, kann der digitale Wandel kommen", sagt Nicolas Dittberner, Country Manager DACH von der virtuellen Bildungsplattform Udacity (Kalifornien) - Felix van de Sand, Cobe
Felix van de Sand hat sich mit seiner Agentur Cobe auf Nutzerexperience spezialisiert. In puncto Internet of Things (IoT) steht für 2017 Folgendes an: „Im Sinne eines nahtlosen Markenerlebnisses müssen sich Unternehmen ab sofort Gedanken darüber machen, auf welche Art und Weise ihre Produkte mit Konsumenten interagieren. Denkt man zum Beispiel an einen internetfähigen Kühlschrank oder ein Smart Home System, stellen sich Fragen wie: In welcher Tonalität spricht das Gerät?“ - Marko Müller, Innovation-Radicals
"Dieses Jahr war ein Schaltjahr im wahrsten Sinne des Wortes – einen Gang nach oben. Bei mir und Innovation-Radicals ging’s drum Neues auszuprobieren und mit Prototypen zu experimentieren. Wir wollten herausfinden, worin wir gut sind und was uns antreibt", sagt Marko Müller, Gründer der Innovation-Radicals.
Es muss also ein Umdenken stattfinden. Deutschland braucht eine bessere digitale Infrastruktur. Der Mittelstand muss sich öffnen, und innovative ITK-Startups müssen stärker gefördert werden. Dafür brauchen die Gründerinnen und Gründer finanzielle Unterstützung, Beratung und Coachings sowie offene Ohren und starke Partner in der Industrie. (pg)