Die Mitarbeiter einer IT-Abteilung in einem Unternehmen eines IT-Dienstleisters dürften den folgenden Fall kennen: Ein etwas größerer Kunde ruft am späten Nachmittag bei seinem Dienstleister an. Schon seine Stimmlage verrät, dass ein wichtiger IT-Service ausgefallen ist. Sofort steht die IT-Leitung mit der Forderung vor dem Administrator, der den Fehler begangen hat, den Feierabend zu verschieben und den Fehler zu beheben. Gleich zwei Leute reden auf ihn ein. Je größer der Druck wird, eine Lösung zu finden, desto höher wird in einer solchen Situation die Wahrscheinlichkeit, dass erneut Fehler passieren.
Jetzt wäre ein Leitfaden zur Wiederherstellung des Systems hilfreich, ein Testsystem auch. Nachdem der Admin stundenlang am System herumgeschraubt hat, ist es drei Uhr nachts, immerhin steht jetzt keiner mehr hinter ihm. Dafür fordert die Müdigkeit ihren Tribut, ihm unterlaufen einige Fehler. Was für ein Tag! Dabei war es nicht mal er, der die Meldung über den ausgefallenen IT-Service vom Kunden entgegennahm. Aber es hilft nichts, sich zu beschweren, wahrscheinlich ist die Anforderung zur Einrichtung eines entsprechenden Checks wieder mal irgendwo in der Abteilung versackt.
Wer nur an ITIL denkt, denkt zu kurz
Reflexartig wird sich jetzt mancher denken: Da muss man mal ITIL einführen! Aber ITIL (IT Infrastructure Library) alleine schützt vor solchen Situationen nicht. Das Niederschreiben von Prozessen bedeutet nämlich nicht, dass sie auch gelebt werden. Oft wird ITIL nur zur Absicherung eingeführt und verfolgt wenig praktischen Bezug. ISO-Zertifizierungen bekommt man damit auf jeden Fall - einen stabilen IT-Betrieb nicht zwangsläufig. ITIL ist eine Bibliothek von Best Practices, also Empfehlungen, wie man mit seinen IT-Prozessen idealerweise umgehen sollte. Aber eine Prozessbeschreibung ist aufwändig. Und wir alle wissen, dass viel Text deshalb aufgeschrieben wird, weil man nicht alles behalten kann.
IT-Steuerung braucht integrierte Prozesse
Was der Administrator unseres Beispiels braucht, ist IT-Steuerung. Um IT aktiv zu steuern, benötigt man IT-gestützte Prozesse. Aber was heißt das eigentlich? "Tools einführen" ist out. Man implementiert Arbeitsvorgänge, die über miteinander integrierte Applikationen gestützt werden. Die Werkzeuge folgen dem Prozess und nicht die Prozesse dem Werkzeug. Das bedeutet, dass IT-Mitarbeiter keine ITIL-Handbücher mehr lesen müssen, weil sie aus der entsprechenden Vorgehensweise nicht mehr ausbrechen können. Die Tools geben nämlich die Arbeitsvorgänge vor. Natürlich setzt dieser Ansatz eine hohe Flexibilität der jeweiligen Applikationen voraus. Offene Lösungen verfügen über standardisierte Technologien und Schnittstellen, viele davon kommen aus dem Open Source-Bereich. Das macht die eingesetzten Tools flexibel und erhöht die Chance einer IT-Steuerung, weil Prozesse aufgrund der erleichterten Integration viel schneller definiert und automatisiert werden können.
Integrierbar und flexibel: offene Lösungen
Kehren wir noch einmal zu unserem Beispiel zurück: Wie können offene Lösungen in diesem konkreten Fall helfen? Nehmen wir an, das Unternehmen hat ein zentrales Monitoring-System im Einsatz mit Schnittstellen zu anderen Systemen und Applikationen. Es registriert eine hohe Antwortzeit eines SAP-Dienstes und meldet diese über eine Schnittstelle an das Ticketsystem. Das funktioniert deshalb so gut, weil neben Monitoring und Ticketing auch eine CMDB (Configuration Management Database) vorhanden ist. Hier sind die Servicebäume gepflegt und werden dadurch automatisiert mit den Host- und Service-Abhängigkeiten des Überwachungssystems abgeglichen.
Der Helpdesk-Mitarbeiter sieht das Ticket und wird aktiv. Nach einem Blick auf die Monitoring-Dashboards grenzt er den Fehler ein. Durch die zentrale Servicedokumentation mit entsprechenden Wiederherstellungsplänen kann der 1st Level Support eine Workorder an das Provisioning-Team stellen. Das passiert über das im Ticketsystem integrierte Changemanagement. Das Provisioning-Team bringt eine neue virtuelle Maschine aus, die einen Teil der Last des problematischen Dienstes übernimmt. Im Hintergrund wird die neue VM direkt ins Monitoring eingebracht. Gleichzeitig wird im Servicemanagement eine Aufgabe angelegt, dass ein Wiederherstellungsplan angelegt werden muss. Der Admin wird zweimal daran erinnert, bis sein Manager diese Info erhält.
Dabei handelt es sich um kein Wunschdenken. Viele Unternehmen haben derartige Lösungen bereits im Einsatz und sind ITIL schon sehr nahe. Ohne IT-Steuerung geht es aber nicht, und das ist dann Aufgabe derjenigen, die die Prozesse festlegen, und nicht der Personen, die für den Tool-Einkauf zuständig sind. ITIL ist wiederum ohne Lösungen mit offener Architektur nur schwer zu erreichen. Es kommt also auf den Dreiklang IT-Steuerung, technologische Offenheit und Maßnahmen zur Umsetzung von ITIL an. (jha)