Im Mittelpunkt stehen Konzepte, die nicht so leicht umzusetzen sind, wie es das am 18. November in Kraft getretene neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz suggeriert. Es verspricht, ausländischen Fach- und Arbeitskräften stufenweise die Migration nach Deutschland zu erleichtern und bürokratische Hürden abzubauen. Dazu gehört unter anderem eine Chancenkarte ab Juli 2024, die Einreisen zur Arbeitssuche erleichtern soll und auf Sprachkenntnissen, Berufserfahrungen, Alter und Deutschlandbezug basiert.
Außerdem sinkt mit der "Blue Card EU" das Mindestgehalt für Erwerbsmigrantinnen und Erwerbsmigranten auf rund 43.800 Euro. Für die IT nicht ganz unwichtig: Menschen, die bereits eine in Deutschland anerkannte Ausbildung abgeschlossen haben, dürfen künftig auch in anderen Branchen tätig werden. So können IT-Spezialistinnen und IT-Spezialisten jetzt auch eine Blue Card bekommen, wenn sie zwar keinen Hochschulabschluss, aber mindestens drei Jahre vergleichbare Berufserfahrung aufweisen.
Was für Fachkräfte aus dem Ausland spricht
Gehen Integration ins Team und inhaltliche Einarbeitung Hand in Hand, kann sich Recruiting von ausländischen Arbeitskräften positiv auf Auftragslage und Umsatz auswirken. Fest steht, dass Unternehmen ohne zusätzliches Personal Kapazitäten für neue Projekte fehlen. Teilweise peilt der IT-Mittelstand nicht mal das Wachstum der Auftragslage an, sondern bemüht sich um den Erhalt des Status quo.
Ein Status Quo, der auch durch unbesetzte Stellen, zum Beispiel abgeworbener Kollegen oder Eintritten ins Rentenalter, ins Wanken gerät. Einige IT-Unternehmen verzeichnen nahezu keine Wachstumsentwicklung aufgrund zu dünner Personaldecke - nicht durch schlechtes Wirtschaften oder durch äußere Einflüsse. Schließlich arbeiten Projektteams nicht nur operativ, sondern gehören mit zu den Ideentreibern jedes Unternehmens. Stillstand bremst Innovationen aus und lähmt Mitarbeitende.
Vielfalt zählt
In Alter, Kultur und Herkunft divers aufgestellte Teams steigern den Unternehmenserfolg. So führen verschiedene Ansichten, Vitae und Erfahrungshorizonte innerhalb umfangreicher IT-Projekte beispielsweise dazu, dass Firmen die Bedürfnisse ihrer unterschiedlichen Kundengruppen besser verstehen. Über das Zulassen von Diversität erhöhen diese Unternehmen die Kundenzufriedenheit und erschließen gleichzeitig neue Kundengruppen.
Auch die Arbeitgeberattraktivität fällt bei Firmen mit breit und bunt aufgestellten Teams höher aus. Besonders junge Mitarbeitende wünschen sich ein heterogenes Umfeld. Fühlen sie sich gut aufgehoben, potenzieren sie den Wert einer Company, denn Mitarbeitergesundheit, Motivation und ein verlässliches Engagement der Belegschaft sind für IT-Unternehmen überlebenswichtig. Wer sich mit seinem beruflichen Umfeld identifiziert, hält dem Betrieb erfahrungsgemäß länger die Treue. Auch im Recruiting-Prozess für neue Kollegen zahlt das Augenmerk auf eine diverse, gern international aufgestellte Belegschaft ein. Wo 68.000 offene Stellen für IT-Fachkräfte ausgeschrieben sind, kann die Team-Zusammensetzung das Zünglein an der Waage sein.
Kampf gegen viele Vorurteile
Um all diese positiven Ansätze zu nutzen, machen sich IT-Mittelständler lang. Einige zeag-Klienten der IT-Branche rekrutierten bereits außerhalb Deutschlands, teils auch außerhalb der EU. Ihre Erfahrungen sind genauso komplex wie die Diskussionen dazu. Viele Behördengänge, viele unterschiedliche Barrieren, viele Vorurteile - sowohl für die Arbeitgeber als auch für die neuen Fachkräfte bedeutet dies einen enormen Aufwand.
Arbeitgebende berichten, es brauche viel Engagement, um Nicht-Deutsche im Unternehmen anzustellen. Und die meisten Hürden liegen nicht im Ausland, sondern vor Ort. Unternehmen investieren viel Geld, Ideen und Zeit. Sie gestalten strukturiert Diversität im Unternehmen und bemühen sich um gesellschaftliche Integration, auch außerhalb des Beruflichen.
Stolpersteine für den IT-Mittelstand
Auch nach der Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes herrschen für viele Berufe Zugangsbeschränkungen: Nur mit voller Anerkennung der Abschlüsse ist eine Beschäftigung möglich. Laut Industrie- und Handelskammern sind manche Vorgaben utopisch, weil kaum ein Land sie in der geforderten Form, der deutschen Form, aufführt. Dazu zählen beispielsweise eine Fächernotenübersicht oder ein Rahmenlehrplan.
Fakt ist leider auch, dass Fachkräfteeinwanderungsgesetze sowie -programme nicht greifen, wenn die Zugezogenen nicht bleiben. Verlassen sie wieder frühzeitig das Land, weil sie nicht in der Gesellschaft, der Umgebung oder dem Unternehmen ankommen, rechnet sich der Aufwand nicht - im Gegenteil. Für Bund und Wirtschaft entstehen erhebliche Kosten.
Nach wie vor fehlende Willkommenskultur
Allein die schwierige Integration durch eine fehlende Willkommenskultur wirkt sich bereits auf die ungenügende Anwerbung ausgebildeter Fachkräfte aus. Die hierzulande zunehmende Fremdenangst und Fremdenfeindlichkeit tut ihr Übriges. Selbstverständlich bleiben solche Umstände im Ausland nicht ungesehen: Nachrichten berichten über die Zustände in Deutschland und manifestieren ein unschönes und für mögliche Arbeitnehmende abschreckendes Bild. Da hilft es auch nicht, wenn Tuk-tuks durch Neu-Delhi fahren und für IT-Unternehmen in Deutschland werben.
Ohne massive Änderungen in diesen Punkten wenden sich ausländische IT-Fachkräfte mit ihren Fähigkeiten schnell einem für sie reizvolleren Land zu. Das verschafft anderen Volkswirtschaften und damit auch ihren Ländern einen großen Vorteil. Deutschen Unternehmen und damit auch dem Staat hingegen kommt diese Attraktivitätslosigkeit sehr teuer zu stehen - das ist bereits heute so und wird sich ohne gesamtgesellschaftliches Umdenken zwangsläufig steigern.
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