Automatisierung und IT-Offshoring

IT-Dienstleister bilden Talente für Kunden aus

Kommentar  09.03.2021
Von 
Stefan Rühle ist Vorstand der The Digital Workforce Group.
Ohne externe Partner, Cloud-Dienste, Offshoring und Recruiting kommt die IT-Organisation nicht aus. Wie die IT durch Automation zukunftsfähig bleibt und Fachkräfte sichert, lesen Sie hier.
Recruiter und IT-Abteilungen können über spezialisierte IT-Dienstleister Nachwuchstalente rekrutiert, die dort bereits für die kundenspezifischen Anforderungen geschult werden und in Kundenprojekten mitarbeiten.
Recruiter und IT-Abteilungen können über spezialisierte IT-Dienstleister Nachwuchstalente rekrutiert, die dort bereits für die kundenspezifischen Anforderungen geschult werden und in Kundenprojekten mitarbeiten.
Foto: SFIO CRACHO - shutterstock.com

Der Digitalisierungsschub sowie erhöhte Sicherheitsanforderungen während der COVID-19-Pandemie verstärken den Druck auf die ohnehin ausgelasteten IT-Abteilungen. Allein mit internen Ressourcen war die Arbeit schon vorher nicht zu stemmen, aber durch den Einsatz von externen Partnern, spezialisierten Dienstleistern, Freelancern sowie Offshoring- und Cloud-Diensten ist die Organisationstruktur oft sehr komplex und heterogen wie die IT-Landschaften. Deshalb steht diese Struktur derzeit in vielen Unternehmen mit folgender Fragestellung auf dem Prüfstand: Wie effizient ist die Zusammenarbeit und welche Entwicklungen und Veränderungen sind zu berücksichtigen?

Lange schien IT-Offshoring die Lösung zu sein. Der Grund: Durch die Auslagerung von IT-Aufgaben in Länder mit niedrigerem Lohnniveau und gut ausgebildeten Fachkräften ließen sich Kosten senken und die Probleme des Fachkräftemangels umgehen. Unternehmen versprachen sich davon zudem Wettbewerbsvorteile, mehr Flexibilität und Konzentration auf ihr Kerngeschäft. Ausgelagert wurden und werden neben Teilen der Anwendungsentwicklung vor allem Aufgaben aus dem IT-Betrieb.

Die Praxis hat gezeigt, dass dabei ein organisatorischer Mehraufwand mit einzukalkulieren ist, etwa für die Definition einzelner, unabhängig zu bearbeitender Auftragspakete, Abstimmungen und Überprüfungen. Reibungsverluste können sich auch durch Schwierigkeiten in der Kommunikation, Zeitverschiebungen und Fluktuation ergeben. Grundsätzlich lassen sich aber Kostensenkungen durch Offshoring umsetzen. Auch der Zugriff auf qualifizierte IT-Kräfte ist gegeben. Was aber weitere Ziele wie Flexibilität, Wettbewerbsvorteile oder Fokus auf das Kerngeschäft angeht, haben sich die Bedingungen verändert. Nearshoring ist inzwischen eine ernstzunehmende Alternative und außerdem ergeben sich mit der Digitalisierung und dem Siegeszug der Cloud-Services neue Möglichkeiten und Ziele.

Schlüsselfaktor Automatisierung

Weit vorn im Ranking steht dabei die Automatisierung: Gerade der IT-Betrieb bindet in den Abteilungen zu viele Ressourcen, die dringend für die Digitalisierung benötigt werden. Und wenn durch Offshoring bevorzugt Standardaufgaben und sich häufig wiederholende Teilschritte ausgelagert werden, so sind das eben auch die Arbeitsschritte, die am besten automatisiert werden können. Neben Effizienz ist dabei auch die geringere Fehleranfälligkeit ein Thema. Mit neuen Ansätzen wie Robotic Process Automation, DevOps oder Cloud-Management-Services stehen dafür inzwischen auch passende Werkzeuge zur Verfügung. Gerade Cloud-Plattformen bieten bereits Standard-Maintenance-Prozesse und integrierte automatisierte Managementfunktionen. Unternehmen, die von Anfang an auf Cloud-Services setzen, sind daher im Vorteil: Sie können nicht nur ihre Rechen- und Speicherleistungen flexibel skalieren, sondern auch die Management-Services in der Cloud nutzen, die zudem fortlaufend weiterentwickelt und verbessert werden.

In den meisten Unternehmen sind jedoch heterogene und hybride IT-Landschaften die Regel. Hier gilt es zunächst, Prozesse zu vereinheitlichen und zu optimieren. Ferner muss in entsprechende Automatisierungslösungen investiert werden. Meist ist es besser, sich dabei externe Unterstützung zu suchen, wenn noch kein eigenes Know-how aufgebaut werden konnte. Automatisierung ist eine anspruchsvolle Aufgabe, zahlt sich aber bei richtiger Analyse und Umsetzung aus.

Es bleibt die Frage, welche IT-Prozesse noch zwingend im eigenen Haus verbleiben sollten. Die Entscheidung wird sich auch weiterhin am Kerngeschäft orientieren, nur verändert sich dieses Kerngeschäft mit der digitalen Transformation in vielen Unternehmen. Es geht bei der Digitalisierung nicht nur um mehr Effizienz und Vernetzung entlang der Wertschöpfungskette, sondern auch um den besonderen Nutzen, den ein Unternehmen seinen Kunden bietet. Ob in der Finanzbranche, im Handel oder auch im Maschinenbau, innovative und digitale Lösungen werden Teil des Kerngeschäfts. Die Entwicklung solcher digitaler, kunden- und unternehmensspezifischer Lösungen ist somit ein wichtiger Wettbewerbsfaktor und setzt die enge Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen voraus. Beides spricht dafür, im Rahmen der Digitalisierung eigene IT-Ressourcen aufzubauen.

IT braucht Nachwuchskräfte

Limitierender Faktor ist dabei nach wie vor der Fachkräftemangel, der durch die Corona-Krise kaum gemildert wurde. Ende Dezember 2020 gab es laut Bitkom-Erhebungen noch immer gut 86.000 unbesetzte Stellen für IT-Fachkräfte. Da erfahrene Fachkräfte besonders schwer zu finden sind, richtet sich das Interesse der Unternehmen verstärkt auf Absolventen. Deren IT-Wissen ist zudem auf dem neuesten Stand, was auch den Unternehmen zugutekommt. Beim Recruiting wie auch bei der Einarbeitung, für die oft interne Ressourcen fehlen, können Talent-Plattformen oder spezialisierte IT-Beratungen unterstützen. Das kann dann zum Beispiel so aussehen: Über spezialisierte IT-Dienstleister werden IT-Nachwuchstalente rekrutiert, die für die kundenspezifischen Anforderungen geschult werden und bereits in Kundenprojekten mitarbeiten. Das Coaching und Mentoring übernimmt der Dienstleister. In beiderseitigem Einverständnis können die Young Professionals nach dem erfolgreichen Praxiseinsatz zum Kundenunternehmen wechseln.

Auch längerfristig ist der Aufbau des eigenen Fachkräfte-Pools ein wichtiger Baustein der IT-Strategie. Alles selbst zu stemmen, kann nicht das Ziel sein. Wie sich gerade unter Pandemie-Bedingungen gezeigt hat, braucht effektive Zusammenarbeit keine ständige räumliche Nähe. Sie ist auch nicht an Unternehmensgrenzen gebunden - Kooperationen mit externen Partnern und Dienstleistern werden die Arbeit der IT-Organisation auch weiterhin prägen, es ändern sich aber die Anforderungen und die Art und Weise der Zusammenarbeit. Statt reiner Kostensenkung werden Innovationsfähigkeit, fachspezifisches Wissen und Verfügbarkeit wichtig. Die Kommunikation sowohl mit der hauseigenen IT wie auch mit den zuständigen Fachbereichen muss sichergestellt sein. Das setzt ein festes Kern-Team auch beim externen Partner ebenso wie Kommunikationsroutinen voraus. Spezifisches Fach- und Branchenwissen wird dann ebenfalls ein Kriterium.

Bereiche, die nicht (mehr) zum Kerngeschäft gezählt werden, könnten dagegen auch konsequent ausgelagert und nur noch als Dienstleistung eingekauft werden.

Faktoren für die Zukunftsfähigkeit

Es gibt nach wie vor nicht die Lösung. Letztlich wird jede IT-Organisation ihre individuelle, für Ziele und Struktur des Unternehmens passende Organisationsform finden. Die Kooperation mit externen Partnern bleibt ein entscheidender Bestandteil der Arbeit. Als Erfolgsfaktoren für eine zukunftsfähige Organisation lassen sich ausmachen:

  • Prozess-Automatisierung und Nutzung von Cloud-Services

  • enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit im Dreieck: IT-Kernteam - Fachabteilungen - externe Partner

  • langfristige Personalentwicklung, die auch den Zustrom neuen Wissens ermöglicht

(pg)