Netzwerk der netten Nerds

IT-Community Spiceworks

15.05.2014
Von 
freie Journalistin in Tübingen
Informatiker haben nicht den Ruf, besonders kommunikativ zu sein. Doch eine Web-Gemeinschaft von fünf Millionen IT-Profis aus aller Welt straft dieses Klischee Lügen. COMPUTERWOCHE sprach mit vier deutschen IT-Profis aus der Spiceworks-Community über ihre Erfahrungen und Meinungen zum Netzwerk.

Eines haben sie gemeinsam: Als die Administratoren Marco Volkert, Simon Lukas und Michael Beck vor einigen Jahren auf Spiceworks stießen, war keiner von ihnen auf der Suche nach einem Internetforum oder sozialen Netzwerk. Sie wollten ein kostenloses Programm zur Netzwerkadministration. Dabei entdeckten sie die würzig klingende Software einer gleichnamigen Firma aus Texas. Dass sie bei der Registrierung zugleich einer internationalen IT-Community beitraten, nahmen sie dafür bereitwillig in Kauf.

Heute holen sie sich aus der IT-Gemeinde die Antworten, die ihnen im eigenen Unternehmen niemand liefern kann – weil sie häufig die einzigen IT-Experten sind. „Über aktuelle Entwicklungen in Hard- und Software kann ich mich intern mit niemandem beraten“, erzählt Simon Lukas, junger Geschäftsführer des Hosting- und Outsourcing-Dienstleisters BiTKiP. In der Community kann sich der Münchner über andere Produkte austauschen und von den Erfahrungen der internationalen Mitglieder lernen. „Als ich einen Open-Source-Server bei meinem Kunden installieren sollte, habe ich zuerst die Erfahrungen der Community recherchiert, um mein Vorgehen abzusichern.“

Bitkip-Geschäftsführer Simon Lukas berät sich mit den anderen Spiceworks-Mitgliedern über aktuelle Entwicklungen in Hard- und Software.
Bitkip-Geschäftsführer Simon Lukas berät sich mit den anderen Spiceworks-Mitgliedern über aktuelle Entwicklungen in Hard- und Software.
Foto: Privat

Besserer Zugang zu Herstellerfirmen

Neben den individuellen Nutzern gibt es noch eine weitere Gruppe von Teilnehmern, deren Antworten im Netzwerk heiß begehrt sind. „Als ich 2008 in meiner Firma die Verantwortung für die internen IT-Systeme übernommen habe, war es sehr mühsam, über die Hersteller an Informationen zu kommen“, erklärt Michael Krämer von der Stuttgarter Personalberatung Ratbacher, der als einziger der vier direkt zu Beginn in die Online-Community eintauchte. „Für die Service-Abteilung der Konzerne spielt ein kleiner Mittelständler mit 50 Mitarbeitern keine große Rolle. Von den Spiceworks-Mitgliedern dagegen bekomme ich innerhalb von fünf Minuten eine Antwort auf meine Fragen.“ Dies ist zwar nicht immer ein Ersatz für das Insider-Wissen aus den Herstellerfirmen – muss es aber auch nicht sein. Mittlerweile sind auch zahlreiche IT-Unternehmen in dem Netzwerk aktiv und beantworten die Fragen der User. „Ich habe hier einen besseren Zugang zu den Herstellern. Sie reagieren einfach schneller“, erklärt Krämer.

Michael Krämer, Personalberatung Ratbacher: „Ich habe hier einen besseren Zugang zu den Herstellern.“
Michael Krämer, Personalberatung Ratbacher: „Ich habe hier einen besseren Zugang zu den Herstellern.“
Foto: Privat

Dass es den Firmen letztlich nicht nur um die Pro-Bono-Beantwortung der Fragen geht, scheint überraschenderweise keinen der vier zu stören. Michael Beck, Systemadministrator im fränkischen Feinkostvertrieb Bauer Feinkost, sieht es pragmatisch: „Ich finde es schön, dass die Hersteller auch im Netzwerk sind. Der Vertrieb macht auch Werbung, klar. Aber das hat mich nie gestört, ich weiß ja, von wem die Antworten kommen.“

(K)ein Ort für IT-Einsteiger?

Für die Spiceheads, wie sich die Spiceworks-Nutzer selbst nennen, sind nicht nur die schnellen Antworten von Wert. Die Threads dienen als Wissensdatenbank für Recherchen und zur kontinuierlichen Weiterbildung. „Ich schaue immer wieder hinein, um mich auf dem Laufenden zu halten“, so Marco Volkert, der vor zehn Jahren den IT-Quereinstieg im Düsseldorfer Ingenieursbüro PROMAN wagte und dort heute mit einem weiteren Kollegen die Informationstechnik verantwortet. Wie Simon Lukas verfolgt er die Foreneinträge, um zu beurteilen, ob sich die Lösungen anderer Nutzer auch für seine Firma eignen. „Und um auf die Probleme vorbereitet zu sein, die auf mich zukommen werden.“

Auf anstehende IT-Probleme ist Proman-Netzwerkadministrator Marco Volkert durch die Community meist rechtzeitig vorbereitet.
Auf anstehende IT-Probleme ist Proman-Netzwerkadministrator Marco Volkert durch die Community meist rechtzeitig vorbereitet.
Foto: Privat

Für Quereinsteiger im IT-Bereich, wie er es selbst einmal war, hält Volkert Spiceworks aber nicht geeignet: „Die Community ist nach wie vor ein Netzwerk für IT-Professionals und nicht für solche, die es einmal werden wollen.“ Allerdings sieht nicht jeder die Aufnahmebedingungen so streng. Michael Beck würde seinem Auszubildendem den Beitritt sogar empfehlen: „Natürlich ist das etwas für Einsteiger, es sind ja nicht alles Kopfgesteuerte dort. Wenn jemand zum ersten Mal ein WLAN einrichtet, dann springt ihm sicher jemand virtuell zur Seite. Aber es ist eben auch etwas für Hardcore-Spezialisten.“ Grundsätzlich halte er jedes Forum für eine Form von Weiterbildung – denn die 2.500 Euro für Schulungen könne sich nicht jeder leisten, so Beck.

Als Jobbörse noch nicht etabliert

Aufgrund der großen Zahl an Nutzern wurde Spiceworks in den vergangenen Monaten manchmal als Xing für IT-Profis bezeichnet. Für die vier interviewten Spiceheads bildet die Vernetzung und der Austausch mit den anderen Community-Mitgliedern zwar die größte Stärke – doch einen Ersatz für Xing sehen sie in der texanischen Plattform nicht. „Ich denke, dafür ist es auf dem deutschen Markt noch zu unbekannt“, erklärt Michael Krämer, und Marco Volkert pflichtet ihm bei: „Als Personaler schaut man doch eher in ein Netzwerk, das man kennt. Wäre ich auf Jobsuche, würde ich eher mein Xing-Profil aufmöbeln und von dort zu meiner Spiceworks-Seite verlinken.“

Ein Schwachpunkt, den Spiceworks in Zukunft verbessern möchte? „Nein“, stellt Tabrez Syed klar, der seit acht Jahren als Vice President of Products die Entwicklung der Spiceworks-Community verantwortet. „Wir wollen gar kein Ersatz für Xing oder LinkedIn sein, das ist nicht unser Ziel. Spiceworks ist eine Erweiterung von Online-Lebensläufen. Bei denen geht es um die Chronologie; bei uns geht es darum, was die IT-Experten im Detail getan haben, welche ihrer Erfahrungen zu welchen Ergebnissen geführt haben und mit welchen Produkten sie sich auskennen.“ Die Beschreibung als „Xing für ITler“ hält er dennoch für gerechtfertigt: „Wir richten uns nicht an die Personalabteilung, die in der Breite nach Kandidaten für ihre offenen Stellen sucht. Aber für den Leiter der IT-Fachabteilung, der sich über die Erfahrungen seiner zwei oder drei favorisierten Bewerber genau informieren will, ist Spiceworks die richtige Plattform.“

Von der Online- zur Offline-Community

Für Volkert, Krämer, Beck und Lukas spielen die Überlegungen potenzieller Recruiter bislang keine Rolle. Sie sind froh, eine Gemeinde Gleichgesinnter gefunden zu haben, mit der sie sich über ihre tägliche Arbeit austauschen können. Und das mittlerweile nicht mehr nur im Web: In Amerika gibt es in jeder größeren Stadt analoge Treffen von Spiceheads, und auch die deutschen Mitglieder verabreden sich immer öfter zu so genannten Spicecorps-Meetings. Simon Lukas ist seit zwei Monaten der „Anführer“ der bayerischen Spiceworks-Mitglieder und hat im Zuge dessen auch in München einen solchen informellen IT-Stammtisch organisiert. „Natürlich könnten wir das alles auch einfach posten, aber wenn man in einer Community so eingebunden ist, möchte man die Leute auch gerne live kennenlernen“, sagt Lukas.

Um auch internationale Bekannte zu treffen, bleiben den Vieren die jährlichen User-Konferenzen im texanischen Austin und in London. Viele Nutzer zelebrieren die Veranstaltungen, selbst wenn ihre Firma die Teilnahme nicht bezahlt und sie Urlaub nehmen müssen. „Ich finde es cool“, beschreibt Michael Beck, „dass man in der Community weltweit Kontakte knüpfen kann.“

Geben und Nehmen

Zwei Dinge beeindrucken im Gespräch mit den vier Deutschen: ihre Dankbarkeit gegenüber den anderen Mitgliedern und der Wille, etwas zurück zu geben. „Es geht mir nicht um eine gute Reputation“, wehrt Lukas ab. „Natürlich freut man sich auch über positives Feedback der Community. Aber in erster Linie freut man sich erst einmal zu helfen. Und dann lernen wir natürlich auch von den Problemen der anderen.“ Michael Beck pflichtet ihm bei: „Es ist ein Geben und Nehmen.“

In Kürze: Die Spiceworks-Community

Spiceworks wurde 2006 gegründet und zählt heute fünf Millionen Mitglieder weltweit, die die gleichnamige App für die Netzwerkverwaltung und die dazugehörige IT-Community nutzen. Auch rund 3.000 IT-Hersteller sind in der Web-Gemeinschaft aktiv. Sie schalten Werbung, versenden Kundenmailings oder bieten Webinare an. Sowohl die individuellen Mitglieder als auch die Hersteller legen sich in der Community Profile an, mischen sich in Diskussionen ein, beantworten und beraten bei Problemen. Für die Mitglieder ist die Nutzung der Plattform kostenlos; finanziert wird Spiceworks über die Werbung von Herstellern und über Investoren.

Zur Spiceworks-Community gehören rund fünf Millionen Mitglieder weltweit. Auch ca. 3.000 IT-Hersteller sind dabei.
Zur Spiceworks-Community gehören rund fünf Millionen Mitglieder weltweit. Auch ca. 3.000 IT-Hersteller sind dabei.
Foto: Spiceworks