Herr Schlumpberger, auf der AUTOMATE IT Konferenz in Hamburg werden Sie schildern, wie Sie es geschafft haben, große Bereich der IT bei Würth Elektronik eiSos zu automatisieren. Wie kam es zu diesem Projekt?
Denis Schlumpberger: Wir haben schon früh begonnen erste Prozesse in der IT zu automatisieren und setzen hierfür seit 2013 eine Workflow Engine ein. Zu Beginn lag der Fokus ganz klar auf "Quick-Wins" innerhalb der Würth Elektronik, sprich Prozesse, die sich direkt auf die Produktivität im Innendienst auswirken.
Ein weiterer Impuls kam durch den CSO von Flowster, René Drescher, auf den IT-Strategietagen in Hamburg. Wir wollten die Automatisierung speziell im Backend steigern und weiter ausbauen. Die für uns definierte Ziele sind hier die Reduktion von manuellen, immer wiederkehrenden Tätigkeiten, Steigerung in der Qualität und auch ganz klar die hohe Verfügbarkeit der Automaten.
In der heutigen Zeit ist es immer wichtiger Lösungen schneller anzubieten. Die Lösungen entlasten die Fachbereiche enorm und bieten wieder Freiräume für komplexere Aufgaben und Projekte. Auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel ist es für uns nur logisch, die Kolleginnen und Kollegen zu entlasten und das sogenannte "Tagesgeschäft" zu automatisieren. Auch wollen wir die Potentiale unserer Systeme besser nutzen, um unseren Kunden eine noch schnellere Reaktionszeit und Performance zu bieten.
Multichannel-Vertrieb ist ein strategisches Ziel der Würth-Gruppe, der Anteil des E-Business soll von heute 14 auf 25 Prozent steigen, auch um den aus dem Online-Handel erwachsenden Wettbewerbern Paroli zu bieten. Inwiefern spielte diese Ausrichtung auch für die Automationsstrategie eine Rolle?
Schlumpberger: Mit der Automatisierung können wir die freiwerdenden Ressourcen besser nutzen und gezielter die Businessziele unterstützen. Damit schaffen wir uns die Möglichkeit, Time-to-Market Lösungen schneller anzubieten. Dieser Punkt ist auch enorm wichtig, da sich die Technik rasend schnell weiterentwickelt und hier ganz klar die Herausforderung darin liegt, am Ball zu bleiben. Klar unterstützten uns hier die Lösungen auch in der Qualitätssteigerung der einzelnen Prozesse und in der hohen Verfügbarkeit von 24x7. Die Zeiten, in der sich die Produkte und Lösung im Bereich IT langsamer als die Organisation entwickeln, sind tatsächlich vorbei.
Wie haben Sie das Automationsprojekt angepackt? Was waren die wesentlichen Schritte und nach welchen Kriterien haben sie diese Schritte priorisiert?
Joachim Süpple: In der Regel ist man sich zu Beginn des Projekts gar nicht bewusst, was man alles automatisieren kann und möchte. Wir haben uns zu allererst angeschaut, was uns regelmäßig beschäftigt und haben diese Tätigkeiten genauer analysiert. Durch die unterschiedlichen Abhängigkeiten in den Systemen wurde sehr schnell ein komplexes Bild vieler Prozesse geschaffen. Hier haben wir uns dann die Zeitfresser rausgepickt und diese zuerst angepackt. Mit der Automatisierung dieser Aufgaben konnten wir sehr schnell erste Ergebnisse erzielen und auch die Qualität steigern. Zu Beginn bedarf es allerdings vieler Meetings mit allen Beteiligten, um möglichst ein genaues Bild zu erhalten.
In Ihrem Projekt kam auch ein "Automation Guide" zum Einsatz. Welche Funktion hatte er?
Süpple: Der "Automation Guide" ist ein nützliches Hilfsmittel zur Identifizierung von potenziellen Automaten. Automatisierung kann und wird in vielen Bereichen unterschiedlich wahrgenommen, gelebt und umgesetzt. Dies auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen ist die anfängliche Herausforderung. Hier hilft der Flowster Automation Guide. Zudem ist es wichtig, sich bewusst zu sein, an welcher Stelle die Organisation derzeit in ihrer Entwicklung steht. Je nachdem wie stark das Bewusstsein in den einzelnen Teams für Automatisierung ausgeprägt ist, hat der Automation Guide mehr impact. Zusätzlich ist es sehr hilfreich, wenn jemand ein Blick von außen darauf wirft.
Was waren die größten Hürden?
Schlumpberger: Ganz abgesehen von den technischen Hürden fängt es zuerst bei den Menschen im Unternehmen an. In vielen Köpfen ist Automatisierung mit Abbau von Arbeitsplätzen oder mit einer Änderung der Verantwortlichkeiten verknüpft. Damit sich hier kein Gefühl der Unsicherheit entwickelt muss von Anfang an mit Transparenz gearbeitet und die Kollegen mit in den Prozess eingebunden werden. Technische Herausforderungen gab es natürlich auch, aber nur, weil es derzeit nicht möglich ist, muss man dies ja so nicht akzeptieren. Wir haben bis heute für alles eine Lösung gefunden.
Welche unvorhergesehenen Stolpersteine mussten Sie während des Projekts überwinden?
Süpple: Gerade in komplexen IT-Systemen bringt jeder Hersteller eigene Schnittstellen, andere Tools oder teilweise auch keine Möglichkeiten für die Automatisierung mit. Hier ist dann Durchhaltevermögen und Kreativität gefragt und man muss auch mal um die Ecke denken, um eine Lösung zu erzielen.
Was hat sich seitdem verändert - für die IT und die Fachabteilungen?
Schlumpberger: Der Service-Grad und die Verfügbarkeit wurden erhöht. Gerade in Bereichen, in denen nur wenige Spezialisten tätig sind, haben wir Automaten geschaffen, die einzelne Aufgaben übernehmen und natürlich für unseren Kunden, den User, immer zur Verfügung stehen. Zudem konnten wir in vielen Bereichen die Qualität nochmals steigern und brauchen uns auch keine Sorgen machen, dass IT-Standards nicht eingehalten werden. Ein Automat lässt hier nicht sehr viel Spielraum zu und erledigt die Dinge genauso, wie wir sie brauchen.
Automation ist ein nie endender Prozess. Was planen Sie als nächstes?
Schlumpberger: Wir stehen in meinen Augen immer noch am Fuße des Berges "Automatisierung". Mit zunehmender Anzahl an Automaten entdecken wir immer weitere Potenziale für andere Projekte, die wir bis dahin nicht in Betracht gezogen haben. Wir haben uns bis heute sehr viel mit zentralen Prozessen und Aufgaben beschäftigt und als nächstes steht die Multiplikation und Internationalisierung auf dem Fahrplan. Auch wollen wir den weiteren Rollout in die Fachabteilungen fördern und vorantreiben. Wir sind uns sicher, dass sich hier noch viele Themen finden lassen.
Was würden Sie rückblickend eventuell anders machen?
Schlumpberger: Wir waren in der Anfangsphase sehr euphorisch und haben uns direkt an die Big Player herangewagt. Klar, auf den ersten Blick bieten diese Prozesse am meisten Potential zur Steigerung der Qualität und in der Einsparung von Ressourcen. Für ein schnelles Erfolgserlebnis würden wir aber ganz klar mit den kleineren Themen beginnen. Diese sind meistens schnell umzusetzen und haben direkt Auswirkung auf die Organisation. Auch hat man damit einen leichteren Einstieg in das komplette Thema und kann sich Know-how aneignen.
Würth-Konzernmanager Bernd Herrmann sagte kürzlich, die Umsetzung der IT-Projekte sei bei Würth immer im Topmanagement verankert. Inwiefern spielte diese Leitlinie auch bei der Umsetzung des Automatisierungsprojekts eine Rolle?
Süpple: Der Projektinitiator und Auftraggeber war das IT-Management der Würth Elektronik Unternehmensgruppe. Daher war das Management regelmäßig in die strategischen Entscheidungen und Projektfortschritte aktiv eingebunden. Derart bereichsübergreifende und umfangreiche Projekte sind seit 2004 in der IT-Strategie des Boards der Würth Elektronik Gruppe verankert und werden regelmäßig mit der Würth-Konzernführung abgestimmt.