Ist KI-Erfolg real?

Kommentar  03.07.2024
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Tom Nolle ist President der CIMI Corporation, einem in den USA ansässigen Beratungsunternehmen. Seine Projekte haben ihn rund um die Welt geführt und mit nahezu jeder Netzwerktechnologie in Berührung gebracht.

Nicht nur die KI selbst halluziniert gerne.
Echte, messbare Vorteile durch KI - alles nur Einbildung?
Echte, messbare Vorteile durch KI - alles nur Einbildung?
Foto: svtdesign | shutterstock.com

Wir alle kennen inzwischen die Horrorgeschichten zur Genüge, in denen künstliche Intelligenz (KI) als der nächste große Jobkiller portraitiert wird - und wissen (hoffentlich), dass diese im Regelfall eher extreme Übertreibungen darstellen und nicht die Realität abbilden. Auf der anderen Seite stellt jedoch kaum jemand die zahlreichen - teilweise nicht minder extremen - Stories in Frage, die in Zusammenhang mit KI-Erfolgen und -Benefits verbreitet werden. Fakt ist: Viele der derzeit populären Anwendungsfälle für generative KI sind als Business Case ungeeignet.

Das Ringen um den Geschäftswert

KI ist vor allem Hype. Und der schadet der Technologie insofern, als dass er viele Initiativen in die falsche Richtung lenkt und damit die Adoption der Technologie behindert. Allerdings ist Hype an sich nicht unbedingt etwas Schlechtes: Er kann mit Blick auf KI als Katalysator dienen, Interesse und Experimentierfreude wecken. Auch die Wall Street ist dem KI-Narrativ längst erlegen und belohnt regelmäßig diejenigen Unternehmen, die in Zusammenhang mit der Technologie kräftig die PR-Keule schwingen - selbst, wenn es sich nur um die Ankündigung einer Kooperation oder eine weitere, generische Chatbot-Lösung handelt, die eigentlich nur existiert, um mit der Konkurrenz gleichzuziehen.

Wenn die Benefits einer KI-Implementierung Buzzword-intensiv gefeiert werden, geht es dabei seit 2023 im Regelfall um Generative AI, die mit ihren Tools und Funktionen diverse Produktivitäts- und Effizienzwunder bewirkt. So werden beispielsweise regelmäßig Stories verbreitet, dass KI in wenigen Monaten Dutzende von Personenjahren an Arbeitszeit eingespart hat. Dabei stellt sich dann allerdings die Frage, ob es sich dabei auch um einen Business Case handelt. Die Wahrheit ist: Wir wissen es mangels echter Insights nicht:

  • Wie gestaltet sich der Benefit mit Blick auf die einzelnen Mitarbeiter?

  • Wie viel hat es pro Mitarbeiter gekostet, die Zeitersparnis zu realisieren?

  • Konnte das Unternehmen dadurch Geld oder Stellen einsparen, beziehungsweise abbauen?

Aspekte wie diese kommen bei KI-Erfolgsgeschichten gefühlt kaum zur Sprache - sind allerdings für Finanzentscheider von ganz wesentlicher Bedeutung.

Jeder strebt wohl danach, seine eigene Arbeitskraft zu schonen und sich repetitive oder langweilige Tasks ersparen zu können. Das ist auch der wesentliche Treiber für das massive Interesse an generativer KI. Das Problem ist dabei, dass sich diese Art des Supports für die Belegschaft nicht zu monetarisieren scheint. Zumindest haben mir diverse CIOs in persönlichen Gesprächen nahegelegt, dass GenAI-Tools, die die Mitarbeiter bei der Arbeit mit Dokumenten oder E-Mails helfen, in der Realität so gut wie nie Kosten einsparen - zumindest nicht in großem Stil. Ein CFO, mit dem ich mich unterhalten habe, ist davon überzeugt, dass die Berichterstattung über Generative AI vor allem davon geprägt ist, dass "AI Candy" gestreut wird. Das kann zu Halluzinationen führen, allerdings nicht bei der KI selbst, sondern ihren Anwendern.

Generative KI ist leicht auszuprobieren, was großes Interesse weckt und den Hype schürt. Die besonderen Herausforderungen einer selbst gehosteten KI sind nur für eine kleine Zahl von Anwendern von Interesse - zu klein, um ähnlich viel Aufmerksamkeit zu erzeugen. Dabei sind es oft solche Projekte, die Geschäftswert realisieren - allerdings sind diese eben oft auch zeitintensiver, denn in aller Regel zeichnen sie sich dadurch aus, dass der CIO eine tragende Rolle einnimmt - und sie eine traditionelle Bewertung durch den CFO durchlaufen.

Abgesehen davon ist die Finanzierung von KI-Projekten im Allgemeinen das Hauptproblem: Leistungsfähige KI-Hardware benötigt High-End-GPUs (aber nicht jeder KI-Anwendungsfall), KI-Rechenzentren massenhaft Energie, um diese zu betreiben und zu kühlen. Das muss auch irgendjemand bezahlen - allerdings berichtet die Mehrheit der Anwender davon, vor allem kostenlose KI-Tools einzusetzen. Noch mögen die Anbieter bereit sein, diese KI-Bonbons zu finanzieren - aber irgendwann wird die Technologie sich dem strengen Blick der CFOs, sowohl auf Anbieter- als auch auf Anwenderseite, stellen und ihren wahren Wert unter Beweis stellen müssen. Einige solcher Projekte existieren bereits, nur hört man davon im Regelfall nichts - was es schwieriger gestaltet, Anwendungen zu entwickeln, die die Grundlage für einen Business Case liefern können.

Es scheint also, als ob KI-Erfolg mehr Halluzination ist als Realität. Aber: Millionen von Menschen nutzen (generative) KI bereits. Und auch wenn daraus oft noch kein Business Case resultiert, ist nicht ausgeschlossen, dass in diesem Rahmen auch völlig neue Wertschöpfungsmöglichkeiten entdeckt werden. (fm)