Kryptowährung in der Kritik

Ist die Bitcoin-Energiebilanz wirklich so schlecht?

Kommentar  05.05.2022
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Dirk Röder ist Head of Blockchain Solution Center bei der T-Systems Multimedia Solutions GmbH. Davor war er als Blockchain Evangelist bei MaibornWolff beschäftigt.
Kürzlich startete Greenpeace USA mit dem Sierra Club und dem Milliardär Chris Larsen die Kampagne "Change the Code - not the Climate" und nennt vier Fakten zur Energieverschwendung durch Bitcoin. Unser Autor stellt sie auf den Prüfstand.
Die Energiebilanz der Bitcoin Miner steht seit Jahren in der Kritik.
Die Energiebilanz der Bitcoin Miner steht seit Jahren in der Kritik.
Foto: Orpheus FX - shutterstock.com

Wer bei "Change the Code - not the Climate" eine wissenschaftlich fundierte Argumentation erwartet, wird leider enttäuscht. Das Fundament dieser PR-Aktion basiert auf folgender Annahme: Bitcoin verschwende zu viel Energie. Aber wer legt eigentlich fest, dass die von den Minern verbrauchte Energie unnütz ist? Liegt es nicht eher im Auge des Betrachters? Ein Argument gegen den Energiebedarf von Bitcoin Mining und Transaktionen, muss - sofern es tragen soll - sattelfest und gut begründet sein.

Energieverschwendung und Vertrauen

Der Energieverbrauch der Menschheit stieg seit 1800 stetig. Nüchtern betrachtet, haben wir also keinen Flaschenhals in der Bereitstellung von Energie. Egal welche Entwicklungen oder Innovationen die Menschen hervorbrachten, wir waren gleichzeitig in der Lage, den neuerlichen Bedarf zu decken. Auf der anderen Seite zeigt die folgende Grafik aber auch, dass die Energiegewinnung zu einem Großteil auf fossilen Energieträgern beruht. Diese tragen zweifellos ihren Anteil zum Klimawandel bei. Wir können also festhalten: Bitcoin hat kein Energieproblem, vielmehr hat die Energieproduktion ein CO2-Problem!

Der weltweite Kohle-, Öl- und Gasverbrauch ist seit Beginn der Industrialisierung im 20. Jahrhundert enorm gestiegen.
Der weltweite Kohle-, Öl- und Gasverbrauch ist seit Beginn der Industrialisierung im 20. Jahrhundert enorm gestiegen.

Dazu sollten wir uns die Frage stellen: Wieviel CO2 ist uns hartes Geld wert? Kanada, Griechenland und kürzlich auch die Notenbanken haben bewiesen, dass FIAT-Geld als Waffe gegen Individuen oder ganze Staaten eingesetzt werden kann. Wer das Geld kontrolliert, kontrolliert die Kaufkraft und damit praktisch alles. Es verwundert, dass vor allem die politische Linke sich gegen Bitcoin stark macht, wo doch das bestehende Geldsystem eben genau den Teil der Bevölkerung benachteiligt, den die Linke vorgibt schützen zu wollen. Denn wer bestimmt, wohin das Geld fließt, der legt auch fest, wem es gut geht. Dies führte in der jüngsten Vergangenheit zu immer neuen Kontrollen der Geldbewegung - siehe Kanada vor wenigen Wochen. Die Regierung sperrte die Konten einiger Bürger, weil diese eine andere Meinung als der Regierungschef hatte. Das existierende Geldsystem ist die Endstufe von Cancel Culture.

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Bitcoin erlaubt uns dagegen Widersprüche ohne jeglichen Zwang aufzulösen, denn der Code von Bitcoin ist Open Source. Damit handelt es sich um das erste, globale, private, transparente, digitale und gleichzeitig protokollbasierte Geldsystem in der Geschichte der Menschheit. Es ist zensurresistent, divers und inklusiv und geldpolitische Entscheidungen werden weltweit auf namenlosen Computern im 10-Minutentakt entschieden.

Im Folgenden betrachten wir die nun vier in der "Clean up Bitcoin"-Kampagne genannten negativen Fakten zum Thema Bitcoins etwas genauer:

Fakt 1: Zu hoher Energieverbrauch

In der Presse werden zum Energieverbrauch gerne Ländervergleiche herangezogen. So nutzt auch Greenpeace einen Vergleich und behauptet, dass Bitcoin, jüngsten Schätzungen zufolge, einen höheren Stromverbrauch habe als das Land Schweden. Als Grundlage dient der Bitcoin Electricity Consumption Index der University of Cambridge.

Auf der einen Seite des Greenpeace-Vergleichs steht damit Bitcoin, dessen Energiebedarf durch thermodynamisch irreversible Arbeitsschritte gesichert ist. Auf der Seite der Geldwirtschaft kann als Beispiel auch der US-Dollar stehen, dessen Absicherung durch den weltweit größten Verbraucher von Öl und Gas erfolgt: dem US Militär. Während also FIAT-Geld - platt gesagt - Flugzeugträger und Armeen zur Absicherung des Geldsystems benötigt, begnügt sich Bitcoin mit Computerchips und Strom. Ganz nebenbei halte ich die Wandlung hin zur Nutzung regenerativer Energien bei EDV-Systemen für wahrscheinlicher als bei Flugzeugträgern. Für die Fans von Ländervergleichen: Das US-Militär verbraucht mehr Energie als 140 Nationen. Die U.S. Energy Information Administration liefert weitere, plakative Beispiele:

  • Der Energieverbrauch beim Schürfen von Gold bewegt sich in etwa auf dem gleichen Niveau wie Bitcoin.

  • Mit den Verlusten bei Transport und Verteilung im Energienetz der USA könnte man das Bitcoin-Netzwerk 1,5 Mal betreiben.

  • Das Abfallprodukt "Gas Flaring" bietet Potenzial für fünf Bitcoin-Netzwerke.

Egal wie man es dreht und wendet, die Diskussion gelangt immer wieder zum selben subjektiven Ausgangspunkt: Was ist uns eine Dienstleistung wert?

Fakt 2: Bitcoin erwärmt die Erde um zwei Grad

Eine beliebte Gleichung für den enormen Energiehunger sind die Emissionen pro Transaktion. Unbestritten werden auf dem Bitcoin-Netzwerk rund sieben Transaktionen pro Sekunde (TPS) getätigt. Allerdings blendet diese Formel die Weiterentwicklung in Form des Lightning-Netzwerks völlig aus. Diese 2nd-Layer-Applikation ermöglicht 40 Millionen TPS. Das sind rund 1.000 Mal mehr Transaktionen als das Visa-Netzwerk. Auf der Bitcoin-Konferenz in Miami wurde überdies die Integration des Lightning-Netzwerks bei shopify, Blackhawk und dem weltweit größten Kassensystemunternehmen NCR bekannt gegeben.

Das NGO argumentiert mit zeitlich überalterten Studien wie einst die Gegner der Elektromobilität mit der "Schweden-Studie". Weder diese aktuelle Greenpeace-Kampagne noch die der Verbrenner-Lobby versuchen sich einer Fragestellung neutral zu nähern. Ein Blick auf einen Studien-Link aus dem Jahr 2018 zeigt gleich drei Gegenpositionen zu den getätigten Aussagen. Allerdings greift Greenpeace einen negativen Artikel heraus. Dem gegenüber stehen positive Beispiele,wie eine Mining-Farm in Slowenien, die mit Biogas aus tierischen und menschlichen Abfällen betrieben wird.

Fakt 3: Wiederaufnahme stillgelegter fossiler Kraftwerke

Neben Hardware ist Energie der größte Kostenblock für Mining-Betreiber und es wird nicht bestritten, dass Mining-Farmen CO2 emmitieren. Da regenerative Energie wie Solar, Wasser und Wind günstiger ist als herkömmliche Energieformen, werden Mining-Farmen über kurz oder lang ohnehin umsteigen. Unterstützt wird dies durch Bestrebungen, die Mining-Farmen als "lastausgleichende ökonomische Batterie" zu nutzen. Überproduzierter Strom, der keinen Abnehmer gefunden hat, könnte von den Farmen flexibel genutzt werden. Der norwegische Energiekonzern Aker experimentiert damit und auch einige US-Bundesstaaten erkennen die Vorteile dieser flexiblen Stromverbraucher für die Grundlast. Ganz zu schweigen von der Nutzung des sogenannten "Flare Gas", einem Abfallprodukt bei der Gas/Ölproduktion. Exxon und Conoco sind so ins Mining eingestiegen.

Fakt 4: Proof of Work ersetzen

Niemand bestreitet den geringeren Energieverbrauch anderer Konsensalgorithmen wie z.b. Proof of Stake. Die Reaktion von Twitter User @WillyWoo trifft den Nagel allerdings auf den Kopf:

Bitcoin Mining kann also definitiv grüner werden und bereits heute ist der Sektor überaus innovativ. (bw)