Sideloading

iPhone-Apps ohne App Store installieren

30.11.2023
Von Christian Rentrop
Die Bindung von iPhone und iPad an Apples App Store kann lästig sein. Wer auch auf diesen Geräten Software-Freiheit haben möchte, muss zum Sideloading greifen. Das geht erstaunlich einfach.
Schon heute können iPhone- und iPad-Nutzer am AppStore vorbei Apps auf ihre Geräte laden.
Schon heute können iPhone- und iPad-Nutzer am AppStore vorbei Apps auf ihre Geräte laden.
Foto: Primakov - shutterstock.com

Irgendwann im kommenden Jahr wird die EU Apple zwingen, das sogenannte Sideloading innerhalb der EU zuzulassen: Das ermöglicht die Installation von Apps auf iPhone und iPad ohne Apples App Store. Grund dafür ist der Digital Markets Act (DMA) der EU, der die Monopole der Tech-Konzerne knacken soll. Und Apples App Store ist auf dem iPhone und iPad definitiv ein Monopol - schließlich erlaubt der Hersteller keine Alternativen. Und Apple verdient an jedem Verkauf mit.

Wie genau Apple das umsetzen wird, steht aber noch in den Sternen: Gut möglich, dass die Rechtsabteilung einen Weg findet, Sideloading so unattraktiv zu gestalten, dass es niemand verwenden will. Sicher ist aber: Es wird dafür ein Update geben, dass die Funktion innerhalb der EU freischaltet. Bis es so weit ist, können Sie aber trotzdem schon Apps ohne App Store auf Ihrem iPhone und iPad nutzen. Denn inoffiziell gibt es bereits eine Sideloading-Funktion in iOS und iPadOS. Und die können Sie relativ einfach und vor allem ohne Jailbreak verwenden.

Was Sie für das Sideloading benötigen

Dass jeder Besitzer eines iPhones oder iPads die Sideloading-Funktion schon jetzt inoffiziell nutzen kann, hängt mit zwei Faktoren zusammen: Einerseits erlaubt Apple Entwicklern, ihre Apps zu testen, ehe sie im Store erscheinen. Und andererseits ist jede Apple-ID auch ein (kostenloser) Entwickler-Account. Um die Funktion verwenden zu können, benötigen Sie außerdem einen Mac oder PC und eine Sideloading-Software wie AltServer, SideServer oder Sideloadly. Und natürlich eine App in Form einer .ipa-Datei, die Sie installieren möchten. Eine gute Quelle hierfür ist zum Beispiel die Website iOSninja.io.

App-Sideloading auf iPhone oder iPad durchführen

Wir zeigen Ihnen im Folgenden die einfachste Methode: Das Sideloading per Sideloadly mit anschließender Installation der iOS/iPadOS-Version der Virtualisierungslösung UTM, mit der Sie sogar Windows (!) auf dem iPhone oder iPad ausführen können. Natürlich können Sie auch jede beliebige andere App auf diese Weise installieren.

  1. Sideloadly installieren: Laden Sie zunächst Sideloadly in der aktuellsten Version direkt von der Sideloadly-Website. Das ist wichtig, da Sideloadly später die Apple-ID-Zugangsdaten abfragt und Sie dem Tool deshalb vertrauen müssen. Es gibt Versionen für MacOS (ab 10.12 Sierra) und Windows ab Windows 7. Sie können also auch einen "ausgemusterten" PC oder Mac einsetzen, falls Sie zum Beispiel nur noch am iPad arbeiten.

  2. iPhone/iPad mit Mac/PC verbinden: Verbinden Sie jetzt Ihr iPad oder iPhone mit Ihrem Computer. Verwenden Sie dazu am besten das mitgelieferte Ladekabel, das auch als Datenkabel funktioniert. Denken Sie daran, die Verbindung auf beiden Seiten zu erlauben.

  3. IPA-Datei von UTM herunterladen: Laden Sie jetzt noch die neueste Version der UTM-App (oder jeder beliebigen anderen App, die Sie verwenden wollen) mit Ihrem PC oder Mac im IPA-Format herunter.

  4. App per Sideloadly installieren: Starten Sie jetzt Sideloadly und ziehen Sie die heruntergeladene IPA-Datei links in das Ablagefeld der App. Geben Sie außerdem Ihre Apple-ID ein und wählen Sie das angeschlossene iPhone oder iPad, wenn Sie mehrere Geräte angeschlossen haben. Links neben dem Start-Knopf finden Sie die Option für den automatischen Refresh: Klicken Sie diese einmal an, um sie zu aktivieren, Sideloadly läuft danach als Autostart-Programm. Mit "Start" leiten Sie den Sideload ein.

  5. Apple-ID-Passwort eingeben: Sideloadly verlangt jetzt die Eingabe Ihres Apple-ID-Passworts. Das dient der Authentifizierung der App auf den Apple-Servern, das Passwort wird nicht an die Entwickler übermittelt. Allerdings ist natürlich ein gewisser Vertrauensvorschuss notwendig. Daher ist es wichtig, dass Sie Sideloadly wirklich von der Hersteller-Website installiert haben. Klicken Sie, wenn Sie sich sicher sind, auf "OK".

  6. Sideloadly arbeiten lassen: Sideloadly signiert die App jetzt über den Entwickler-Zugang Ihrer Apple-ID und installiert die App anschließend auf Ihrem iPhone oder iPad. Wichtig dabei: Lassen Sie das Programm arbeiten, der Vorgang kann ein paar Minuten dauern. Ist die App installiert, taucht sie auf dem iPad oder iPhone auf dem Home-Bildschirm auf und Sideloadly meldet "Done."

  7. "Entwickler, dem nicht vertraut wird": Wechseln Sie jetzt zu Ihrem iPad oder iPhone und tippen Sie die gerade installierte App an. Das Gerät wird melden, dass es sich um eine App von einem Entwickler handelt, dem das Gerät nicht vertraut. Der Entwickler sind Sie beziehungsweise Ihre Apple-ID.

  8. Entwickler freigeben und App verwenden: Wechseln Sie also in die Einstellungen Ihres iDevice und wählen Sie hier "Allgemein -> VPN und Geräteverwaltung". Hier finden Sie den Punkt "Entwickler-App", unter dem Sie Ihre Apple-ID sehen. Tippen Sie diese an und tippen Sie "(Apple-ID) vertrauen" an. Bestätigen Sie das noch einmal im folgenden Hinweis-Fenster. Jetzt ist Ihre Apple-ID als vertrauenswürdiger Entwickler freigegeben: Sie können die App jetzt verwenden.

Neusignierung: Automatisch per WLAN

Da es sich bei den auf diese Weise auf iPhone und iPad eingespielten Apps um eine Testmöglichkeit für Entwickler handelt, hat Apple die Möglichkeiten der Funktion limitiert: Apps müssen nach sieben Tagen neu signiert werden, sonst stellen sie den Dienst ein. Zudem ist die Zahl der auf diese Weise installierbaren Apps auf drei limitiert. Die Neusignierung kann Sideloadly zum Glück inzwischen selbst übernehmen, wahlweise per Kabel oder über WLAN.

Um eine Neusignierung per WLAN zu ermöglichen, muss zunächst WLAN-Sync auf dem iPhone/iPad aktiviert werden. Schließen Sie es dazu per Kabel an und wählen Sie es im Finder aus: Unter "Allgemein" können Sie jetzt "Bei verfügbarem WLAN dieses iPhone/iPad anzeigen" einen Haken setzen: So erkennt der Mac das Gerät auch ohne Kabel. Damit Sideloadly die Neusignierung automatisch durchführen kann, muss Sideloadly-Daemon auf dem Mac ständig laufen, Mac und iPhone/iPad müssen sich außerdem im gleichen WLAN befinden.

Was ist JIT und warum meldet es einen Fehler?

Im Fall von UTM kann es passieren, dass sich die Virtualisierungssoftware weigert, manche VMs auszuführen. Stattdessen gibt es eine Fehlermeldung. Schuld daran ist die Just in Time-Kompilierung, eine Möglichkeit, um einige iOS/iPadOS-Restriktionen per Sideloading zu umgehen und dadurch systemnahe Apps schneller (oder überhaupt) laufen zu lassen. JIT ist gerade bei Tools wie UTM ausgesprochen praktisch, weil sie eine sehr gute Performance ermöglicht.

Sideloadly übernimmt diesen Handgriff normalerweise selbst, die bei Erstellung dieses Artikels verwendete Version 0.50.1 ist aber noch nicht vollständig mit iOS/iPadOS 17.1 kompatibel. In einem Reddit-Thread weißen die Macher darauf hin, dass sie dabei sind, den Fehler zu beheben. Kommende Versionen werden das Problem also höchstwahrscheinlich lösen. Auf viele einfachere Apps hat JIT aber nur geringen oder keinen Einfluss, womit diese zumeist keinen Fehler melden.

Sideload-Apps, die Sie probieren sollten

Neben UTM gibt es natürlich auch eine Reihe von Apps, die durch Apples restriktive App-Store-Politik niemals ihren Weg auf iPhone und iPad fänden. An vorderster Stelle sind hier Emulatoren zu nennen, die erlauben, klassische Videospiele - etwa für Atari-, Nintendo- oder Sega-Konsolen - direkt auf dem iPhone und iPad zu spielen.

Diese Apps sind teilweise sehr ausgereift, obwohl sie eigentlich seit jeher ein Schattendasein im obskuren Jailbreak-Sideloading-Segment fristen: Tools wie Delta Emulator, Dolphin Emulator oder RetroArch werden nach wie vor gepflegt und ermöglichen Nutzern von iPhone und iPad, Spieleklassiker zum Leben zu erwecken. Doch es gibt auch andere interessante Emulatoren, etwa Mini vMac für klassische Macs oder die App Rewound, die ein iPhone in einen klassischen iPod "verwandelt". Apple fand das übrigens gar nicht witzig und versucht nach wie vor, Download-Quellen der IPA-Datei zu unterbinden.

Mit IPA-Dateien ist alles möglich

Es gibt durch die nach wie vor große Jailbreak-Szene natürlich eine Reihe von Websites, die Apps anbieten, die im Store eigentlich Geld kosten. Hier ist Vorsicht geboten: Die modifizierten Apps könnten problematisch sein, weil sie zum Beispiel Zahlungsdaten abfischen möchten. "Sichere" IPA-Apps gibt es aber dort, wo Entwickler eine seriöse iOS/iPadOS-Software gebaut haben, die jedoch von Apple nicht genommen wurde.

Ein schönes Beispiel ist hier die App iSH: Eine vollwertige Linux-Kommandozeile, die ein vollwertiges Linux eingebaut hat. Die flog in der Vergangenheit immer wieder aus dem App Store, um später wieder aufzutauchen. Aber auch spielerisch-freche Projekte wie etwa die OldOS-App, die iOS die Optik von iOS 4 verpasst, werden im App Store nicht gerne gesehen und müssen als IPA per Sideload eingespielt werden.

Fazit: Sideloading gibt Freiheit

Wer die richtige "freie" App zur Hand hat, kann wesentlich mehr aus seinem iPhone und iPad herausholen - und das dank Sideloading ganz ohne Jailbreak. Dennoch gibt es hier einige lästige Hürden wie die Neusignierung nach sieben Tagen, die der Freude einen Dämpfer verpassen. Es ist daher nur konsequent und richtig, dass die EU Apple in Zukunft dazu zwingt, sein App-Monopol auf diesen Geräten aufzugeben. Bis dahin ist der Sideload aber eine praktische Alternative. (Macwelt)