Das Verhältnis von Entscheidern in der Industrie zum Internet der Dinge (IoT) ähnelt ein wenig dem von Gläubigen zum Himmelreich: Man setzt große Hoffnungen darauf und ist sich sicher, dass es alles ändern wird, fühlt sich aber zugleich schlecht vorbereitet und weiß nicht so recht, wie man am besten dorthin gelangt.
Wie groß die Diskrepanz zwischen Hoffen und Können tatsächlich ist, hat jetzt eine Studie enthüllt, die General Electric (GE) auf der Konferenz "Minds + Machines" in San Francisco vorgestellt hat.
GE ist einer der größten Mischkonzerne der Welt. Gegründet von Thomas Alva Edison, der Erfinder der Glühbirne, ist das Unternehmen vor allem durch seine Aktivitäten in der Energieerzeugung und Energietechnik und für seine Flugzeugtriebwerke bekannt geworden.
In den zurückliegenden Jahren beschäftigte sich GE außerdem mit der Digitalisierung in der Industrie, mit dem Internet der Dinge und seiner praktischen Anwendung. Um Genaueres darüber zu erfahren, hatte das Unternehmen 250 Fach- und Führungskräfte in den USA aus fünf verschiedenen Industrien befragt.
Einerseits ist bei diesem Thema - so ein zentrales Ergebnis - der Optimismus fast grenzenlos: 80 Prozent der Befragten glauben, dass die Technologie ihr Unternehmen und die gesamte Branche, zu der es gehört, massiv verändern wird. Und sogar noch mehr Führungskräfte sind der Meinung, dass der mit dem IoT verbundene Transformationsprozess unvermeidlich ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Der Einfluss auf die Industrie ist gewaltig
Gleichzeitig sagen aber weniger als acht Prozent derselben Befragten, dass ihr Unternehmen auf diese Transformation gut vorbereitet ist, zehn Prozent haben noch überhaupt keine Pläne für deren Umsetzung.
Ob es den Machern nun gefalle oder nicht: Das Internet der Dinge habe schon heute gewaltigen Einfluss auf die meisten Branchen, so Bill Ruh, CEO von GE Digital, der Digitalsparte des Konzerns, auf der Konferenz in San Francisco. Zugleich gebe es aber noch "eine deutliche Kluft zwischen den Erwartungen und der konkreten Umsetzung in den Unternehmen."
Der "GE Digital Industrial Evolution Index"
Damit diese sich ein Bild machen können vom eigenen Status Quo, hat Ruhs Unternehmen den "GE Digital Industrial Evolution Index" aus der Taufe gehoben. Er soll messen und sichtbar machen, wie groß die Lücke zwischen Wollen und digitalem Können tatsächlich ist.
Über alle von GE befragten Unternehmen hinweg erreicht die Industrie aktuell 63 von 100 möglichen Evolutions-Punkten, will sagen, man hat erst weniger als zwei Drittel des Transformationsweges zurückgelegt.
Erfolgskritisch: Konnektivität und Analytics
Die Frage, welche Aspekte des Internets der Dinge am wichtigsten sind für die eigene Zukunft, wird ganz unterschiedlich beantwortet. Für erfolgskritisch im Transformationsprozess halten die meisten Befragten Konnektivität und Data Analytics.
Letztgenannter Punkt ist für die meisten auch elementar, wenn es um IoT-Investitionen der eigenen Firma geht. Außerdem wünschen sich viele Führungskräfte, dass ihr Unternehmen in eine eigene, für den industriellen Einsatz geeignete IoT-Plattform investiert.
- Das ABC des Internets der Dinge
Das "Next big thing" der letzten Jahre schlechthin ist nicht nur selbst eines der derzeit am häufigsten strapazierten Buzzwords. Rund um das Internet der Dinge tummeln sich Begriffe, die oft genauso wenig oder kaum verstanden werden wie der Oberbegriff. Zeit also dass wir mit Mythen, Buzzwords und Wissenslücken rund um IoT aufräumen. - API
"Ohne API Management wäre das Internet der Dinge nur ein großes Ding", <a href="http://www.wired.com/2013/07/without-api-management-the-internet-of-things-is-just-a-big-thing/" target="_blank">hieß es mal bei Wired</a> und es stimmt. API (Application Programming Interfaces) sind eine extrem wichtige Zutat des Internets der Dinge: Sie machen den Datenaustausch zwischen Apps und Geräten möglich. Mit offenen APIs kann die smarte Wetterstation eines Herstellers seine Daten an die smarte Markise eines anderen Herstellers weitergeben und bei starkem Wind Markisen einfahren und Rolladen schließen. Mulesoft hat die 10 wichtigsten APIs im IoT in einer Infografik illustriert, darunter zum Beispiel Fitbit API oder das <a href="https://www.mulesoft.com/infographics/api/internet-things#sthash.9hXXH871.dpuf" target="_blank">Nest Learning Thermostat API</a>. - BLE (Bluetooth Low Energie / Bluetooth 4.0)
Bluetooth Low Energy (kurz BLE oder Bluetooth 4.0) ist eine spezielle Version des bekannten Drahtlos-Standards und eine wichtige Technologie für smarte Devices: Mit BLE ausgerüstete Gadgets können sich permanent drahtlos mit der Umgebung unterhalten, schonen aber den Akku und müssen nicht bei jedem Aufeinandertreffen erneut gepaired werden. - Cloud-based Application
Klar, die Cloud kennt heute jeder, was gibt es da zu erklären? Im Internet der Dinge spielt sie aber eine besondere Rolle: Apps und Dienste werden im IoT oft im Internet gehostet, statt neue Infrastruktur, Personal oder Software zu verlangen. Zweitens landen oft die von Sensoren, Geräten und Apps gesammelten Daten in der Cloud und können so leicht zwischen Apps und Diensten ausgetauscht werden. - Embedded Intelligence
Computer sind heute als Alleskönner bekannt. Embedded Intelligence oder Embedded Computing beschreibt Systeme, die nur ein bestimmtes Ziel verfolgen, nur ein paar bestimmte Aufgaben erledigen. So kann bei Embedded Computing an Hard- und Software gespart werden. Das ergibt schlanke Systeme, die dann im Zusammenspiel mit anderen Geräten ihre volle Funktionalität entfalten. - iBeacon
Der Markenname iBeacon wurde 2013 von Apple als proprietärer Standard für Navigation in geschlossenen Räumen eingeführt. Die kleinen, in der Anschaffung bewusst günstigen Geräte senden Sensordaten über ein BLE-Signal. Mit einer Knopfzelle können iBeacons rund ein Jahr laufen. Mit mehreren iBeacons können Positionen sehr exakt bestimmt werden und zum Beispiel in einem Ladengeschäft zu jedem Regal passende Angebote aufs Smartphone geschickt werden. - Industrie 4.0
So wie Smart Home das Internet der Dinge im Heimbereich beschreibt, steht der Begriff "Industrie 4.0" smarte, vernetzte Fabriken. "4.0" spielt dabei auf die vierte industrielle Revolution an. In smarten Fabriken könnten sich ganze Produktionsanlagen mit M2M-Kommunikation permanent unterhalten, über Sensoren gesammelte Informationen auswerten und so Prozesse schnell, effizient und kostengünstig halten. So können Werkstoffe, die in eine Produktionsanlage geliefert werden, zum Beispiel per RFID-Chips der Anlage sagen in welcher Maschine sie verarbeitet werden sollen. - Interoperability
Ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Internets der Dinge ist der Austausch von Informationen und Services mit einem anderen System, der als Interoperability bezeichnet wird. Geräte können im Idealfall nahtlos und effektiv zusammenarbeiten. Tatsächlich herrscht in vielen Bereichen wie Smart Home noch ein Chaos aus Geräten von verschiedenen Herstellern die nur begrenzt miteinander vernetzbar sind. - Location Technologies
Technologien wie GPS, die Positionsbestimmung per WLAN oder BLE machen es im Internet der Dinge möglich den Ort eines Geräts, wie eines Smartphones, an Sensoren zu melden. Aus ortsbasierten Informationen zu Geräten ergeben sich enorm viele Möglichkeiten, vom simplen Angebot des nächsten Ladens aufs Smartphone bis zu selbstfahrenden Autos. - M2M
Dank M2M (Machine-to-Machine Communication / Technology) sollen sich Geräte automatisch, ganz ohne Zutun des Menschen unterhalten. Zum Beispiel könnte ein Containerschiff vollautomatisch in einem Hafen entladen werden oder ein Auto ferngesteuert die freie Lücke im Parkhaus finden und dort einparken. Notwendig sind für M2M-Systeme oft Sensoren, die permanent Daten untereinander austauschen und damit eine zentrale Steuerung möglich machen. - RFID Tags
Radio Frequency IDentification Tags können im IoT für Tracking-Zwecke wertvolle Daten liefern: Zum Beispiel können sie Warenbestände oder Personendaten erfassen und verwalten. Die kleinen Tags können zum Beispiel leicht in einem Container oder Kleidung untergebracht werden und dann beim Passieren eines Lesegeräts registriert werden – ohne Sichtkontakt. Im Gegensatz zu Barcodes können Geräte hunderte von RFID-Tags gleichzeitig lesen – und sie funktionieren in Metallteilen, aufgedruckt oder sogar unter der Haut. Der <a href="http://www.inotec.de" target="_blank">RFID-Hersteller Inotec</a> zeigt die Vorteile der RFID-Technologie im Detail. - Sensor
Sensoren kennt heute jeder aus dem Smartphone, das beim Kippen die Benutzeroberfläche von vertikal nach horizontal umschaltet. Sensoren schlagen die Brücke zwischen der echten und digitalen Welt, indem sie wie in dem Beispiel Bewegungen übersetzen. Sensoren können noch viele andere Daten wie den Ort eines Gerätes, Bewegungen, Temperatur oder Helligkeit messen. - Smart Home
Smart Home ist der Sammelbegriff für das Internet der Dinge im Heimbereich. Haushaltsgeräte von der Küche über Wohnzimmer bis Garten werden durch Zusatztechnik zentral, zum Beispiel über Smartphone-Apps steuerbar. Smart Home kann in vielen Bereichen den Wohnkomfort enorm verbessern, etwa durch Jalousien, die auf das Wetter reagieren. Zudem winken Zusatznutzen wie weniger Stromverbrauch durch automatisch abgeschaltetes Licht und Geräte, sobald man den Raum verlässt oder verbesserten Schutz gegen Einbrecher durch smarte Überwachungskameras, die bei Bewegung Push-Nachrichten aufs Smartphone senden. - Ubiquitous Computing
Beim Internet der Dinge werden winzige Computer in Alltagsgegenstände eingebaut. Damit sie vernetzt funktionieren, müssen sie oft immer angeschaltet sein – im Gegensatz zum Desktop-PC der nach Benutzung wieder ausgeschaltet wird. "Ubiquitous Computing" bedeutet also Computersysteme, die immer eingeschaltet und allgegenwärtig sind. - Wearables
Das Internet der Dinge hat in den letzten Jahren besonders viele smarte Geräte zum Anziehen, die so genannten Wearables, hervorgebracht. Sportarmbänder, Smart Watches, Fitnesskopfhörer mit Trainingsanleitungen, Bewegungs-Tracker in verschiedenen Formen sind nur einige Beispiele für aktuelle Wearables. Neben Fitness und Gesundheitsgeräten gehören auch neue Formen von Computern wie Datenbrillen zu den Wearables.
Kein oder nicht genug Geld in die Hand nehmen zu wollen, ist allerdings neben Sicherheitsbedenken der größte Hemmschuh für das Vorantreiben der digitalen Transformation.
Außerdem fehlt es, wie eingangs beschrieben, vielerorts an der notwendigen Veränderungsbereitschaft. Mehr als die Hälfte der Befragten ist davon überzeugt, dass ihr Unternehmen die Transformation nur dann meistern wird, wenn es sich nachhaltig verändert.
Gelungene IoT-Projekte in der Praxis
Nach Angaben von GE Digital gibt es eine ganze Reihe von Unternehmen, die zumindest die Notwendigkeit einer solchen Veränderung begriffen und auch bereits erste Maßnahmen umgesetzt haben. Im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Studie nennt das Unternehmen einige davon.
Treibstoff sparen mit Analytics
Mit Quantas, der größten australischen Fluglinie, hat GE FlightPulse entwickelt, eine Anwendung, die den Piloten alle nötigen Flugdaten zur Verfügung stellt, damit diese durch effizienteres Fliegen Emissionen senken können. Im Vergangenen Jahr soll Quantas dadurch 30.000 Tonnen Treibstoff eingespart haben.
Datenanalyse im Windpark
Invenergy, das größte private Energieunternehmen Nordamerikas, wird demnächst einen 2000 Megawatt-Windpark namens Windcatcher eröffnen, die größte Windfarm in den USA. Aufwändige Datenanalysen werden hier für die Auslastungs- und Kapazitätssteuerung sorgen.
Analytics für 2000 Kilometer Schienennetz
Rumo, eines der größten Schienen-Logistikunternehmen in Lateinamerika, nutzt den Trip Optimizer von GE Transportation, um die Effizienz von mehr als 2000 Kilometern Schienennetz in Brasilien zu steigern. Das softwarebasierte Energiemanagementsystem läuft auf der sogenannten GoLINC Onboard-Computing-Plattform von GE. Es analysiert unter anderem fortlaufend große Datenmengen, um mit den Berechnungsergebnissen den Treibstoffverbrauch von Zügen zu optimieren.
Kaum durchschaubare Vielfalt von technischen Lösungen
JPMorgen Chase, größte Bank der USA, installierte gemeinsam mit GE ein digitales Energiemanagement, um die Energieeffizienz der rund 4500 Chase-Filialen in den USA zu steigern. Eine Maßnahme dabei war die Umstellung auf LED-Beleuchtung, mit ihr lässt sich der Energieverbrauch einer Bankfiliale massiv senken.
Das Internet der Dinge ist insofern ein komplexes Thema, als es eine Vielzahl von technologischen Ansätzen benötigt: Konnektivität, Kontrollsysteme, Cloud-Lösungen, Datenanalyse, Machine Learning, Sicherheit, Datenschutz und viele mehr.
Wegen dieser kaum durchschaubaren Vielfalt fällt es Unternehmen schwer, eine Blaupause für den besten Weg zur Transformation mit Hilfe des Internet oft Things zu finden. Davon sollten sich die Verantwortlichen allerdings nicht lähmen lassen, sondern stattdessen an der Stelle mit dem ganzen Prozess beginnen, an der sie schon die meiste Erfahrung mit Digitalisierung gesammelt haben.